Der chirurgische Resektionsversuch eines unerwartet bösartigen Weichteiltumors bedeutet fast immer eine unzureichende Behandlung, die nachhaltige Auswirkungen auf Ergebnis und Prognose haben kann!
Weichteilsarkome sind höchst seltene Tumoren und machen weniger als 1 % aller Malignome am menschlichen Körper aus. Das bedeutet gleichzeitig, dass ein Weichteiltumor statistisch 300-mal häufiger benigne als maligne ist. Diese Verhältnisse erklären zumindest zum Teil, warum besonders anatomisch leicht zugängige, oberflächliche oder kleinere Tumoren sehr oft nicht unter Malignomverdacht reseziert werden. Wesentliche Voraussetzung für die adäquate Therapie von Sarkomen ist allerdings neben der adjuvanten Behandlung die chirurgische Entfernung in einem Mantel an gesundem Gewebe (weite Resektion). Die unzureichende Entfernung oder das Vorliegen von Resttumor kann die weitere Therapie der betroffenen Patienten deutlich erschweren oder gar die Gesamtprognose verschlechtern.
Die inadäquate Resektion wird im angelsächsischen Sprachraum gerne auch als „Whoops- Procedure“ bezeichnet (Whoops! als Überraschungsausruf des Chirurgen im Falle eines unerwarteten, bereits intraoperativ maligne anmutenden Gewebes). Kennzeichen dieser Eingriffe ist, dass prinzipiell nicht von einem bösartigen Tumor ausgegangen wird und daher neben einer unzureichenden präoperati – ven Diagnostik (z. B. keine Durchführung eines Schichtbildverfahrens) auch die Opera – tion selbst nicht auf die Einhaltung weiter Resektionsgrenzen abzielt. Insgesamt muss davon ausgegangen werden, dass zumindest 60 % aller in dieser Form ungeplant durchgeführten Resektionen R1- oder R2-Resektionen darstellen, also mikro- oder makroskopisch Resttumor zurücklassen. Die Zahl derartiger Eingriffe ist trotz einer mittlerweile intensiven Aufklärungsarbeit großer Tumorzentren nach wie vor relativ hoch. An der Universitätsklinik für Orthopädie in Wien beispielsweise waren über 41 % aller 752 Patienten mit Weichteilsarkomen inadäquat voroperiert. Bemerkens – wert ist, dass nur bei etwa 17 % der Patienten vor dem Resektionsversuch auch tatsächlich eine Gewebeprobe entnommen wurde und nur 55 % dieser Patienten innerhalb der ersten 12 Wochen nach dem Ersteingriff zur weiterführenden Abklärung zugewiesen wurden.
Nach inadäquaten Resektionen ist der Anteil an Patienten, bei denen noch ein Resttumor vorhanden ist, sehr hoch: Nur bei einem Fünftel der bei uns weiterbehandelten Patienten konnte nach der Whoops-Procedure in der histologischen Aufarbeitung des ehemaligen Tumorbettes kein pathologisches Gewebe mehr nachgewiesen werden. Patienten mit Resttumor zeigten trotz einer weiten Nachresektion insgesamt ein signifikant schlechteres Gesamt- und rezidivfreies Überleben, was eindrucksvoll die ernstzunehmenden möglichen Konsequenzen einer Whoops-Procedure verdeutlicht.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang besonders die Identifikation von Risikofaktoren für den Resttumor: Bislang ist es in keiner Untersuchung gelungen, tumor- oder patientenspezifische Merkmale nachzuweisen, die aufzeigen könnten, welche Patienten mit höherer Wahrscheinlichkeit noch einen Resttumor haben. Folge dessen ist, dass im Rahmen der weiterführenden Behandlung nach einer Whoops-Procedure immer vom Vorliegen eines zumindest mikroskopischen Tumoranteils auszugehen ist, und die Therapie diesem Umstand Rechnung tragen muss.
Ergebnisse der Nachresektion: Aufgrund der oben erwähnten Umstände wird klar, dass im Falle einer Whoops-Procedure fast immer eine weitere Nachresektion am Tumorzentrum zu indizieren ist. Interessanterweise kann eine rasche Nachresektion (also innerhalb von 12 Wochen ab Erstoperation) mit weiten Resektionsgrenzen dazu führen, dass sowohl das Gesamtüberleben als auch das rezidivfreie Überleben der Patienten mit Voroperation, dem der Patienten mit normal geplanten Resektionen entspricht. Wird der Zeitraum zwischen den Operationen allerdings größer, ergeben sich deutliche prognostische Nachteile für Patienten mit inadäquaten Resektionsversuchen.
Ungeachtet dessen ist allerdings festzuhalten, dass derartige Nachresektionen oftmals wesentlich aufwändigere Operationsverfahren sind, als es geplante Primäroperationen gewesen wären. So zeigen Patienten mit Nachresektionen einen signifikant höheren Anteil an plastischen Deckungen, die häufig aufgrund falsch gewählter Inzisionen oder Drainag – estellen notwendig werden. Patienten mit Resttumor haben sogar eine höhere Inzidenz von Amputationen, die nicht selten zu vermeiden gewesen wären.
Wesentlich in der Behandlung von Weichteiltumoren ist es, an die Möglichkeit eines Sarkoms zu denken. Resektionen dieser Tumoren sollten keinesfalls ungeplant oder ohne ausreichende Diagnostik durchgeführt werden. Die intraläsionale Resektion von Weichteilsarkomen führt zwar nicht zwingend zu einer Prognoseverschlechterung des Patienten, häufig bedürfen ausreichende Nachresektionen jedoch aufwendiger und für den Patienten sehr belastender Operationsverfahren. Im Falle einer Whoops-Procedure sollte immer die unmittelbare Vorstellung an einem Tumorzentrum erfolgen!
Literatur bei den Autoren