Die Bundeskonferenz der Freien Berufe (BUKO), der Dachverband von neun Kammern in Österreich, hat vor kurzem Alarm geschlagen und im Rahmen einer Pressekonferenz vor den Plänen der Bundesregierung, die derzeit im Reformdialog zur Verwaltungsvereinfachung diskutiert werden, gewarnt. Demnach sollen sich künftig große Firmen und Investoren an Arztpraxen, Apotheken, Rechtsanwaltskanzleien und Architekturbüros beteiligen können. Nach der derzeitigen Rechtslage in Österreich sind die Freien Berufe in Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig und durch Gesetze geschützt.
„Die Freien Berufe sind Vertrauensberufe“ erklärt der BUKO-Präsident Mag. med. vet. Kurt Frühwirth. Er verweist auf die Vielfalt der Freien Berufe – Ärzte, Apotheker, Architekten und Ingenieurkonsulenten, Notare, Patentanwälte, Rechtsanwälte, Tierärzte, Wirtschaftstreuhänder sowie Zahnärzte.
„Das Vertrauen verbindet all diese Berufe. Einerseits das Vertrauen, das die Patienten oder Klienten in die Vertreter der Freien Berufe haben. Andererseits das Vertrauen, das die gesamte Gesellschaft in die Freien Berufe setzt“, meint Frühwirth. „Unabhängigkeit ist gefordert und schafft Vertrauen. Den Freien Berufen kann man vertrauen und so soll es bleiben. Wir erteilen einer Unterwanderung und Einflussnahme von in- und ausländischen Kapitalgesellschaften eine klare Absage“.
Der Volkswirtschaftsexperte Univ. Prof. Dr. Friedrich Schneider hat die Situation der Freien Berufe mit einer möglichen Beteiligung in- und ausländischer Unternehmen analysiert. In seiner Studie „Volkswirtschaftliche Effekte Interdisziplinärer Gesellschaften“ untersuchte Schneider die Pläne der Bundesregierung, die sich durch die Beteiligung von Firmen und Unternehmen an den Freien Berufen ein Wirtschaftswachstum erhofft. Schneider beurteilt die Pläne der Regierung kritisch; die Bundesregierung stütze sich auf wirtschaftliche Studien, die nicht auf die Situation der Freien Berufe eingehen.
Das Fazit von Schneider: „Das von der Bundesregierung erhoffte Wirtschaftswachstum wird nicht eintreten. Im Gegenteil: Mit der Beteiligung von in- und ausländischen Unternehmen an den Freien Berufen kann es zu negativen Folgen für die Kunden wie Marktkonzentration und Preisanstiegen kommen.“
Frühwirth: „Wichtig ist, der Gesellschaft zu kommunizieren, was Freie Berufe sind und welche Bedeutung sie haben. Frei sein bedeutet Unabhängigkeit im Sinne des Patienten, des Mandanten und des Kunden. Die Abhängigkeit von Ärzten von Finanzinvestoren, Pharmakonzernen etc. ist schwer zu hinterfragen. Wenn es dazu dient, Verwaltungsaufgaben zu finanzieren oder diese Apparate zu erhalten, dann ist das für mich verwerflich, denn es müssen nach wie vor die Gesundheit und der Patient im Fokus stehen – die beste Medizin zu bekommen, nicht Generaldirektoren zu finanzieren.“
Auch der Ethiker Doz. Dr. Andreas Klein meint: „Ich finde es kritisch, wenn Ärzte sich permanent mit Wirtschaftlichkeitsperspektiven beschäftigen müssen. Wir müssen aufpassen, dass nicht der ganze Arztberuf in dieses Wirtschaftlichkeitsdiktat hineinrutscht, weil das der Kunstfertigkeit im Arztberuf gar nicht guttut. Solche ökonomischen Vorgaben sind berufsethisch problematisch.“
„Die ganze Gesellschaft lebt in einem Generationenwechsel, und der ist jetzt bei den Freien Berufen angekommen. Für die Generation Y ist Work-Life-Balance das größte Gut. Ihr Motto lautet: „Arbeiten ja, Selbständigkeit wenn es sein muss, aber lieber wäre ich angestellt, und lieber hätte ich die geschützte Werkstätte mit einem fixen Einkommen. Dazu kommt eine Angst vor dem Freien Unternehmertum, worauf die jungen Kollegen ja nicht vorbereitet werden. Das wird problematisch werden: Selbständigkeit wird neu definiert werden müssen oder wird sich relativ stark abschaffen. Wenn ich mir anschaue, wie viele Kassenstellen im niedergelassenen Bereich frei sind, wird mir Angst und Bange.“
Im tierärztlichen Bereich gebe es eine ähnliche Entwicklung: „International tätige Finanzinvestoren bieten der Generation Y all das, was sie wollen – angenehme Dienstzeiten, fixes Einkommen, gute Work-Life-Balance etc. Damit werden aber die Selbständigkeit, die Eigenverantwortlichkeit, die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit im tierärztlichen Bereich abgeschafft. Der Freie Beruf Tierarzt wird womöglich zu einem angestellten Beruf werden, gesteuert durch Investoren, die mit dem großen Geldkoffer kommen und Dinge finanzieren, die sich eine kleine niedergelassene Praxis nicht leisten kann“, befürchtet Frühwirth.
