Ärztekammer will weiblicher werden

Fast die Hälfte der österreichischen Ärzteschaft ist weiblich. Mit aktuell 47 % ist der Frauenanteil um 9 % höher als noch vor zehn Jahren. Dazu kommt, dass deutlich mehr als die Hälfte der Medizinstudierenden Frauen sind. Die Ärztekammer will nun mehr auf die Bedürfnisse von Frauen eingehen.
Beim österreichweiten Aufnahmetest zum Medizinstudium im vergangenen Sommer haben deutlich mehr Frauen (60 %) als Männer (40 %) teilgenommen. Die Frauen haben sich auch die Mehrzahl der Studienplätze in Medizin gesichert. Konkret gingen von den 1.621 vorhandenen Studienplätzen 854 an Frauen und 767 an Männer. Der Arztberuf wird zunehmend von Frauen dominiert. 55 % der angestellten Ärzte und sogar 59 % der Allgemeinmediziner sind Frauen.
Gerade an der Spitze ist die Luft für Frauen aber noch dünn. In Forschung und Lehre sind Frauen noch genauso unterrepräsentiert wie in der Standesvertretung selbst. Unter den neun Landespräsidenten der Ärztekammer ist nur eine Frau: die Kärntnerin Petra Preiss – und auch das erst seit dem Vorjahr. Gerade für Ärztinnen sei es immer noch schwierig, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, sagt der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres: „Aus persönlichen Gesprächen mit Kolleginnen weiß ich, dass Frauen in den verschiedenen Phasen ihres Berufslebens höchst unterschiedliche familiäre Aufgaben zu bewältigen haben, die zwar immer herausfordernd, aber im Zeitausmaß wechselnd sind.“ Die daraus erwachsenden beruflichen Bedürfnisse könnten nur dann individuell erfüllt werden, wenn sie von der Gesundheitspolitik wahrgenommen und die Rahmenbedingungen entsprechend angepasst werden, so Szekeres. Die Ärztekammer will nun aber in den nächsten sechs Monaten erstmalig Ärztinnen dazu befragen, welche Änderungen ihres beruflichen Umfeldes ihnen wichtig sind. „Die Umfrage wird sich mit den spezifischen Herausforderungen der Ärztinnen im angestellten und im niedergelassenen Bereich befassen. Fragestellungen zu Ausbildung, Karriereentwicklung, neuen Formen der Zusammenarbeit in der Niederlassung und zur Arbeitszeit sind Schwerpunkte der Umfrage. Aber auch Sexismus, Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz werden wir thematisieren. Die Ergebnisse werden wir dann als Arbeitsauftrag für die gesamte laufende Funktionsperiode der ÖÄK betrachten“, betonte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer.

„Ausgeglichene Geschlechterverteilung“

Für die Präsidentin der Ärztekammer für Kärnten und Leiterin des ÖÄK-Referates für Gender-Mainstreaming und spezifische Berufs- und Karrieremodelle von Ärztinnen, Dr. Petra Preiss, zeige die ÖÄK mit dieser Initiative, dass sie Ärztinnenanliegen als eine Sache der gesamten Standesvertretung betrachte. „Die Auswertung der Befragung und die Umsetzung der Anregungen werden langfristig auch positive Auswirkungen auf die ärztliche Versorgung der Bevölkerung haben. Denn je mehr Ärztinnen ihre individuell verfügbare Arbeitszeit gezielt einsetzen können, desto eher können die bevorstehende Pensionierungswelle und der erwartete Ärztemangel abgefedert werden“, ist Preiss überzeugt. Die Beseitigung ungerechtfertigter Unterschiede in der Berufsausübung von Medizinerinnen und Medizinern werde dazu beitragen, sagte Preiss.
Ihr „persönliches Anliegen“ sei darüber hinaus „eine ausgeglichene Geschlechterverteilung bei den Mandataren und Referenten in allen Länderkammern und auf ÖÄK-Ebene. Die Ärztekammer für Kärnten habe hier bereits eine Vorreiterrolle. „Frauen haben das Recht, ihre Anliegen selbst zu transportieren, und sollten diese Möglichkeit auch nutzen. Die Unterstützung der Standespolitik für Ärztinnen – auch durch die männlichen Mandatare – ist dabei der Anspruch, den ich an eine wirklich solidarische Kammer stelle“, so die Präsidentin der Ärztekammer für Kärnten.