Der Durchschnittspatient ist in der Regel kaum in der Lage, den genauen medizinischen Nutzen einer Maßnahme, die seiner Gesundheit dient, einzuschätzen, denn dazu ist nur der behandelnde Arzt selbst in der Lage. Deshalb sprechen wir bei dieser Leistung von einem Vertrauensgut.
Die Krankenbehandlung „muss ausreichend und zweckmäßig sein; sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“ (§ 133 ASVG).
Eine inhaltliche Abgrenzung des gesetzlichen Ökonomiegebotes bringt die „RöK“, die Richtlinie des Hauptverbandes über die Berücksichtigung ökonomischer Grundsätze bei der Krankenbehandlung. § 3 Abs. 2 S 2 RöK verpflichtet zur Leistungserbringung „nach dem jeweiligen aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft“. Innerhalb dieses Rahmens erfüllt die Behandlung den ökonomischen Grundsatz, wenn sie geeignet ist, für die vorliegende Krankheit einen medizinischen Nutzen zu erzielen, und wenn dabei die Kosten im Verhältnis zum Erfolg der Maßnahme möglichst gering gehalten werden.
Nach § 3 Abs. 4 Z 1 RöK ist von mehreren gleichwertigen Behandlungen die ökonomisch günstigere zu wählen.
Der Interessenkonflikt, der aus dem im§ 133 ASVG enthaltenen Ökonomiegebot entsteht, ist vorrangig vom behandelnden Arzt im Einzelfall zu lösen, wobei der Arzt die Auswahl zwischen mehreren in Frage kommenden Methoden im Einvernehmen mit dem Patienten zu treffen hat.
Im Brennpunkt der Diskussionen der Krankenversicherungen stehen die Bemühungen, die Maßnahmen der Krankenbehandlung kostengünstig zu administrieren. Es stehen aber auch noch einige andere Möglichkeiten zur Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zur Verfügung. Die Kassen befassen sich intensiv mit der Überprüfung ihres Leistungsvolumens und setzen folgende Maßnahmen dafür ein: strenge chefärztliche Kontrollen, Mystery Shopping, Regelungen über chefärztliche Bewilligungspflichten und Richtlinien über die ökonomische Krankenbehandlung.
Die Krankenversicherung ist verpflichtet, die Maßnahmen der Krankenbehandlung bei Eintritt von Krankheit zu erbringen. Krankheit – darunter versteht man einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der die Krankenbehandlung notwendig macht. § 133 ASVG gibt hier aber nur sehr unscharfe Angaben zur Krankenbehandlung vor. Was unter „ausreichend“, „zweckmäßig“ und das „Maß des Notwendigen“ jeweils zu verstehen ist, ist auslegungsbedürftig und bedarf der Spezifikation. Die Leistungspflicht endet dort, wo zwischen Maßnahme und Ergebnis der Maßnahme ein offensichtliches Missverhältnis besteht. Dies ist eine Art der Missbrauchskontrolle, denn die Krankenversicherung hat das Recht, aber auch die Pflicht, eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen auszuschließen. Aus dem Gesetz kann jedoch kein alleiniges Kostendiktat gegenüber dem Krankenbehandlungsanspruch abgleitet werden. Auch die Krankenanstalten haben dieses Ökonomiegebot verpflichtend einzuhalten.
Zielsetzung der Krankenversicherung ist es, ihren Versicherten die Inanspruchnahme von Leistungen, wie z.B. die der Ärzte oder öffentlichen Krankenhäuser, nicht jedoch die krankenversicherungsrechtlichen Güter, zur Verfügung zu stellen. Aber der Anspruchsberechtigte hat kein Recht auf alles, was medizinisch möglich ist. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass zur Beurteilung der krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht im ersten Schritt das ärztliche Berufsrecht bzw. das Krankenanstaltenrecht heranzuziehen ist. Erst in einem weiteren Schritt folgt die ökonomische Bewertung von Input und Output.
Sowohl im Ärztegesetz als auch in der Ärzte-Ausbildungsordnung finden sich die Begriffsbestimmungen wieder, wie z.B. zur Krankenbehandlung und zur ärztlichen Tätigkeit. Von Bedeutung ist dabei jedoch, dass in diesen Gesetzen die Anleitung zum wirtschaftlichen Handeln bei der ärztlichen Tätigkeit fehlt.
