Der Titel ist eine Referenz an vergangene Zeiten – heute würden wir nicht mehr vom M. Bechterew reden oder über die ankylosierende Spondylitis schreiben, sondern den Begriff axiale Spondyloarthritis (axiale SpA) verwenden.
Der Titel ist aber auch eine Referenz an das erste FAKTEN-Heft (Ausgabe 4/2008), das sich vor genau 10 Jahren mit dieser Erkrankung(sgruppe) beschäftigt hat. Also, warum nicht dieses Heft (übrigens sind alle unsere Hefte unter www.medmedia.at/medien/faktenderrheumatologie im Internet zu finden) nochmals gemeinsam durchblättern, um Bewährtes zu erwähnen und neues Wissen zu ergänzen?
Beginnen wir mit dem ersten Beitrag: „Pathogenese des M. Bechterew“.
Der Autor schreibt: „Die genaue Ursache der ankylosierenden Spondylitis ist noch unbekannt“, und dieser Satz gilt noch heute. Er beschreibt auch, dass proinflammatorische Zytokine wie z. B. das TNF in den entzündeten Sakroiliakalgelenken überexprimiert werden und daher sowohl bei der Pathogenese als auch bei der Therapie eine Rolle spielen könnten. Es wird auf die schon damals als sehr wirksam zugelassene Anti-TNF-Therapie referenziert und postuliert, dass eventuell auch eine Anti-IL-6-Therapie wirksam sein könnte. Mittlerweile haben wir gelernt, dass interessanterweise gerade die Anti-IL-6-Therapie bei der axialen SpA unwirksam ist.
Dafür haben sich mit der Entdeckung der Bedeutung der IL-23/17-Achse in der Pathogenese der axialen SpA auch neue therapeutische Wege eröffnet. So hat man 2012 eine Assoziation der Erkrankung mit IL-23R-Polymorphismen beschrieben, aber auch mit SNPs in STAT3 oder Tyk2, die ebenfalls im IL-23/17-Pfad eine Rolle spielen. Auch wurde in einem Tiermodell dieser Erkrankung die wichtige Rolle von lokalen, in den Sehnenansätzen vorkommenden T-Zellen, die IL-23 produzieren, postuliert.
Der nächste Beitrag im 2008 erschienenen Heft beschreibt die „Problematik der Frühdiagnose“.
Und tatsächlich lag damals die Zeitspanne zwischen den ersten Symptomen und der Diagnose der Erkrankung bei über 8 Jahren! Warum war das so? Einerseits sind die klinischen Symptome der Erkrankung, nämlich Kreuzschmerzen, sehr häufig und auch unspezifisch. Andererseits sind im Röntgen sichtbare Veränderungen oft erst sehr spät erkennbar. Mit dem Siegeszug des MRT in der Frühdiagnostik, wie im damaligen Artikel schon beschrieben, ist es gelungen, die Erkrankung wesentlich früher zu diagnostizieren. Das hat auch zu einer Änderung der Nomenklatur geführt, nämlich weg von dem Terminus „ankylosierende Spondylitis“, der ja das Vorhandensein von im Röntgen sichtbaren Verknöcherungen voraussetzt, hin zu dem Begriff „axiale Spondyloarthritis“, der zu Recht stärker auf die – nur im MRT sichtbaren – Entzündungen in der Wirbelsäule referenziert.
Im Beitrag „Bildgebende Diagnostik des M. Bechterew“ wird auf die Bedeutung des MRT zur Früherkennung nochmals hingewiesen.
Abgesehen davon, dass wir als Titel aus oben angeführten Gründen heute „Bildgebende Diagnostik der axialen Spondyloarthritis“ wählen würden, ist dem auch aus derzeitiger Sicht nichts hinzuzufügen. Interessant ist aber, dass durch den im letzten Jahrzehnt forcierten Einsatz des MRTs und die damit ermöglichten immer früheren Diagnosen das Problem einer Fehl-/Überdiagnose immer mehr in den Brennpunkt wissenschaftlichen Interesses rückt. So konnte in einer kürzlich vorgestellten Arbeit gezeigt werden, dass auch Gesunde, vor allem aber auch Patienten, die ein spezifisches Trauma (bei der Geburt) erlitten, genau dieselben MRT-Veränderungen (vor allem Knochenmarksödeme) zeigten, wie sie für Patienten mit axialer Spondyloarthritis typisch sind. Kreuzschmerzen und vermeintlich typische MRT-Veränderungen führen also nicht zwangsläufig zur richtigen Diagnose – eine Tatsache, die nicht oft genug betont werden kann.
