Ein hochkarätig besetztes Podium diskutierte anlässlich der Hauptversammlung der AUSTROMED über die Rolle der Medizinprodukte im heimischen Gesundheitswesen – jetzt und in Zukunft. Gemeinsam mit der Plattform der Gesundheitswirtschaft Österreich und dem Bundesgremium des Medizinproduktehandels konnten rund 150 Gäste begrüßt werden. Den Auftakt bildete ein Impulsvortrag von Mag. Ulrike Rabmer-Koller (Vorsitzende des Verbandsvorstandes im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger), gefolgt von der Keynote der Medizinerin Dr. Anna Vavrovsky, MSc von der Academy for Value in Health. Sie präsentierte eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung der Therapie mit Heimsauerstoff bei COPD-Patienten, der Schlafapnoe sowie des intermittierenden Selbstkatheterismus (ISK). Gemeinsam mit Dr. Ronald Hochreiter vom Institut für Statistik und Mathematik an der WU Wien hat sie direkte Kosten, indirekte Kosten und intangible Kosten erfasst und ausgewertet. Direkte Kosten sind all jene, die mit der Erkrankung und ihrer Behandlung in Zusammenhang stehen. Indirekte Kosten beziehen sich auf die Produktivität der Betroffenen und intangible Kosten stellen Schmerzen oder Lebensqualität in Rechnung.
„Wir haben 26 Millionen Heilbehelfe-Verordnungen im Jahr. Da müssen wir natürlich abwägen, was leistbar ist und was dem Patienten einen Nutzen bringt. An einem Erstattungskodex, ähnlich wie für Arzneimittel, arbeiten wir gerade, doch macht das die große Produktvielfalt bei Medizinprodukten nicht so leicht.“
Mag. Bernhard Wurzer,
Generaldirektor-Stellvertreter im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger
„Bei der Betrachtung der demografischen Entwicklung und der künftigen Anforderungen an das Gesundheitssystem können wir uns an den Kosten festhalten oder die Chancen sehen, etwa für den Arbeitsmarkt oder für die Verbesserung der Lebensqualität. Ein wenig mehr Optimismus wäre angebracht.“
Dr. Martin Gleitsmann,
Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit der WKÖ und
Mitinitiator der Plattform Gesundheitswirtschaft Österreich
Im Fall von COPD wurde ein typischer Patient modelliert, der mit Heimsauerstoff therapiert wird. Die Kostenentwicklung wird einem Patienten ohne Therapie gegenübergestellt und die Gesamtkosten werden ermittelt. Eine adäquate Heimtherapie verringert nachweislich die Hospitalisierungsrate sowie die Aufenthaltsdauer von COPD-Patienten. Auch nicht diagnostizierte Schlafapnoe schlägt gesamtgesellschaftlich beträchtlich zu Buche, wenn Folgeprobleme wie Produktivitätsverluste, Unfälle, Bluthochdruck, Schlaganfall oder Depression ins Kalkül gezogen werden. Das Fazit der Medizinerin klingt einfach, findet jedoch in der Praxis noch wenig Eingang: Die indirekten Kosten vieler Krankheiten übersteigen die direkten um ein Vielfaches, eine individuelle Versorgung und Begleitung der Patienten dämmt also auch volkswirtschaftliche Kosten ein. „Medizinprodukte sind hoch innovativ, gewährleisten eine optimale Versorgung der Patienten zu Hause, sie bedeuten für die Betroffenen eine Steigerung der Lebensqualität und sie sparen effektiv Kosten“, betonte Vavrovsky.
„Wenn in Österreich Innovationen nicht auf den Markt kommen, dann kaufen sich die, die es sich leisten können, die Produkte im Ausland. Wir haben hier eine sehr reale Zweiklassenmedizin.“
Cornelia Buchner-Jirka, Obfrau der Kontinenz-Stoma-Beratung Österreich
Dass die Branche im Spannungsfeld zwischen Innovationsdrang und Kostendruck sowie den Anforderungen der Gesetzgeber und der Wirtschaftlichkeit, aber auch zwischen Patientenbedürfnissen und Behandlungsoptimierung steht, hat die Diskussion deutlich gezeigt. Cornelia Buchner-Jirka (Obfrau der Kontinenz-Stoma-Beratung Österreich), Dr. Martin Gleitsmann (Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit der WKÖ und Mitinitiator der Plattform Gesundheitswirtschaft Österreich), Mag. Gerald Loacker (Abgeordneter zum Nationalrat, Gesundheitssprecher der NEOS), MR Dr. Ulrike Unterer (Leiterin der Abteilung Technisch-wirtschaftliche Forschung, Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft) und Mag. Bernhard Wurzer (Generaldirektor-Stellvertreter im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger) waren sich aber dennoch einig, dass das Zukunftspotenzial der Medizinprodukte-Branche jedenfalls besser genutzt werden muss.