Die Antworten der Spitzenpolitiker

1. Ausbau der Präventionsprogramme, deutlich aufgewertete Vorsorgeuntersuchungen.

Werner Faymann | SPÖ: Prävention hat einen hohen Stellenwert. Mit der heuer beschlossenen Gesundheitsreform haben wir ei­nen 150-Mio.-Euro-Fonds für Gesundheitsförderung und Prävention eingerichtet. Mithilfe des Nationalen Aktionsplans Ernährung wird z.B. der Zugang der Menschen zu gesunder Ernährung – wie im Schulbuffet oder in der Kantine – erleichtert und so Übergewicht und seine Folgeerkrankungen reduziert.

Michael Spindelegger | ÖVP: Prävention ist der Schlüssel zu einem langen, gesunden Leben. Vorsorge ist besser als Behandlung. Deshalb ist es notwendig, die Prävention als Leitgedanken im gesamten Gesundheitssystem zu etablieren. Wir wollen das Bundes-Gesundheits- Präventionsgesetz umsetzen und Anreize zur eigenverantwortlichen Vorsorge schaffen. Ein zentrales Anliegen ist uns auch der Ausbau der Prävention in der Kin­dergesundheit. Etwa Übergewicht oder Suchtgefährdung wollen wir mit gezielten Vorsorgemaßnahmen entgegenwirken.

Eva Glawischnig | Die Grünen: Das derzeitige Kompetenz-Wirrwarr im Bereich Prävention soll vereinfacht und Vorsorge auf Bundesebene einheitlich geregelt werden. Ein Ausbau der Präventi­onsprogramme und eine deutlich aufgewertete Vorsorgeuntersuchung sind drin­gend notwendig.

Heinz-Christian Strache | FPÖ: Die Vorsorge stellt für uns einen Primärfokus des Gesundheitswesens dar. Wir wollen ein Umdenken da­hingehend bewirken, dass mit verstärkter Prävention die Belastungen für die Staatsbürger durch Krank­heit wie auch die enormen Kosten der kurativen Medizin reduziert werden können. Die Vorsorge ist der­zeit leider weder politisch noch organisatorisch, finanziell oder rechtlich abgesichert. Dieser Mangel führt dazu, dass im Bereich der gemeinsamen Ziele, Steuerung und Koordination die Vorsorge vernachlässigt wird. Zur Forcierung der Gesundheitsvorsorge fordern wir einen Bonus für jene Versicherten, die sich in regelmäßigen Abständen den empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen unterziehen.

Josef Bucher | BZÖ: Wir sehen in der Förderung der Prävention den wichtigsten Ansatz im Gesundheits­wesen. Vorbeugen ist besser als heilen! Dazu gehört auch, dass die Vorsorgeunter­suchung aufgewertet und besser beworben wird. Der Rechnungshof sagt: 1 Euro für Prävention erspart dem Gesundheitssystem langfristig das Dreifache. Das BZÖ schlägt ein revolutionär einfaches Modell für die Zukunft der Krankenkassen vor: Mit dem BZÖ-Fitnessbonus erspart sich jeder, der sich aktiv um seine Gesundheit kümmert, 300 Euro/Jahr an Sozialversicherung. Dieser Gesundheitscheck könnte analog zum Mutter-Kind-Pass mittels Gesundheitspass erfolgen. Firmen, die Vorsor­geuntersuchungen im Betrieb organisieren, sollen eine Reduktion der Dienstgeber- Beiträge im Ausmaß von 1% der Krankenversicherungssumme lukrieren können.

Frank Stronach | Team Stronach: Wir müssen weg von dem derzeitigen System, das sich fast ausschließlich auf die Wiederherstellung von Gesundheit spezialisiert hat, hin zu Bemühungen, die Menschen gesund zu erhalten. Die Umstellung des Systems auf präventive Maß­nahmen hat für uns absolute Priorität. Neben den Anstrengungen im Bereich der Gesundheitserhaltung sind insbesondere im Bereich der Krankheitsfrüherkennung und der ganzheitlichen Therapie Verbesserungen auf allen Ebenen anzustreben. Das beginnt bereits bei der Ausbildung der Ärzte, die hier reformiert werden muss.

