Durch die rasante Entwicklung neuer Zytostatika und zielgerichteter Substanzen hat auch das Wissen um die potenziellen Nebenwirkungen und deren frühzeitige Erkennung enorm an Bedeutung gewonnen. Bis zu den 1990er-Jahren stand die Prophylaxe von hämatologischen Nebenwirkungen bzw. Übelkeit im Vordergrund. Mit der Einführung der Anthrazykline wurden erstmals kardiale Komplikationen (Kardiomyopathie) beobachtet, welche man letztlich nur unter Beachtung einer kumulativen Gesamtdosis vermeiden konnte.
Anders als in der Laienpresse häufig dargestellt, sind die modernen Substanzen nicht mit weniger gravierenden Nebenwirkungen assoziiert, sondern es ist das Management der klassischen Nebenwirkungen durch adäquate Begleitmedikamente signifikant verbessert worden. Die Prophylaxe und Behandlung von einigen wichtigen Nebenwirkungen wie Nausea/Emesis, Diarrhö oder Neutropenie sind durch die Leitlinien der ASCO (American Society of Clinical Oncology), der MASCC (Multinational Association of Supportive Care in Cancer) und der EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer) klar definiert. Häufig werden potenzielle Nebenwirkungen neuer Medikamente erst nach Zulassung der Substanz beobachtet. Der Zusammenhang einer Folgeerkrankung mit der internistisch-onkologischen Therapie wird jedoch vermutlich nur dann erkannt, wenn der behandelnde Arzt diese Reaktion häufiger beobachtet. Ein Beispiel sind die kardialen Nebenwirkungen von Tyrosinkinaseinhibitoren, welche erst nach der Zulassung als Toxizität erkannt und beschrieben wurden. Die Durchführung einer internistisch-onkologischen Therapie erfordert daher das Wissen über Pharmakokinetik, Interaktion mit anderen Medikamenten, exakte Indikationsstellung und die potenziellen Nebenwirkungen von Zytostatika, Hormontherapeutika und der zielgerichteten Substanzen. Unter Compliance versteht man das kooperative Verhalten des Patienten im Rahmen einer Behandlung. Im Zusammenhang mit oralen Medikamenten, welche über einen längeren Zeitraum eingenommen werden müssen, ergeben sich hier andere Aspekte als bei einer Chemotherapie, die intravenös über einige Monate verabreicht wird. In beiden Situationen stellt eine mangelnde Compliance für Patienten ein teilweise erhebliches Sicherheitsrisiko dar, vor allem wenn Nebenwirkungen negiert oder prophylaktische Maßnahmen nicht eingehalten werden. Bei oralen Substanzen kommt die verlässliche Einnahme der Medikamente hinzu. Bei komplexen Therapien, wenn beispielsweise > 2 unterschiedliche Medikamente in unterschiedlicher Dosierung einzunehmen sind und die gleichzeitige Einnahme mit gewissen Nahrungsmittel (Orangensaft, Grapefruit) und anderen Tabletten verboten ist, dann sind eine umfangreiche Aufklärung und Informationsbroschüren für eine verlässliche Compliance unerlässlich. Die klaren Vorteile einer oralen Therapie (z. B. Wegfall der Angst vor dem Legen eines intravenösen Zugangs und seltenere Krankenhausaufenthalte) können durch mangelnde Compliance in einen Nachteil (Unterdosierung) und im ungünstigsten Fall in eine potenzielle Gefährdung (Überdosierung durch Arzneimittelinteraktion) des Patienten übergehen. Aus Studien zur Einnahme von Statinen und Antihypertensiva weiß man, dass bereits nach einem Jahr jeder zweite Patient die vorgeschriebenen Medikamente nur unregelmäßig oder überhaupt nicht mehr einnimmt. Die Compliance ist nur schwer zu erfassen, wobei die Messmethoden (Pillenzählen, Selbstauskunft über Einnahme, Auskunft durch Angehörige) in den meisten Fällen wiederum an eine gute Kooperation mit dem Patienten gebunden ist. Basis für eine gute Compliance ist die ausführliche Aufklärung des Patienten über die Bedeutung einer korrekten Medikamenteneinnahme für verbesserte Heilungschancen, Überlebensverlängerung oder Lebensqualität. Zusätzlich können eine verbesserte Kommunikation mit Patienten und deren Angehörigen aber auch mit den niedergelassen Ärzten sowie Hilfsmittel wie Broschüren, Patiententagebücher und Erinnerungsanrufe die Therapietreue wesentlich unterstützen.