Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, bereut seine Berufsentscheidung auch nach 35 Jahren beruflicher Tätigkeit als niedergelassener Urologe nicht. Würde ein junger Mensch ihn fragen, ob er Arzt werden solle, wäre seine Empfehlung ein Ja. „Es wäre allerdings, anders als früher, kein Ja ohne Wenn und Aber“, ergänzt Steinhart. „Mein Erklärungsbedürfnis bezöge sich nicht auf die ärztliche Tätigkeit als solche, die ich immer noch herausfordernd und beglückend finde, sondern auf die schlechter werdenden Rahmenbedingungen unseres Berufes.“
So wie Steinhart scheint es immer mehr Ärzten zu gehen. Das zeigt eine aktuelle Ärztebefragung zum Thema Berufszufriedenheit: Im Vergleich zu 2012, wo bereits eine solche Umfrage durchgeführt wurde, ist die Zufriedenheit der Kollegen drastisch gesunken. Auf die Frage „Wie zufrieden sind Sie im Allgemeinen mit Ihrem Beruf?“ antworten heute nur noch 26 % mit „sehr zufrieden“, vor fünf Jahren waren es 40 %. Der Anteil der Ärzte, die schlicht und einfach „unzufrieden“ sind, stieg dagegen in nur fünf Jahren von 2 auf 15 % an.
Die Ursachen für die verbreitete Unzufriedenheit liegen meist nicht in individuellen Faktoren oder persönlichen Problemen, sondern sind struktureller Natur. Als besonders ärgerlich empfanden die befragten Ärzte den bürokratischen Aufwand (88 %), gefolgt von der fehlenden Wertschätzung durch Politik und Kassen (78 %). Auf Platz 3 der Ärgernisse kam mit 57 % das Thema EDV samt den damit verbundenen Kosten (Stichwort: ELGA). Auch den Zeitdruck durch hohe Patientenzahlen gab mehr als die Hälfte der Ärzte als maßgeblich für ihre Unzufriedenheit an. Und was schätzen Ärzte an ihrem Beruf besonders? Nummer 1 ist mit 91 % dessen Vielseitigkeit, gefolgt von „guter Kontakt und Beziehungen zu den Patienten“ (89 %), den Herausforderungen (88 %), Vertrauen und Wertschätzung (87 %) und der Betreuung der Patienten (84 %). Auch der Gesichtspunkt der ständigen Weiterentwicklung und Weiterbildung ist maßgeblich für die Zufriedenheit mit dem Arztberuf. Von Pharmaunternehmen erwarten sich Ärzte primär Unterstützung bei der Fortbildung, allerdings unabhängig und nicht interessengeleitet, so ein weiteres interessantes Ergebnis der aktuellen Befragung.
Das ärztliche Berufsleben lässt sich in 3 Abschnitte gliedern: in die Ausbildung, die an der medizinischen Universität etwa 8 Jahre dauert, in die Weiterbildung zum Facharzt bzw. zum Arzt für Allgemeinmedizin und schließlich in die Fortbildung (Abb.). Diese umfasst den Zeitraum der eigenverantwortlichen Ausübung des ärztlichen Berufes und dauert demnach länger als 30 Jahre.
Wenn sich das medizinische Wissen alle 4 Jahre verdoppelt, hat sich seit Beginn des Studiums das Wissen somit um mehr als das 500-Fache vervielfacht! Daher ist die kontinuierliche ärztliche Fortbildung, wie sie in Österreich gesetzlich verpflichtend vorgeschrieben ist und seit September 2016 streng überprüft wird, von größter Bedeutung. Den wissenschaftlichen Fachgesellschaften fehlen jedoch oft die Ressourcen, um unabhängige und objektive Fortbildung anzubieten. In Österreich findet Fortbildung deshalb zum überwiegenden Teil direkt von der Pharmaindustrie organisiert oder durch die Pharmaindustrie unterstützt statt. „Das bringt ganz klar Interessenkonflikte mit sich, über die offen diskutiert werden muss“, fordert Dr. Christoph Dachs, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM). Als klaren Ausweg sieht er die Einrichtung sogenannter Fortbildungsfonds, idealerweise durch Multisponsoring.