 

2. Behandlung von Alkohol-, Nikotin- und Drogensucht durch Zweckwidmung von Alkohol- und Tabaksteuern für die Gesundheit.

W. Faymann: Einnahmen aus der Tabaksteuer sollen zweckgebunden in präventive Gesundheitsprojekte investiert werden.

M. Spindelegger: Eine Zweckbindung von Einnahmen durch die Alkohol- und Tabaksteuern für die Gesundheit ist nicht sinnvoll. Jede Zweckbindung durchbricht den Grundsatz der Gesamtdeckung und beeinträchtigt damit die Effizienz der Haushaltsführung. Aus Sicht einer Gesamtbudgetverantwortung sind derartige Einschränkungen des bud­getären Gestaltungsspielraums grundsätzlich abzulehnen.

E. Glawischnig: Ein würdevoller Umgang mit suchtkranken Menschen sollte selbstverständlich sein. Prävention und Hilfe stehen dabei an erster Stelle. Ja, Alkohol- und Tabak­steuern sollen dafür zweckgewidmet werden.

H.-C. Strache: Steuern auf Alkohol und Tabak dienen derzeit dazu, Budgetlöcher zu stopfen. Tatsächlich ist es not­wendig, die Einnahmen aus diesem Bereich der Suchtbekämpfung und der Bekämpfung von Miss­brauch zu widmen.

J. Bucher:  Ja, das wäre eine sehr sinnvolle Maßnahme. Wenn schon Steuern auf Tabak und Alkohol kassiert werden, dann sollten sie auch für die Folgen verwendet werden und nicht im allgemeinen Budget verschwinden.

F. Stronach: Mittel aus gesundheitsschädlichen Produkten, insbesondere die Tabaksteuer, sol­len wieder zweckgebunden und transparent dem Gesundheitswesen zugewiesen werden. Teile der Alkoholsteuer ebenfalls zweckzuwidmen können wir uns eben­falls sehr gut vorstellen.

 

3. Nichtmedikamentöse Therapien wie Physikalische Medizin, Psychotherapie, Logo- und Ergotherapie auf Kassenkosten forcieren.

W. Faymann: Durch die nachhaltige finanzielle Absicherung der Gebietskrankenkassen und die Gesundheitsreform 2013 wird es möglich sein, das bisherige Leistungsangebot nachhaltig abzusichern, die Qualitäten zu erhöhen und Leistungen wie zum Beispiel psychotherapeutische Behandlungen, Leistungen bei der Phy­sikalischen Medizin und Logo- und Ergotherapie weiter auszubauen.

M. Spindelegger: Anstrengungen aller Beteiligten und die Zuschüsse des Bundes haben es ermög­licht, dass die Krankenkassen (mit Ausnahme der Wiener Gebietskrankenkasse) heute ohne Schulden und finanziell so solide dastehen wie seit Jahrzehnten nicht. Es ist jetzt nicht die Zeit, durch eine breitflächige Leistungsausweitung das Kran­kenkassensystem zu belasten. Nur in einem finanziell soliden Gesundheitssystem können die notwendigen medizinischen Leistungen erbracht, Versorgungslücken geschlossen und Prävention ausgebaut werden.

E. Glawischnig: Ja, die Versorgungslücken bei nichtmedikamentösen Therapien müssen geschlos­sen werden. Es darf nicht vom Wohnort abhängen, ob eine Therapie von der Kran­kenkasse bezahlt wird oder nicht.

H.-C. Strache: Die Unterstützungsleistungen der Kassen vernachlässigen derzeit noch immer einen erheblichen Teil nichtmedikamentöser Therapieformen. Ein Beispiel stellt auch die moderne Wundbehandlung dar. Leis­tungen von Wundmanagern werden von den Kassen nicht übernommen. Nur wer es sich leisten kann, lässt sich derzeit von modernen Wundbehandlungszentren versorgen. Dabei entstehen letztendlich für die öffentliche Hand erhebliche Mehrkosten durch die Betreuung in Spitalsambulanzen. Es müssen daher die Finanzierungsströme erheblich optimiert werden.

