Die ärztliche Verschwiegenheit ist eine Pflicht des Arztes, die in zahlreichen gesetzlichen Regelungen ihren Niederschlag findet. Nicht immer ist den Ärzten klar, wie sie vorzugehen haben, wenn sie in einem Gerichtsverfahren als Zeugen geladen werden – muss/kann/darf ausgesagt werden? Dieser Artikel soll ein bisschen Klarheit bringen.
Durch die ärztliche Verschwiegenheitspflicht wird dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Geheimsphäre des Einzelnen Rechnung getragen. Das ÄrzteG sieht einen expliziten Geheimnisschutz vor, wonach der Arzt und seine Hilfspersonen zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet sind. Die Verschwiegenheitspflicht besteht allerdings u.a. dann nicht, wenn nach gesetzlichen Vorschriften z.B. eine Meldung des Arztes über den Gesundheitszustand bestimmter Personen vorgeschrieben ist, von der Verschwiegenheit entbunden wurde, die Durchbrechung zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich ist oder sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes der Verdacht ergibt, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder eine schwere Körperverletzung herbeigeführt wurde.
Auch im österreichischen Strafrecht ist die Verschwiegenheitspflicht explizit erwähnt: Das StGB stellt die Offenbarung oder Verwertung eines Geheimnisses, das den Gesundheitszustand einer Person betrifft und dessen Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein berechtigtes Interesse der Person zu verletzen dann unter Strafe, wenn dieses bei berufsmäßiger Ausübung oder bei berufsmäßiger Beschäftigung kraft seines Berufes anvertraut worden oder zugänglich geworden ist.
Jedes Behandlungsverhältnis beinhaltet somit die Bindung an die ärztliche Verschwiegenheitspflicht. Wird ein Arzt allerdings als Zeuge zur gerichtlichen Einvernahme geladen, so ist zunächst zu differenzieren, ob er im Rahmen eines strafrechtlichen oder eines zivilrechtlichen Verfahrens einvernommen werden soll.
Im Strafrecht gilt die Strafprozessordnung. Diese sieht ein Aussageverweigerungsrecht für Fachärzte für Psychiatrie vor, das insbesondere dem Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung Rechnung tragen und dem Opferschutz dienen soll. Vorsicht ist allerdings geboten – das soeben erwähnte Aussageverweigerungsrecht gilt ausschließlich für Fachärzte für Psychiatrie. Es gilt nicht für sonstige Ärzte, auch wenn sie auf psychiatrische Bedürfnisse des Patienten eingehen. Der Arzt, mit Ausnahme des Facharztes für Psychiatrie, hat somit im Strafprozess grundsätzlich auszusagen und kann sich nicht auf die Verschwiegenheitspflicht berufen.
In der Zivilprozessordnung ist hingegen geregelt, dass sich ein Zeuge auf die Verschwiegenheitspflicht berufen kann, wenn er von dieser Pflicht nicht gültig entbunden worden ist. Demnach hat der Arzt im Zivilprozess seine Aussage grundsätzlich zu verweigern, wenn er nicht vor dieser ausdrücklich vom Patienten von der Verschwiegenheit entbunden worden ist. Will der Arzt trotz der Entbindung allerdings dennoch keine Aussage tätigen, so steht ihm auch dieses Recht zu. Gründe, die eine Aussageverweigerung rechtfertigen können, sind allerdings nicht vom Gericht wahrzunehmen, sondern der Richter hat den Zeugen lediglich vor der Vernehmung über diese Gründe zu belehren. Die Geltendmachung eines Rechts zur Aussageverweigerung bleibt dann dem Zeugen überlassen. Der Arzt hat es somit in der Hand, Gründe für eine Aussageverweigerung vorzubringen. Ob ein tatsächliches Aussageverweigerungsrecht zusteht, hat das Gericht im Einzelfall mit Beschluss zu entscheiden.
Zusammenfassend gilt somit, dass die Verschwiegenheitspflicht stets ernst zu nehmen ist. Eine gerichtliche Zeugenladung entbindet den Arzt daher grundsätzlich nicht von dieser Pflicht. Durch eine Aussage vor Gericht, ohne an die Schweigepflicht zu denken, kann ein Arzt demnach durchaus auch rechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht ist daher jedenfalls anzuraten. In einem allfälligen strafrechtlichen Verfahren besteht ein Aussageverweigerungsrecht ausschließlich für Fachärzte für Psychiatrie.