Die größten Veränderungen des letzten Jahrzehntes finden sich aber zweifelsohne auf dem Gebiet der Therapie, wie eine Rückschau auf den letzten Artikel unseres 2008er-Heftes mit dem Titel „Die Therapie des Morbus Bechterew“ klar zeigt.
Das betrifft weniger die als „First-Line“ eingesetzte NSAR-Therapie, die ja bei bis zu 50 % der Patienten mit axialer Spondyloarthritis insofern wirksam ist, als durch sie die Schmerzen stark reduziert werden und Bewegung wieder möglich wird. Interessant ist aber die Frage, ob NSAR auch als DMARDs wirksam sind, d. h. ob sie die Progression der Erkrankung, also die Verknöcherungen der Sakroiliakalgelenke bzw. der Längsbänder der Wirbelsäule verhindern können. Hier hatte man 2008 und in den Jahren danach – basierend auf einigen Beobachtungsstudien – eher angenommen, dass NSAR so wirken können. Eine neue randomisierte, kontrollierte Studie hat allerdings diesen Effekt nicht bestätigen können.
Nachdem – wie schon 2008 beschrieben – herkömmliche DMARDs wie MTX, Leflunomid oder Salazopyrin keine Wirkung auf die axiale Spondyloarthritis haben, liegt die wahre Revolution der medikamentösen Therapien in den Biologika.
Das begann, wie im Artikel von 2008 schon beschrieben, mit dem Einsatz der TNF-Blocker. Aber auch hier hat sich im letzten Jahrzehnt einiges geändert. 2008 war es (aufgrund der Studienlage) nur möglich, Patienten mit ankylosierender Spondylitis zu behandeln. Für Patienten, die an einer axialen Spondyloarthritis litten, aber eben noch keine Verknöcherungen entwickelt hatten, war diese Therapie nicht vorgesehen. Und das, obwohl diese Patienten, wie Studien gezeigt haben, im selben Ausmaß an Schmerzen und Funktionseinschränkungen litten und leiden wie Patienten mit ankylosierender Spondylitis. Das hat sich im letzten Jahrzehnt grundlegend geändert. Zahlreiche Studien haben die Wirksamkeit der Anti-TNF-Therapie auch bei diesen Frühformen bestätigt.
2008 gab es aber auch für Patienten, die auf eine Anti-TNF-Therapie nicht (hinreichend) ansprachen, keine in Studien geprüfte Therapieoption. Auch das hat sich seither geändert.
Mit der rezenten Einführung der IL-17 blockierenden Biologika (derzeit sind Secukinumab und Ixekizumab zugelassen) als Therapie der axialen Spondyloarthritis steht nicht nur ein neues Wirkprinzip, sondern auch eine Therapie für Patienten, die auf Anti-TNF-Antikörper nicht ansprechen, zur Verfügung.
Auch eine weitere 2008 nicht geklärte Frage scheint beantwortet: nämlich, ob der Einsatz von Biologika (damals gab es, wie beschrieben, nur TNF-Blocker) auch die Krankheitsprogression hemmt. Mehrere in den letzten Jahren erschienene Studien scheinen genau das zu belegen, und auch in den Studien mit den IL-17 hemmenden Biologika konnte das gezeigt werden.
Unser Verständnis, aber vor allem die Therapie jener Erkrankung, die wir vor 10 Jahren noch M. Bechterew nannten, hat sich revolutioniert. Der krankheitsmodifizierende Effekt – vor allem der Biologika – und die immer frühere Behandlung führten dazu, dass schwere invalidisierende Verläufe zumindest in unseren Breiten kaum noch vorkommen.
Für das nächste Jahrzehnt erwarte ich neue Therapieformen und vielleicht schon Heilungsansätze.