J. Bucher: Neben der klassischen Gerätemedizin gibt es viele andere Therapieformen, die auch in die Leistungskataloge der Kassen aufgenommen werden sollen. Gerade diese Therapieformen verbessern die gesundheitliche Verfassung der Patientinnen und Patienten und helfen dabei, gesund alt zu werden, und sparen viel Geld.

F. Stronach: Das Team Stronach will statt 22 Träger der Sozialversicherung ein einheitliches staatliches Gesundheitssystem. Die Österreichische Gesundheitsversicherung (ÖGV) soll die Grundversorgung der Menschen sicherstellen. Jeder Bürger erhält ein faires Gesundheitskonto, auf das er monatlich eine „Gesundheitsprämie“ einzahlt. Die privat finanzierte Gesundheitsversorgung (Naturheilkunde etc.) ist grundsätzlich Teil des Gesundheitswesens und als notwendiger Partner zu be­trachten.

 

4. Österreichweit 1300 zusätzliche Arztpraxen mit Kassenvertrag, davon 300 in Wien, zur Sicherung und zum Ausbau der wohnortnahen medizinischen Versorgung. Schluss mit dem Haus- und Fachärztemangel.

W. Faymann: Österreich hat im internationalen Vergleich mit rund 4,7 Ärztinnen und Ärzten pro 1.000 Einwohner die höchste Ärztedichte Europas. Die regionale und fachliche Verteilung soll aber verbessert werden. Durch die Gesundheitsreform werden in jedem Bundesland Gruppenpraxen mit besseren Öffnungszeiten neu eingerichtet. Vor allem wird die Versorgung durch niedergelassene Fachärztinnen und -ärzte in der Kin­der- und Jugendpsychiatrie vorangetrieben und deren Ausbildung forciert. Aufgrund der demografischen Entwicklung werden auch verstärkt Ärztinnen und Ärzte, die sich mit Altersmedizin auseinandersetzen, benötigt. Für Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner wurde daher das Zusatzfach „Geriatrie“ als Aus­bildung eingeführt, um die Versorgung qualitativ zu verbessern.

M. Spindelegger: Österreich hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Diesen hohen Stan­dard zu halten und zu sichern ist für die ÖVP eine selbstverständliche Verpflich­tung. Die Sicherstellung wohnortnaher medizinischer Versorgung ist uns deshalb auch ein wichtiges Anliegen. Dazu braucht es weiterhin ein flächendeckendes Netz an Ärzten und öffentlichen Apotheken. Die Hausärzte sollen Dreh- und Angelpunkt des gesamten Gesundheitssystems sein. Wir wollen den niedergelassenen Bereich stärken und so auch Spitäler und die teilweise überfüllten Spitalsambulanzen ent­lasten.

E. Glawischnig: Die wohnortnahe Versorgung mit Haus- und Fachärztinnen und Fachärzten muss garantiert sein. Dazu braucht es auch Gruppenpraxen und Kompetenzzentren für Gesundheit. Bedarfsgerechte längere Öffnungszeiten auch an Tagesrandzeiten sind nur ein Vorteil dieser neuen Formen der Zusammenarbeit.

H.-C. Strache: Dem Hausarzt kommt im Rahmen von Gesundheit und Pflege in Zukunft immer größere Bedeutung zu. Daher müssen wir jetzt Gegenmaßnahmen treffen, um dem Ärzteschwund in diesem Bereich Einhalt zu gebieten. Der Hausarzt soll in Zukunft als Erstanlaufstelle eine zentrale Rolle im ärztlichen Versor­gungssystem einnehmen. Aufgrund der zumeist langjährigen ärztlichen Betreuung seiner Patienten sollte seine Rolle als Gesundheitsberater einerseits und als Koordinator daheim erfolgender Betreuungs- und Pflegemaßnahmen für die Patienten sowie der erforderlichen Überweisungen an Fachärzte oder Krankenanstalten andererseits eine Aufwertung erfahren. Und zwar auch in finanzieller Hinsicht.

J. Bucher: Der Sparkurs der Krankenkassen durch weniger Verträge für Ärzte im niedergelas­senen Bereich ist falsch. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung – gerade auch im ländlichen Bereich – darf nicht noch schlechter werden, im Gegenteil, hier ist ein großer Ansatzpunkt für eine umfassende Gesundheitsreform. Die Rolle des Hausarztes muss einen viel höheren Stellenwert einnehmen, als dies zur Zeit der Fall ist.

