Gestern – heute – morgen: Psoriasis

Neue Erkenntnisse über die Psoriasis haben das Verständnis der Erkrankung in den letzten Jahren entscheidend verändert. Durch dieses Verständnis konnten zahlreiche neue Therapieoptionen entwickelt werden. Diese Fortschritte dürfen aber nicht den Eindruck vermitteln, dass alle Probleme und Fragen gelöst sind. Die Psoriasis ist mit ihren verschiedenen klinischen Formen eine der häufigsten chronisch entzündlichen Erkrankungen der Haut und zeigt in den industrialisierten Ländern eine Prävalenz von 1,5–2 %.
Psoriasis wird nicht mehr nur als eine reine Hautkrankheit wahrgenommen, die eventuell mit einer Arthritis einhergehen kann, sondern als eine komplexe chronisch entzündliche Systemerkrankung – eine Systemerkrankung mit sehr heterogenem Krankheitsbild und einer Reihe bedeutsamer Komorbiditäten und Risikofaktoren, die die Lebensqualität der Patienten erheblich einschränken können. Glücklicherweise stehen uns aber heute, auch durch die zahlreichen neuen Therapien, Möglichkeiten zur Verfügung, die die Lebensqualität unserer Patienten verbessern.

Die Ätiopathogenese der Erkrankung ist noch nicht gänzlich geklärt. Es handelt sich jedoch bei der Schuppenflechte um eine durch extrinsische oder intrinsische Einflüsse provozierbare systemische chronisch entzündliche Erkrankung, die eine immungenetische Basis hat. Als histologisches Korrelat der Erkrankung zeigen sich eine Akanthose, Parakeratose, Verlust des Stratum granulosum, eine Ansammlung neutrophiler Granulozyten in der Epidermis, eine Elongation der Reteleisten sowie dilatierte Kapillarschlingen in der Dermis und perivaskuläre Infiltrate aus Histiozyten und CD4-positiven Lymphozyten. Hinter diesen histologischen Veränderungen steht eine Aktivierung der Keratinozyten, die auch Chemokine sezernieren. Dadurch kommt es zur Einwanderung von Neutrophilen in die Epidermis. Weiters kommt es zur Aktivierung dendritischer Zellen durch Zytokine, wie z.B. TNF-α, IL-6 und IL-1β, welche durch die T-Zellen gebildet werden. Die aktivierten dendritischen Zellen wandern in die regionären Lymphknoten aus, wodurch es zu einer Bildung von IL-12 und IL-23 kommt, welche wiederum native T-Zellen in TH1- und TH17-Zellen transformieren. In der Haut werden in der Folge IL-23, IL-17, TNF-α und INF-γ gebildet, welche zu einer Proliferation der Keratinozyten führen.
Unbestritten bei der Psoriasis ist eine genetische Disposition. Assoziierte Gene wurden auf verschiedenen Chromosomen nachgewiesen (polygenetische Erbkrankheit). Wir wissen heute, dass das HLA-C*06-Allel auf dem Chromosom 6 mit einem frühen Ausbruch der nichtpustulösen Psoriasis assoziiert ist. Die Allele HLA-B*27 und HLA-B*39 erhöhen das Risiko für eine Psoriasisarthritis. Gene wie IL-12B, IL-23A, IL-23R und IL-4/IL-13 Locus kodieren für das wichtige IL-23. Polymorphismen in Transkriptionsfaktoren wie STAT3 regulieren die Differenzierung der TH17-Zellen und die Expression des IL-23-Rezeptors. Mutationen in den Genen von CARD14 und dem Rezeptorantagonisten von IL-36γ, IL-36RN werden mit pustulösen Formen der Psoriasis in Verbindung gebracht.

Die Krankheit verläuft in aller Regel chronisch und in wiederkehrenden Schüben. Neue Erkenntnisse in der Pathophysiologie und Epidemiologie in den letzten Jahren haben dazu geführt, dass die Psoriasis heute als eine, sehr heterogene entzündliche Systemerkrankung gilt. Direkt assoziiert mit der Psoriasis sind die Psoriasisarthritis, der Morbus Crohn, die Colitis ulcerosa und Augenentzündungen in Form einer Iridozyklitis bzw. Uveitis sowie eine erhebliche Einschränkung der gesundheitsabhängigen Lebensqualität und der physischen und mentalen Leistungsfähigkeit. In Abhängigkeit von Schwere und Dauer der Psoriasis besteht auch ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Begleiterkrankungen und Veränderungen im Sinne eines metabolischen Syndroms mit Adipositas, arterieller Hypertonie, insulinresistentem Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen. Selbst nach Ausgleich der Risikofaktoren, wie Nikotin- und Alkoholabusus, bleibt dieses Risiko für diese Patientengruppe bestehen. In weiterer Folge findet sich eine Verkürzung der Lebenserwartung, die Studien zufolge für mittelschwere bis schwere Psoriasis zumindest drei bis vier Jahre betragen kann.
Das häufige Auftreten von Komorbiditäten bei Psoriasis-Patienten erfordert somit einen multidisziplinären Ansatz. Aus dieser Komplexität der Erkrankung definieren sich die Behandlungsziele. Ein Therapieansatz muss nicht nur zu einer Besserung der kutanen Manifestationen führen, sondern auch auf die Begleiterkrankungen abzielen. Dies führt letztendlich zu einer Verbesserung der Lebensqualität und zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit unserer Patienten.