Wenn Ärzte durch Krankenkassen bzw. Investoren gesteuert werden, stellt sich die Frage, ob die ärztliche Therapiehoheit überhaupt noch gegeben ist. Klein zur ärztlichen Therapiehoheit: „Sie ist die Basis der gesundheitsberuflichen Unabhängigkeit, eine zentrale Grundlage für das ärztliche Handeln und basiert auf ethischen und rechtlichen Bindungen im Zusammenhang mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt.“
ÖGAM-Präsident Dr. Christoph Dachs: „Ein gewisses Reglement ist auch für Ärzte notwendig, man kann die Sinnhaftigkeit einer Therapie infrage stellen. Wenn allerdings von der Krankenkasse etwas Sinnvolles verweigert wird, dann ist das nicht tragbar und auch nicht standhaft.“ Die Orientierung an Leitlinien im Sinne einer EBM sei in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Allerdings, meint Dachs, „Wir Ärzte haben eine gewisse Verantwortung für das Gesamtsystem, denn wenn wir das Gesamtsystem aus den Augen verlieren, dann wird es irgendwann nicht mehr finanzierbar sein, und wir sind jetzt schon in einer Situation, dass das Gesundheitssystem in Österreich am Rande der Finanzierbarkeit steht.“
Frühwirth: „Wenn die Sozialversicherung dem Arzt aus rein ökonomischen Überlegungen Einschränkungen vorgibt, ist das für einen Freiberufler inakzeptabel.“ Mittlerweile gehe es ja auch um Haftungsfragen, meint er: „Patienten, Mandanten, Klienten etc. haben eine wesentlich höhere Mündigkeit als in den Jahrzehnten zuvor. Dr. Google, Internet, Globalisierung, Rechtsvertretung – alle diese Faktoren spielen da hinein. Da steht man auch relativ schnell in der Kritik. Ich glaube nicht, dass vor 30–40 Jahren der Arzt oder der Rechtsanwalt mit seinen Tätigkeiten oder Leistungen dermaßen hinterfragt wurde. Das ist auch eine Entwicklung, die nicht aufzuhalten ist und dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. Früher haben Diagnose und Therapie des Arztes einfach gepasst und es wurde keine Zweit- oder Drittmeinung eingeholt – jetzt gibt es immer mehr Anwälte für Haftungsfragen.“
Prof. Dr. Christian Simhandl, FA für Psychiatrie meint, dass Kontrollmechanismen wie „Mystery Shopping“ „nicht gerechtfertigte, nicht argumentierbare und nicht vertretbare Eingriffe in die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient sind. Das ist ein ganz entscheidendes Kriterium. Wir sind Vertrauensberufe, man kann uns aufgrund der gesamten Rechtsnormen, der gesamten berufsethischen Regeln, die wir uns auferlegt haben, vertrauen. Das muss die Gesellschaft wissen. Diese Achse des Vertrauens darf durch Mystery Shopping nicht durchbrochen werden.“ Frühwirth dazu: „Die Kammer muss die Balance finden – einerseits das Mitglied zu schützen und andererseits die schwarzen Schafe zu sanktionieren.“
Ich gehe also davon aus, dass der Erhalt der Freiberuflichkeit in den kommenden Jahren ein bestimmendes Thema der Standespolitik sein wird. Wir müssen uns dafür stark machen, dass der Arztberuf ein Freier Beruf bleibt. Unsere Freiberuflichkeit sollte aber nicht nur erhalten, sondern darüber hinaus möglichst weiter ausgebaut werden. Bitte unterstützen Sie mich dabei.