F. Stronach: Der niedergelassene Bereich und der Ambulanzbereich müssen unter Berücksichti­gung der jeweiligen regionalen Strukturen gestärkt werden. Die bereits bestehende Möglichkeit zur Errichtung von Schwerpunktzentren und Gruppenpraxen soll da­hingehend gefördert werden, dass eine 24-Stunden-Versorgung sichergestellt wird. Spitalsambulanzen sind täglich nur wenige Stunden geöffnet. Dadurch kommt es zu geringer wirtschaftlicher Nutzung der Geräteausstattung. Die Spitalambulanzen müs­sen während der Zeit, in der sie leer stehen, Ärzten zur Verfügung gestellt werden.

 

5. Ärztinnen und Ärzte müssen mehr Zeit für Beratungsgespräche, also Zuwendungsmedizin haben – weniger Bürokratie!

W. Faymann: Ärztinnen und Ärzte sollen so gut wie möglich von Verwaltungstätigkeit freigespielt werden, damit sie mehr Zeit für Patientinnen und Patienten zu Verfügung haben. Im Zuge der Gesundheitsreform sowie mit der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA und mit der Errichtung von Gruppenpraxen wurden Maßnah­men gesetzt, die dieses Ziel unterstützen.

M. Spindelegger: Zeit und Zuwendung für die Patientinnen und Patienten sind äußerst wichtig. Wir wollen, dass unsere Ärztinnen und Ärzte wieder mehr Zeit für persönliche Betreu­ung haben, statt unter ausufernder Bürokratie unterzugehen.

E. Glawischnig: Die oft hohe bürokratische Belastung für Ärztinnen und Ärzte soll reduziert wer­den, damit mehr Zeit für das Patientengespräch bleibt. Für die notwendige ord­nungsgemäße Dokumentation können Dokumentations-Assistenten eine wertvol­le Unterstützung sein.

H.-C. Strache: Unser Gesundheitssystem hat in den letzten Jahrzehnten erhebliche Reibungsflächen aufgebaut, me­dizinisches Personal wird mit bürokratischen Hürden geradezu schikaniert. Leidtragende sind in letzter Konsequenz die Patienten und der Steuerzahler. Wir erreichen mit hohem Mitteleinsatz eine Überlas­tung des zu schlecht bezahlten Personals sowie suboptimale Versorgungsstrukturen. Daher benötigen wir jetzt eine effiziente Gesundheitsreform abseits des Besitzstanddenkens der Politik.

J. Bucher: Qualitätskontrolle und -management bedarf einer guten Dokumentation. Diese sollte aber nicht von den Ärzten vorgenommen werden müssen. Deshalb fordert das BZÖ eine eigene Ausbildungsschiene für das Verwaltungspersonal, damit die­ses die Dokumentation vornehmen kann. Damit steigt auch die Zeit, die Ärzte mit den Patienten verbringen.

F. Stronach: Mehr Zeit für Beratungsgespräche und Zuwendungsmedizin für Ärztinnen und Ärzte, weniger Bürokratie und Verwaltung.
Die Patienten müssen darüber informiert sein, was und wie viel die medizinischen Leistungen kosten. Deshalb ist eine Kostentransparenz auch nur mehr als selbstverständlich. Die Grundversorgung muss in einem einheitlichen staatlichen Gesundheitssystem überall und solidarisch gewährleistet sein. Privater Wettbewerb soll unter fairen Voraussetzungen zugelassen sein, sowohl was Gesundheitsein­richtungen als auch was Versicherungen betrifft. Der Staat bestimmt die öffent­lichen Preise, zu denen sowohl Diagnose als auch Behandlung im öffentlichen Gesundheitssystem angeboten werden. Private Anbieter sollen, natürlich unter strengen Qualitätsregeln und auf eigene Kosten, Genehmigungen für die Errich­tung von Einrichtungen zur Diagnose und Behandlung erhalten. Die öffentliche Hand garantiert die Rückerstattung des Honoraranteils für privat erbrachte Leis­tungen aus dem öffentlichen Leistungskatalog, zu den dort festgelegten Tarifen.