Die Rolle des Allgemeinmediziners sieht Dachs in der des Generalisten an der Seite des Patienten, der in Zeiten der Spezialisierung und Subspezialisierung der einzelnen Fächer die Befunde im Gesamtkontext betrachtet, den Patienten in seiner gesamten bio-psycho-sozialen Situation beurteilt und ihn durchs Gesundheitssystem führt. Dafür brauche es Kompetenz, welche nur durch ständige Fort- und Weiterbildung und durch Selbstreflexion erworben werden könne, so Dachs. Wichtig ist für den ÖGAM-Präsidenten, dass die Fortbildung qualitätsgesichert ist und den Bedürfnissen der einzelnen Fächer gerecht wird. Gerade Allgemeinmedizin brauche praxisrelevante Fortbildung, wie beispielsweise eine derzeit in Entstehung begriffene zehnteilige Serie von schriftlichen Fortbildungsmodulen. Im ersten Schritt wurden dazu 20 Themen von der ÖGAM vorgeschlagen, aus denen über 400 Ärzte die 10 Themen mit der höchsten Praxisrelevanz ausgewählt haben. Zu diesen Themen entstehen nun 10 DFP-Beiträge, die über Printpublikation, die App diePunkte:on sowie eine Vielzahl anderer digitaler Kanäle an die Ärzteschaft gebracht werden. Unterstützt wird das Projekt durch den Sponsor TEVA – ratiopharm, der unbürokratisch einen „unconditional grant“ zur Verfügung stellt. Sämtliche Schritte, von der Themenauswahl über die Umsetzung bis zur Verteilung, werden dabei ohne die geringste Einflussnahme des Sponsors gesetzt. Dachs dazu: „Das verstehen wir unter moderner, praxisnaher, effizienter Fortbildung – und das könnte eine beispielhafte Kooperation zwischen Industrie und Ärzteschaft sein.“ Unabhängiger Fortbildungsfonds: Ein weiteres positives Beispiel für Fortbildungsförderung ist die TEVA – ratiopharm Fortbildungsinitiative (TRFI) in Kooperation mit der Vienna School of Clinical Research (VCSR). Die von der Industrie zur Verfügung gestellten Gelder sind der Entwicklung von firmenunabhängigen Fortbildungsangeboten auf hohem Qualitätsniveau nach den Prinzipien von evidenzbasierter Medizin sowie der Unterstützung produktneutraler Vorträge gewidmet. Empfänger der TRFI-Mittel sind ausschließlich unabhängige und eingetragene Institutionen der ärztlichen Fortbildung in Österreich (z. B. wissenschaftliche Fachgesellschaften, medizinische Universitäten, Ärztekammern etc.). Die Vergabe der Zuwendungen (für 2017 stehen 100.000 Euro zur Verfügung) soll von unabhängigen Boards unter der Leitung der VCSR autorisiert, kontrolliert und betreut werden. „Gerne hat die VSCR das Angebot angenommen, eine vom Sponsor zur Verfügung gestellte Fortbildungsförderung in Österreich mittels unabhängiger Vergabeboards zu administrieren und die Unabhängigkeit und die Qualität der geförderten Fortbildungsveranstaltungen zu garantieren“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Heinrich Klech, Gründer und Geschäftsführer der VSCR. Für Dr. Elgar Schnegg, Managing Director TEVA – ratiopharm, gehört es zu den Unternehmenszielen, die Ärzte bei ihrer Fortbildung und in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. „Wir stellen daher unabhängigen Institutionen finanzielle Mittel zur Verfügung, die diese frei – das heißt, ohne Abstimmung mit uns – zur Förderung der Fortbildung einsetzen können“, so Schnegg.
Fazit: Die Sinnhaftigkeit – ja, Notwendigkeit – regelmäßiger ärztlicher Fortbildung steht außer Frage. Ebenso wie die Tatsache, dass es keine adäquate Finanzierung dafür durch die öffentliche Hand gibt. Unabhängige Initiativen zur Förderung maßgeschneiderter ärztlicher Fortbildung für einzelne Zielgruppen, gespeist von Beiträgen der Industrie, könnten ein geeignetes Mittel zu sein, um unabhängige und objektive Fortbildung anzubieten.
Quelle: Pressekonferenz „Herausforderung: Arzt sein heute!“, Presseclub Concordia, 19. Mai 2017
Fotos: Bernhard Noll, TEVA – ratiopharm/Felicitas Matern, privat