Bei der Verordnung von Kassenrezepten ist der Erstattungskodex (EKO) des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger die Grundlage. Der EKO enthält jene Medikamente, die auf Rechnung der Krankenversicherungsträger erstattet werden. Hier handelt es sich um Arzneimittel, die nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten annehmen lassen. Die inhaltliche Gliederung erfolgt nach dem ATC-Code (anatomisch-therapeutisch-chemisches Klassifikationssystem der WHO).
Analog einer Verkehrsampel gilt bei Medikamentenverordnungen der Leitsatz: GRÜN vor GELB vor ROT. Kernaussage: Erst, wenn mit frei verschreibbaren Medikamenten das Therapieziel nicht erreicht werden kann, darf aus den nachgeordneten Boxen verschrieben werden.
Der Grüne Bereich enthält Arzneispezialitäten, die ohne chefärztliche Genehmigung in der angegebenen Menge und Packungsgröße frei verschreibbar sind. Hier finden sich auch Medikamente, deren freie Verschreibbarkeit nur durch bestimmte Fachärzte möglich ist (Kennzeichnung je nach Fachgruppe durch Au, D, F, K, N, P, U) oder die nur bis zu einem bestimmten Lebensalter ohne Bewilligung frei sind (Kennzeichnung z.B. durch „F 14“).
Eine Besonderheit stellt die „IND“-Regelung dar. Mit diesem anzubringenden Vermerk sind Medikamente, die im EKO dieses Kürzel tragen, ebenfalls ohne chefärztliche Vorlage verschreibbar – aber nur bei genauer Einhaltung der im EKO vermerkten Indikation.
Gelber Bereich = Yellow Box – RE 1 und RE 2
RE-1-Kennzeichnung: Medikamente mit einem definierten Verwendungszweck, eine Bewilligung durch den Chefarzt ist einzuholen (medizinische Voraussetzungen sind dem EKO zu entnehmen).
RE-2-Kennzeichnung: Für einzelne Arzneispezialitäten mit einer bestimmten Verwendung hat der Hauptverband einen Ersatz der Bewilligung durch eine nachfolgende Kontrolle vorgesehen.
Roter Bereich = Red Box
Hier sind zeitlich befristet Medikamente geparkt, die erstmalig am österreichischem Markt lieferbar sind und bei denen ein Aufnahmeantrag in den EKO durch den Hersteller gestellt worden ist. Verschreibungen aus der Red Box sind chefarztpflichtig.
Als kurzes Fazit lässt sich festhalten, dass gemäß § 3 Abs. 2 Ärztegesetz eine Therapiefreiheit als fachliche Weisungsfreiheit (selbständige Ausübung und eigenverantwortliche Ausführung) besteht, und zwar unabhängig davon, ob die Tätigkeit freiberuflich oder in einem Dienstverhältnis verrichtet wird. Sodann ist von Relevanz, dass eine Einschränkung der Verschreibungsmöglichkeit im Widerspruch zur berufsrechtlichen ärztlichen Autonomie des Ärztegesetzes steht.
Demzufolge kann ein Kassenvertrag die ärztliche Tätigkeit nicht einschränken. Sollte es zu Ablehnungen seitens der Sozialversicherungen kommen, wäre folgendes Vorgehen angeraten: Zunächst wäre das Gespräch mit dem Chefarzt bzw. dem leitenden chefärztlichen Dienst der jeweiligen Kassen zu suchen. Sodann wäre der Patient darüber aufzuklären, dass er einen schriftlichen Bescheid bei seiner Krankenkasse anfordern kann. Dieser Bescheid kann dann auch für eventuelle rechtliche Interventionen herangezogen werden. Auch eine Kontaktnahme mit der jeweiligen Patientenanwaltschaft kann in dieser Situation sehr hilfreich sein. Schließlich wäre noch der Schritt zu öffentlichen Medien (Ombudsstellen) oder auch ein rechtliches Vorgehen zu erwägen.