 

6. Sparen nur zu Gunsten der Patienten. Mehr Trans­parenz in die Gesundheitsverwaltung. Orientierung der Gesundheitsausgaben am Bedarf der Menschen und der Bevölkerungsentwicklung, nicht am Wirtschaftswachstum.

W. Faymann: Mit der Sanierung der Krankenkassen und der Gesundheitsreform haben wir unser Gesundheitssystem auf finanziell sichere Beine gestellt – und zwar ohne Belastungen wie neue Selbstbehalte. Die Gesund­heitsreform soll durch eine gemeinsame Verantwortung für Planung, Steuerung und Finanzierung des Gesundheitswesens mehr Patientenorientierung und eine bessere Abstimmung des Angebots ermögli­chen. Österreich gibt jährlich etwa 11% des BIP im Gesundheitsbereich aus, bei uns sind alle Menschen umfassend krankenversichert. Die USA geben rund 17% des BIP im Gesundheitsbereich aus, allerdings ist ein Drittel der Menschen nicht umfassend oder gar nicht krankenversichert. In Österreich ist durch die Gesundheitsreform sichergestellt, dass auch in Zukunft jedes Jahr mehr Geld im Gesundheitsbereich zur Verfügung steht und Leistungen weiter ausgebaut werden können. Auch die Transparenz wird erhöht: in Zukunft werden zu allen Bereichen des Gesundheitssystems umfassende Qualitätsberichte erstellt.

M. Spindelegger: Mit der Gesundheitsreform haben wir das gesamte Gesundheitssystem vom nie­dergelassenen Arzt bis zum ambulanten und stationären Bereich in den Spitälern an den demografischen Wandel und die Kostendynamik im Medizinbereich ange­passt. Die Kostensteigerungen werden in Zukunft nicht höher sein als die Wirt­schaftsleistung, das System bleibt damit nachhaltig finanzierbar. Wir haben die Quadratur des Kreises geschafft: Es gab auch bei dieser Reform keine Leistungs­kürzungen, auch nicht in der Spitzenmedizin. Denn wir investieren nicht weniger in die Gesundheit, sondern das vorhandene Geld wird besser eingesetzt.

E. Glawischnig: Die Gesundheitsversorgung soll das leisten, was die Menschen brauchen. Einspa­rungen im Gesundheitswesen dürfen nicht zu Lasten der Patientinnen und Patien­ten gehen. Versorgungsdefizite, die derzeit im Bereich Rehabilitation, Psychothera­pie, Physio- und Ergotherapie bestehen, müssen geschlossen werden.

H.-C. Strache: Die Gesundung des österreichischen Gesundheitssystems muss durch eine Effizienzsteigerung und darf nicht durch Beitragserhöhungen erfolgen. IHS und Gesundheitsexperten sehen Reibungsverluste von bis zu 2 Milliarden Euro. Wir bekennen uns dazu, die Finanzierung aller Gesundheitsleistungen zu kon­zentrieren und künftig aus einem Topf sicherzustellen. Auch Gesundheit und Pflege sind aus einer Hand zu finanzieren. Mit zielgerichteter Koordinierung und Vernetzung der verschiedenen Leistungsanbieter kann die Effizienz der eingesetzten Mittel – zum Wohle der Menschen – deutlich erhöht werden.

J. Bucher: Die Finanzierung des Gesundheitssystems ist derzeit völlig zersplittert, es ist not­wendig, die Finanzierung durch nur eine Stelle einzuführen. Das erhöht die Trans­parenz. Die Ausgaben am Wirtschaftswachstum festzumachen ist ein falscher Weg, richtig ist es, die Bevölkerungsentwicklung und den Bedarf als Maßstab heranzu­ziehen. Am System sparen und nicht bei den Menschen.

 

7. Bessere Ausbildungsbedingungen für junge Ärztinnen und Ärzte im Interesse der Patienten. Förderung von Lehrpraxen für Jungmediziner

W. Faymann: Die praktische Ausbildung zur Medizinerin, zum Mediziner auch in Lehrpraxen muss verbessert und eine gerechte Entlohnung in der Ausbildungszeit muss gesichert werden. Die Ausbildung soll modernisiert, qualitativ verbessert und vor allem im niedergelassenen Bereich gestärkt werden. Ein neues Ausbildungs­konzept zur Erreichung dieser Ziele liegt bereits vor und soll unter Einbeziehung aller Institutionen rasch umgesetzt werden.

