In den kommenden Jahren gehen bis zu 60 % der Allgemeinmediziner in Pension. Gleichzeitig entscheiden sich viele Ärzte in Ausbildung bewusst gegen die Allgemeinmedizin, weil die Rahmenbedingungen nicht attraktiv sind. „Seit zehn Jahren sagen wir, dass es vor allem am Land einen Hausärztemangel geben wird, aber politisch geschieht außer müden Floskeln nichts“, sagt der Allgemeinmediziner Dr. Edgar Wurtscher, Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer.
Nun haben die Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) und die Junge Allgemeinmedizin Österreich (JAMÖ) gemeinsam mit der Bundessektion und unterstützt von der universitären Allgemeinmedizin den „Masterplan Allgemeinmedizin“ erarbeitet. Dieser sei als Argumentarium für weitere Gespräche mit gesundheitspolitischen Verantwortungsträgern zu lesen. Die Maßnahmen sind umfassend und gliedern sich folgende 6 Teilbereiche:
Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für Hausärzte wieder attraktiver zu machen. Der Hausärztemangel besteht, doch das Potenzial für den Ärztenachwuchs in der Allgemeinmedizin ist vorhanden: Unter allen Studierenden wollen 86 % mehr vom Fach Allgemeinmedizin im Studium verankert haben, gleichzeitig fühlen sich jedoch nur 15 % auf den Hausarztberuf vorbereitet – das sind Zahlen, die Dr. Stephanie Pottenburg vom Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Medizinischen Universität Graz (IAMEV) zusammengetragen hat. Eine der wesentlichen Säulen des Masterplans ist nämlich, dass er auf einer evidenzbasierten, wissenschaftlichen Grundlage entstanden ist. Neben den Studierenden wurden auch Hausärzte online nach ihrer Situation befragt.
Was die Arztausbildung betrifft, ist im Masterplan auch die jahrelange Forderung nach einem Facharzt für Allgemeinmedizin implementiert. Österreich ist hier europaweit Schlusslicht, denn in fast allen europäischen Ländern ist der Facharzt für Allgemeinmedizin bereits umgesetzt. Ein entsprechender Facharzt in Österreich wäre also nicht nur notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sondern würde die Allgemeinmedizin insgesamt aufwerten. Jungärzten müsse außerdem ein leichterer Einstieg möglich sein: Einerseits sollte die Unterstützung bei der Gründung von Hausarztpraxen verstärkt werden, andererseits sollten auch flexible Einstiegsformen und Zusammenarbeiten, wie etwa durch das Jobsharing-Modell, möglich sein.
Ein weiterer Punkt im Masterplan befasst sich mit der Anpassung und Modernisierung des Leistungskatalogs für Allgemeinmediziner. Dieser sollte unabhängig von der Organisationsform bundesweit einheitlich gestaltet werden, um internationalen Standards in der Versorgung gerecht zu werden. Das betrifft beispielsweise Leistungen wie Sonografie, Point-of-Care-Diagnostik und Funktionsuntersuchungen, die vom Hausarzt erbracht werden können, aber von den Kassen nicht bezahlt werden. Schickt der Hausarzt allerdings seinen Patienten in die Ambulanz, um diese Untersuchungen durchzuführen, erhöhen sich die Kosten um den Faktor 10 bis 50.
Ein Honorarsystem, das Hausärzte dabei unterstützt, diese Untersuchungen in der Praxis durchzuführen, würde daher sogar Kosten einsparen. „Das Problem ist die kurzfristige Politik: Wenn wir das Honorarsystem jetzt reformieren und eine qualitativ hochwertige Hausarztmedizin umsetzen, dann verursacht das für die heutigen Entscheidungsträger Kosten. Die Rendite ist erst in 10 oder 15 Jahren sichtbar“, sagt ÖGAM-Präsident Dr. Christoph Dachs. Aufgrund des Hausärztemangels gebe es allerdings klare Signale, dass bei den Entscheidungsträgern ein Umdenken stattfindet. „Der Mangel öffnet nun viele Türen“, so Dachs.
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