Pflegereform − Von der Theorie zur Praxis: ein schwieriger Weg

Wie gelingt der Theorie-Praxis-Transfer?

Die Novelle des GuKG hat die Berufsaus­bildung reformiert, künftig gibt es 3 Berufsbilder (Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz, ­gehobener Dienst als Bachelor-FH-Studium). Wie beurteilen Sie die Ausbildungsreform?

Mit dieser Reform wurde ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Professionalisierung der Gesundheits- und Krankenpflege vollzogen. Es ist von enormer Bedeutung, dass die Ausbildungswege durchgängig sind, damit keine Qualifikationsstufe von der Möglichkeit sich weiter qualifizieren zu können, ausgeschlossen ist. Das Ziel muss aber immer sein, theoretisches und praktisches Wissen als Grundlage für die Pflegepraxis erlernen zu können, denn das Gesundheitswesen braucht handlungskompetente Pflegepersonen.

In welcher Weise ändern sich damit die Kompetenzbereiche der Pflegeberufe?

Durch die Einführung der Kompetenzbereiche der Pflegefachassistenz wird es einerseits möglich sein, den Pflegeprozess bedarfsorientierter umzusetzen. Darüber hinaus legen die Spezialisierungsbereiche, wie etwa die Pflege von Menschen mit psychogeriatrischen Krankheitsbildern, den Fokus auf gezielten Kompetenzerwerb für die Pflegepraxis.

Der erste Schritt ist mit der Gesetzesnovelle erfolgt, der zweite mit dem Start der Ausbildung gesetzt. Der dritte und vermutlich schwierigste Schritt ist die Implementierung in der Praxis im Spitalsalltag. In welchem Zeitrahmen soll das erfolgen?

Da die Pflegefachassistenten frühestens im Herbst 2018 ihre Ausbildung abschließen werden und darüber hinaus auch vermehrt Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege ihre Berufsausbildung mit Baccalaureat abschließen, kann zum momentanen Zeitpunkt kein wirklich seriöser Zeitrahmen genannt werden. Wichtig ist jedoch, genügend Zeit für die Implementierung der Settings- spezifisch notwendigen Kompetenzen einzuräumen.

Wo sehen Sie die Herausforderungen?

Das Gesundheitswesen insgesamt befindet sich in einem enormen Veränderungsprozess. Die Erwartungshaltung an das Leistungsspektrum der Gesundheits- und Krankenpflege ist teilweise wenig konkret. Daher muss in einem ersten Schritt innerhalb der Gesundheitsberufe klar kommuniziert werden, welche Kompetenzen der Versorgungspraxis zur Verfügung stehen. Für das Pflegemanagement wird die Koordination der verschiedenen Qualifikationsstufen eine gewisse Herausforderung sein.

Der ÖGKV arbeitet an dem Projekt „Theorie-­Praxis-Transfer“. Was ist der Hintergrund?

Der ÖGKV entwickelte bereits 2010 das Kompetenzmodell für Gesundheits- und Krankenpflegeberufe, welches in einigen Eckpunkten richtungsweisend für die Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetz 2016 war. Fakt ist, dass sowohl die Kompetenzen der drei verschiedenen Qualifikationsstufen als auch die Kompetenzen herkömmlich ausgebildeter ­Gesundheits- und Krankenpflegepersonen nicht nur für die Pflegepraxis genutzt werden müssen, sondern darüber hinaus auch die praktische Berufsausbildung veränderte Anforderungen mit sich bringt.

Wo liegen die Herausforderungen in der praktischen Ausbildung? Was genau umfasst das Projekt, und was soll erreicht werden?

Insbesondere die PraxisanleiterInnen haben entscheidenden Einfluss auf die praktische Ausbildung aller Qualifikationsstufen der Gesundheits- und Krankenpflege. Das Pflegemanagement muss die entsprechenden Ressourcen, wie beispielsweise Zeit, Personal und Rahmenbedingungen für das praktische Lernen in den Versorgungsalltag integrieren. Das ist keine leichte Aufgabe wenn man bedenkt, dass die Arbeitsdichte für Gesundheits- und Krankenpflegepersonen in den letzten Jahren enorm zugenommen hat

Was kommt auf die Pflegeberufe zu? Wo ­sehen Sie die Chancen der Zukunft, wo die Herausforderungen?

Kompetente Pflegepersonen haben eine zentrale Rolle in allen Systemen des Gesundheits- und Sozialwesens. Rund zwei Drittel aller Gesundheitsberufe sind der Gesundheits- und Krankenpflege zuzuordnen. Da die an Geburten starken Jahrgänge in den kommenden Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden, jedoch gleichzeitig der Anteil chronisch Kranker steigt, müssen bereits jetzt Maßnahmen gegen eine Mangel an Pflegepersonal gesetzt werden. Dabei ist zu beachten, dass zeitgerecht, genügend, insbesondere gut ausgebildetes Pflegepersonal zur Verfügung steht, ­damit sowohl der Pflegeprozess als auch die medizinischen Routinetätigkeiten umgesetzt werden können.

Was wünschen Sie sich für Ihre Berufsgruppe?

Ich hoffe, dass sich Gesundheits- und Krankenpflegepersonen ihrer zentralen Rolle für die Erfüllung des Versorgungsauftrages im Gesundheits- und Sozialwesen voll bewusst sind und dass sie sich für ihre Anliegen somit aktiv einsetzen. Darüber hinaus sind auf allen Ebenen mit Gesundheits- und Krankenpflege Entscheidungen zu treffen – nicht über sie.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview mit: Ursula Frohner

Präsidentin des ÖGKV

Foto: ÖGKV


AutorIn: Susanne Hinger

Chefredakteurin klinik

Foto: Felicitas Matern


Klinik 06|2017

Herausgeber: MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH
Publikationsdatum: 2017-12-12