M. Spindelegger: Wir wollen für unsere jungen Ärztinnen und Ärzte eine hohe Ausbildungsqualität sicherstellen und Österreich als zukünftigen Arbeitsplatz attraktiv gestalten. Vor allem gilt es die Weltklassemedizin an den Universitätskliniken in Wien, Graz und Innsbruck zu erhalten und auszubauen. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass die Lehrpraxis in ganz Österreich endlich umgesetzt wird. Gesundheitsminister Stöger ist aufgefordert, hier zu handeln. Zur Finanzierung sollen dafür Budget- Reserven aus dem Ministerium aufgelöst werden.

E. Glawischnig: Lehrpraxen sind ein wichtiger und sinnvoller Baustein für praxisorientiertes Ler­nen. Lehrpraxen sollen in ausreichender Zahl durch Mischfinanzierungen gefördert werden.

H.-C. Strache: Neue Strukturen im niedergelassenen Bereich müssen gefördert bzw. geschaffen werden. Beispielswei­se muss die Ärzte-GmbH reformiert werden, um zeitgemäße, kostengünstige Versorgungsstrukturen bei gleichzeitiger Entlastung der Krankenhäuser zu schaffen. Die Vorteile – nämlich längere Öffnungs­zeiten, bessere Versorgungsleistungen und mehr Patientenservice – liegen auf der Hand. Jedoch birgt die derzeitige Regelung zu viele bürokratische Stolpersteine. Auch das langwierige und komplizierte Genehmigungsverfahren muss reformiert werden. Wichtig scheinen in diesem Zusammenhang die Auf­rechterhaltung und der Ausbau von Lehrpraxen.

J. Bucher: Leider wandern immer mehr Jungärzte nach dem Studium ins Ausland ab. Das liegt am veralteten Ausbildungssystem und den Wartezeiten auf Turnusplätze. Eine Re­form der Ausbildung mit Lehrpraxen, verkürztem Turnus und erleichtertem Zugang zur Facharztausbildung muss sehr rasch umgesetzt werden.

F. Stronach: Die qualitative Ausbildung in den Gesundheitsberufen ist insgesamt zu verbessern und ein internationales Niveau anzustreben. Unsere Ärzte sind die tragenden Säu­len unseres Gesundheitssystems. Viele, vor allem junge Ärzte, arbeiten für geringe Einkommen mit vielen Tages- und Nachtstunden. Das System der Turnusausbil­dung ist unzeitgemäß. Wir wollen eine Entbürokratisierung des Arztberufes und verbesserte Arbeitsbedingungen und eine gerechte Entlohnung für unsere Ärzte.

 

8. Einhaltung gesetzeskonformer Arbeitszeiten in Spitälern für mehr Patientensicherheit.

W. Faymann: Attraktivere Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen, um beispielsweise Familie und Beruf besser vereinbaren zu können, ist uns ein zentrales Anliegen.

M. Spindelegger: Die Beschäftigten in Spitälern leisten einen großartigen und unverzichtbaren Beitrag für unsere Gesellschaft. Wir wollen attraktive Arbeitsbedingungen für Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Spitälern sicherstellen. Vor allem die hohe Burn-out-Rate im ärztlichen Bereich und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss bei den Arbeitsbedingungen stärker berücksichtigt werden.

E. Glawischnig: Patientinnen und Patienten haben das Recht auf ausgeruhte Ärztinnen und Ärzte. Auch für die Angehörigen der Gesundheitsberufe ist die Einhaltung der gesetzli­chen Arbeitszeit wichtig, um Burn-out zu vermeiden.

H.-C. Strache: Während derzeit im Bereich der Lehrerschaft über eine Ausweitung der Unterrichtszeiten diskutiert wird, wird völlig übersehen, dass medizinisches Personal unter geradezu unmenschlichen Bedingungen und Arbeitszeiten Höchstleistungen zu erbringen hat. Dieser Missstand ist unhaltbar und muss auch im Sinne der Patientensicherheit umgehend abgestellt werden.