Die letzten zehn Jahre

Durch ein neues Verständnis der Pathogenese der Psoriasis eröffneten sich weitere Möglichkeiten in der Behandlung der Erkrankung:
Vor 1979 hielt man die Psoriasis für eine Erkrankung, die durch die Dysregulation der Keratinozyten bedingt ist. Diese Erkenntnisse basierten auf histologischer Evidenz. In den Jahren 1980 bis 2000 erweiterte sich die Evidenzlage und man erkannte, dass die Psoriasis eine T-Zell-vermittelte Erkrankung ist. 1998 fand man eine erhöhte IL-12-Expression in psoriatischen Plaques und schloss daraus, dass die Psoriasis eine TH1-mediierte Erkrankung darstellt. In weiterer Folge glaubte man, dass IL-12 eine Schlüsselrolle spielt. Anhand der mRNA entdeckte man allerdings, dass nicht IL-12, sondern IL-23 das bei der Psoriasis treibende Molekül ist.
Im Jahr 2003 fand man heraus, dass IL-23 T-Zellen aktiviert, welche ein anderes Zytokinprofil zeigen als TH1- und TH2-Zellen; somit waren die TH17-Zellen gefunden. Die TH17-Zellen sind eine spezifische und eigenständige Linie von Helfer-T-Zellen. Die Ausbildung dieser Zellen erfolgt durch ein bestimmtes molekulargenetisches Programm, unter anderem durch IL-23. Das Leitzytokin der TH17-Zellen ist IL-17. IL-17 und andere TH17-Effektor-Zytokine bewirken eine Aktivierung der Keratinozyten und eine Entzündung, die letztendlich zu einer psoriatischen Läsion führt.
Dieses neue Verständnis der Pathogenese der Erkrankung machte die Psoriasis neuen Therapiemöglichkeiten zugänglich. Die bisherigen, klassischen Systemtherapien, wie z. B. Methotrexat, Cyclosporin A, Acitretin oder Fumarsäure, die in der Langzeitbehandlung an ihre Grenzen stoßen, konnten somit erfolgreich abgelöst werden.
Mit der Einführung von Biologika hat sich das Armamentarium zur Behandlung der Psoriasis deutlich erweitert und verstärkt. Zurzeit stehen uns die sogenannten TNF-α-Blocker, ein IL-12/23-Antikörper sowie IL-17-Antikörper zur Verfügung. Diese Substanzen weisen gegenüber konventionellen, alten systemischen Therapien eine spezifischere Wirkung und verbesserte Wirksamkeit auf, sowohl bei Psoriasis vulgaris als auch bei Psoriasisarthritis. Im Gegensatz zu den alten Systemtherapien zeigen die Biologika einen relativ raschen Wirkeintritt, eine Eignung zur Langzeittherapie, eine gute Verträglichkeit und keine spezifische Organtoxizität für Leber, Niere oder Blutbild.

 

 

Wo steht die Therapie heute?

Bei 70–80 % der Psoriasis-Patienten ist die Krankheit mild bis moderat ausgeprägt, dann sind teilweise auch moderne topische Therapien alleine ausreichend. Innovative Ansätze zur dermalen Wirkstoffabgabe ermöglichen eine bessere Hautpenetration und eine erhöhte Bioverfügbarkeit. Zur Verfügung stehen z. B. ein Sprühschaum mit der Fixkombination aus Calcipotriol und Betamethason.
Während früher angenommen wurde, dass die Psoriasis nicht juckt, ist heute bekannt, dass 60–90 % der Psoriasis-Patienten an Juckreiz in unterschiedlichem Ausmaß leiden. Weiters belegen Studien, dass 26–32 % über Schmerzen der Haut berichten. Belastend für die Patienten sind auch Nagelveränderungen, Veränderungen der Kopfhaut und des Anogenitalbereiches. Früher ging man davon aus, dass ca. 5 % der Patienten an einer Psoriasisarthritis leiden; heutzutage wissen wir, dass etwa 20–30 % der Patienten davon betroffen sind.
All dies sind Fakten, die neben den bekannten Komorbiditäten die Psoriasis zu einer systemischen entzündlichen Erkrankung machen. Somit hat sich das Dogma, dass die Psoriasis eine nichtjuckende Hauterkrankung ist, insofern geändert, als wir heute wissen, dass es sich hierbei um eine juckende chronisch entzündliche Systemerkrankung handelt, mit nicht nur körperlichen Symptomen, sondern auch psychosozialen Konsequenzen für den Patienten. In einer Untersuchung zeigte sich, dass der Einfluss einer Psoriasis auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten vergleichbar mit den Auswirkungen anderer schwerer Erkrankungen wie z. B. Diabetes, Krebs oder Bluthochdruck ist.
Daher sollte ein moderner Therapieansatz nicht nur zu einer Besserung der kutanen Manifestationen führen, sondern auch auf die Begleiterkrankungen abzielen. Zahlreiche Studien zeigen, dass unter den systemischen Therapien die Biologika diesem Anspruch am besten gerecht werden können. Moderne Register ermöglichen in kurzer Zeit das Sammeln von mehr Daten, als es zuvor von älteren Therapien möglich war. So bestätigte z. B. die Auswertung eines Registers mit mehr als 10.000 Patienten mit rheumatoider Arthritis, dass die Behandlung mit TNF-α-Blockern im Vergleich zu konventionellen Basistherapeutika, einschließlich Methotrexat, die Inzidenzrate für kardiovaskuläre Ereignisse senkt. Obwohl es sich bei den Biologika um relativ neue Medikamente handelt, haben wir in der Zwischenzeit durch zahlreiche Register eine sehr gute Evidenzlage, die die Sicherheit dieser Therapien aufzeigt.
Neben den sehr wirksamen und sicheren Biologika, die zuletzt mit ihren IL-17-Inhibitoren eine schon sehr spezifische Wirksamkeit entfalteten, gibt es neuerdings auch intrazelluläre Ansatzpunkte. Darunter das erste orale niedermolekulare Molekül, ein Phosphodiesterase-(PDE-)4-Inhibitor mit dem Namen „Apremilast“. Apremilast wirkt intrazellulär auf Immunzellen, vor allem aus dem Bereich des angeborenen Immunsystems. Das Neue an dieser Substanz ist, dass es sich um ein Molekül handelt, welches oral verabreicht werden kann. Es wirkt bereits am Anfang der Entzündungskaskade intrazellulär und nicht erst am Ende z. B. durch Blockierung von Rezeptoren. Durch die PDE-4-Hemmung kommt es zu einer intrazellulären Modulation eines Netzwerkes pro- und antiinflammatorischer Mediatoren.
Mit diesen modernen Therapien können wir immer erfolgreicher die Psoriasis an sich sowie auch ihre Begleiterkrankungen behandeln. In einer Kontrolle dieser Erkrankungen sollte auch die Verbesserung der Lebensqualität ein erklärtes Therapieziel sein. Patienten mit Psoriasis benötigen also einen multidisziplinären Ansatz. Der Hautarzt von heute muss immer mehr zum Hausarzt des Psoriasis-Patienten werden, um dessen Begleiterkrankungen zu erkennen und ihn der richtigen Therapie zuzuführen.

Blick in die Zukunft

Um Patienten mit speziellen Erfordernissen und Komorbiditäten gerecht zu werden und den Therapieerfolg zu optimieren, ist eine zunehmend individualisierte Behandlung der Erkrankung notwendig – und auch immer besser möglich. Neben den bisherigen Systemtherapien, die an unterschiedlichen Stellen ansetzen, befinden sich bereits zahlreiche weitere Substanzen in Entwicklung, wie z. B. IL-23-Antagonisten oder Kinaseinhibitoren. Aber auch alte Substanzen wie die Fumarsäure werden weiterentwickelt und können somit das vorhandene Spektrum an Möglichkeiten erweitern. Auch genetische Aspekte werden in Zukunft vermehrt Einzug halten und das Erkrankungsverständnis sowie die Therapieoptionen verbessern.
Ein Ziel muss es auch sein, durch die richtige Therapieauswahl Komorbiditäten bereits im Vorfeld zu verhindern und somit nicht nur den Patienten Begleiterkrankungen zu ersparen, sondern in Summe auch Einsparungen des Gesundheitsbudgets zu erreichen.

Zusammenfassung

Abschließend lässt sich sagen, dass sich in den letzten zehn Jahren das Verständnis der Psoriasis deutlich geändert hat: Aus einer Hauterkrankung ist eine systemische entzündliche Erkrankung mit immunbedingten Komorbiditäten geworden. Durch zunehmende Therapieoptionen ist eine individualisierte Behandlung des einzelnen Patienten mit seinen Komorbiditäten möglich geworden und wird in Zukunft noch besser möglich sein.