J. Bucher: Die Arbeitszeiten in den Spitälern sind äußerst familienfeindlich und gefährden in letzter Konsequenz auch die Sicherheit der Patienten. Im Zuge einer umfassenden Gesundheitsreform müssen hier nachhaltige Änderungen vorgenommen werden. Dienste, die über zwei Tage gehen, müssen der Vergangenheit angehören, denn übermüdete Ärzte gefährden auch die Gesundheit der Patienten.

F. Stronach: Diese obliegt der Dienstaufsicht in den Spitälern, die Vertragspartner der österrei­chischen Gesundheitsversicherung sind bzw. auch bleiben wollen.

 

9. Schaffung bzw. Ausbau von Hausarzt- und Pflegemodellen zur Betreuung chronisch Kranker, z.B. ausreichende Finanzierung der 24-Stunden- Betreuung.

W. Faymann: Mit der Verlängerung des Pflegefonds (650 Mio. Euro für 2015 und 2016, bisher: 2011–2014 685 Mio. Euro) werden Länder und Gemeinden zusätzlich bei der Finanzierung der Pflege unterstützt. Vor allem mobile bzw. ambulante Pflegeformen sollen mit den zusätzlichen Mitteln ausgebaut werden. Die demo­grafische Entwicklung macht mehr Investitionen in diesem Bereich notwendig.

M. Spindelegger: Die dauerhafte Sicherung der Pflege ist uns ein zentrales Anliegen. Bis 2016 stehen zusätzlich 650 Mio. Euro zur Verfügung. Danach sollen die Leistungen selbstver­ständlich fortgeführt werden. Wichtig ist uns dabei die Sicherung der Wahlfreiheit, weshalb wir uns zu Pflege-Geldleistungen bekennen. Darüber hinaus wollen wir die familiäre Pflege stärken: Die Förderung der 24-Stunden-Betreuung soll auf bis zu drei Personen ausgeweitet werden, wobei auch die Pflege mehrerer, nicht ver­wandter Personen förderbar werden soll. Zudem soll die Qualitätssicherung bei Vermittlungsagenturen für 24-Stunden-Betreuung durch die Schaffung eines reg­lementierten Gewerbes erhöht werden.

E. Glawischnig: Der Hausarzt sollte für die Patientinnen und Patienten die Rolle eines Lotsen im Gesundheitssystem erfüllen, dazu wollen wir ein „Hausarztmodell“ entwickeln und umsetzen. Die Finanzierung der 24-Stunden-Betreuung muss langfristig ab­gesichert sein.

H.-C. Strache: Höchstes Ziel freiheitlicher Gesundheitspolitik ist die bestmögliche Unterstützung von Pflege und Be­treuung daheim. Hier kommt dem Hausarzt als Vertrauensperson höchste Bedeutung zu. Der Hausarzt soll in Zukunft als Erstanlaufstelle eine zentrale Rolle im ärztlichen Versorgungssystem einnehmen. Aufgrund der zumeist langjährigen ärztlichen Betreuung seiner Patienten sollte seine Rolle als Gesundheitsberater einerseits und als Koordinator daheim erfolgender Betreuungs- und Pflegemaßnahmen für die Patienten sowie der erforderlichen Überweisungen an Fachärzte oder Krankenanstalten anderer­seits eine Aufwertung erfahren.

J. Bucher: Pflege ist das Schlagwort der kommenden Jahrzehnte im Gesundheitswesen. Da­für müssen Modelle geschaffen werden, die auch den Erfordernissen der Praxis entsprechen. Folgt man den Studien des IHS, so sind mehrere Milliarden Euro im Gesundheitswesen einzusparen, ohne die Qualität zu mindern. Mit diesem Geld ließe sich ein zukunftsfähiges Pflegekonzept finanzieren. Das BZÖ steht beispiels­weise für die Schaffung eines Lehrberufs Pflege.

F. Stronach: Das Team Stronach will anstatt der 22 Träger der Sozialversicherung ein einheitli­ches staatliches Gesundheitssystem. Die Österreichische Gesundheitsversicherung (ÖGV) soll die Grundversorgung der Menschen sicherstellen. Sämtliche notwendi­ge medizinische und pflegerische Leistungen, egal ob diese stationär oder ambu­lant erbracht werden können so über eine einzige Verwaltungseinheit abgerechnet werden (siehe auch Antwort Punkt 3).

 

10. Praxisgerechte elektronische Datenvernetzung zur Optimierung der Patientenversorgung ohne Bürokratie-Lawine. Selbstbestimmung der Patienten über ihre Gesundheitsdaten. Mitspracherecht der Ärztinnen und Ärzte bei der Umsetzung.

W. Faymann: ELGA soll genau das gewährleisten: Mit der e-Card werden die wichtigsten Gesundheitsdaten wie Labor­befunde über gesicherte Netze zusammengeführt, und die Ärztin oder der Arzt hat alle für die Behand­lung relevanten Daten auf einen Blick zur Verfügung. Allein schon der Teilbereich e-Medikation erhöht die Patientensicherheit, indem Medikamente einfacher auf Wechselwirkungen geprüft werden können. Auch die Patienten selbst können in ihre Daten einsehen – und können nachvollziehen, wer sonst darauf zugegriffen hat.

M. Spindelegger: ELGA ist ein wichtiger Meilenstein. Durch mehr Transparenz und Vermeiden unnö­tiger Mehrfachbefunde steigen Behandlungsqualität und Patientensicherheit. Die bessere Vernetzung schafft nachhaltigen Mehrwert und bringt eine Win-win-Situ­ation für Patienten, Ärzte, Spitäler, Pflegeeinrichtungen und Apotheken. Patienten haben selbstverständlich die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, ob sie überhaupt oder nur teilweise an ELGA teilnehmen möchten (opt-out). Patientendaten sind ein sensibles Gut. Das Um und Auf ist es, damit sorgsam umzugehen.

E. Glawischnig: Die Patientinnen und Patienten müssen entscheiden können, wie mit ihren Ge­sundheitsdaten umgegangen wird. Es darf keine Speicherung und schon gar keine Weitergabe von Gesundheitsdaten ohne ausdrückliche Zustimmung der Patien­tinnen und Patienten geben. Außerdem brauchen wir in Österreich bessere Vor­schriften zur Speicherung von Gesundheitsdaten (wie etwa eine verpflichtende Verschlüsselung etc.).

H.-C. Strache: Wir haben uns massiv gegen ELGA stark gemacht und dabei die österreichische Ärzteschaft bei ihren Bemühungen unterstützt. Angesichts der neuen Erkenntnisse rund um die Weitergabe von Behand­lungsdaten ist für uns klar, dass ELGA geradezu eine Einladung zum Missbrauch darstellt und daher ausgesetzt werden muss. ELGA ist ein Fass ohne Boden, das schon bisher 30 Millionen Euro verschlun­gen hat. Die Aktivitäten des scheidenden Gesundheitsministers gegen die österreichische Ärzteschaft und gegen die Interessen der Patienten sind ein Skandal.

J. Bucher: Gerade die Vorfälle rund um den Verkauf von Patientendaten an ein Marktfor­schungsinstitut zeigen, wie sensibel diese Daten sind. Praxisgerechte Datenvernet­zung ist aber trotzdem notwendig. Wichtig ist für das BZÖ, dass der Patient immer und zu jeder Zeit über die Verwendung seiner Daten bestimmen kann, und zwar nur er. In welcher Form diese Forderung umgesetzt wird, soll unter Einbeziehung der Ärztinnen und Ärzte erfolgen, da diese in der Praxis am meisten mit der Ver­wendung, aber auch Entstehung dieser Daten befasst sind.

F. Stronach: ELGA halten wir im Prinzip für sinnvoll, denn auf diesem Weg können eine falsche Medikamentation und Kontraindikationen ausgeschlossen werden. Auch bei Not­fällen haben Ärzte rasch eine Übersicht über regelmäßig eingenommene Medika­mente. Dies bringt für die Patienten große Sicherheit mit sich. Sicherheit muss aber auch bei den Daten oberstes Gebot sein. Es muss gewährleistet sein, dass nur der jeweils behandelnde Arzt Einblick erhält und die Patienten jederzeit nachvollzie­hen können, wann und von wem welche Daten abgerufen wurden.