Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis und kann bis ins hohe Alter ein wichtiger Bestandteil der Lebensqualität sein. Die Dimensionen der Sexualität sind vielfältig und umfassen Fortpflanzung, Kommunikation, Beziehung und Lust. Die Bedeutung der einzelnen Dimensionen ist individuell unterschiedlich und ändert sich im Laufe des Lebens. In den Medien wird vor allem die Lustdimension der Sexualität gezeigt, und Sex- und Pornoindustrie sind heutzutage so öffentlich und zugänglich wie nie zuvor. Im Gegensatz dazu steht die Tatsache, dass die Lustlosigkeit mit einer geschätzten Prävalenz von 17 bis 55 % heute die häufigste Sexualfunktionsstörung ist.
In der aktuellen DSM-V-Klassifikation werden jetzt die „Störung des sexuellen Interesses“ und „Störung der sexuellen Erregung“ zusammengefasst. Die ursprüngliche Trennung in „Störung der sexuellen Lust“ und „Störung der sexuellen Erregung“ wurde aufgehoben, da sich gezeigt hat, dass sich diese beiden Bereiche bei der Frau schwer trennen lassen. Um allerdings von einer Sexualfunktionsstörung sprechen zu können, müssen folgende Kriterien erfüllt sein: eine Dauer der Beschwerden von mindestens 6 Monaten sowie eine persönliche Belastung durch die Symptome. Typischerweise zeigt sich ein Mangel oder Verlust von mindestens 3 der folgenden 6 Kategorien: Interesse an sexueller Aktivität; sexuelle und erotische Gedanken und Fantasien; sexuelle Erregung und Genuss bei sexueller Aktivität in allen/fast allen (> 3/4) sexuellen Begegnungen; sexuelles Verlangen bzw. Erregung als Antwort auf inneren oder äußeren sexuellen/erotischen Reiz; genitale und nicht genitale Empfindung während sexueller Aktivität bei allen oder fast allen (> 3/4) sexuellen Begegnungen.
Ungestörte Sexualität benötigt intakte körperliche Strukturen – das betrifft nicht nur das Genital, sondern auch das vaskuläre, muskuläre, hormonelle und nervale System (Abb. 1). Eine Vielzahl an Neurotransmittern und Hormonen beeinflussen das sexuelle Verlangen: Noradrenalin, Dopamin, NO, Oxytocin und Testosteron können die Libido verstärken, während z. B. Serotonin und Prolaktin einen gegenteiligen Effekt haben.
Eine umfassende Sexualanamnese ist unerlässlich, um eine Sexualfunktionsstörung richtig beurteilen und auslösende Faktoren erfassen und therapieren zu können. Die Liste der möglichen Ursachen ist vielseitig – meistens sind Störungen multifaktoriell bedingt. Gelungene Sexualität benötigt ein körperliches, psychisches und soziales Gleichgewicht, und Veränderungen in jedem dieser Bereiche können zu Störungen führen.
Auf der körperlichen Ebene können unter anderem folgenden Faktoren für Störungen verantwortlich sein: hormonelle Veränderungen in der Menopause, Deszensus, Harninkontinenz, Infektionen, operative Eingriffe im Becken, Diabetes, kardiovaskuläre oder neurologische Erkrankungen.
Psychische und soziale Faktoren: Psychologische Ursachen einer Sexualfunktionsstörung sind häufig Stresssituationen, aber auch Depression, Angststörung, Körperbild-Probleme oder Missbrauchsanamnese. Auch soziale Faktoren, wie zum Beispiel kulturelle und religiöse Konflikte, Partnerschaftsprobleme oder sexuelle Funktionsstörung des Partners sollten im Rahmen der Anamnese erfasst und berücksichtigt werden.
Häufig basieren Probleme auf falschem bzw. mangelndem Verständnis der weiblichen Sexualität. Ein erster wichtiger Schritt zur Therapie ist daher eine umfassende Aufklärung der Patientin bzw. des Paares über fördernde und hemmende Faktoren der weiblichen Erregung.
Im Rahmen des Beratungsgespräches sollten auch persönliche Therapieziele festgelegt und mögliche Therapieoptionen diskutiert werden.
Unterstützend kann in manchen Fällen eine medikamentöse Therapie sinnvoll sein. Primär sollte jedoch die Liste der bereits eingenommenen Medikamenten kritisch durchforscht werden und potenziell kontrasexuelle Medikamente, wie zum Beispiel Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI, umgestellt oder abgesetzt werden.
Hormone: Bei postmenopausalen Frauen kann eine lokale Östrogentherapie eine durch Vaginalatrophie bedingte Dyspareunie bessern und sich auch positiv auf die Libido auswirken. Bei klimakterischen Beschwerden kann vorübergehend auch eine systemische HRT eingesetzt werden.
Die transdermale Anwendung von Testosteron wird auch bei Frauen zur Behandlung von Libidostörungen bei Testosteronmangel angewandt – in Österreich ist dies derzeit jedoch nur „off label“ möglich. Die Dosierung sollte vorsichtig erfolgen, da Nebenwirkungen wie z. B. Hautunreinheiten und vermehrte Behaarung häufig sind.
Oxytocin, auch als „Kuschelhormon“ bekannt, ist ein weiterer Wirkstoff, dem weitreichende Auswirkungen auf die Sexualität nachgesagt werden. Das Hormon soll soziale Bindungen stärken, Selbstvertrauen fördern, Stress und Angst reduzieren und dadurch Sexualität verbessern. Eine doppelblinde randomisierte Studie hat diesen Effekt bestätigt – allerdings unterschied sich die Wirkung nicht von Placebo.
Phosphodiesterase-(PDE)-5-Hemmer, mit dem bekanntesten Vertreter Sildenafil (Viagra®) sind die am meisten verbreiteten Medikamente zur Behandlung von Erregungsstörungen. PDE-5-Hemmer bewirken einen verzögerten Abbau von cGMP und dadurch eine Dilatation der Gefäße. PDE-5-Hemmer bewirken auch bei Frauen eine vermehrten Durchblutung und Schwellung im Genitalbereich und können „off label“ zur Behandlung von Libidostörungen eingesetzt werden, sollte eine genitale Erregungsstörung die Ursache des Libidomangels sein. Studien und klinische Erfahrung zeigen aber, dass sich die verbesserte periphere Durchblutung nur wenig auf das subjektive Empfinden und die Zufriedenheit der Frau auswirkt.
Flibanserin: Es wurde daher von der Pharmaindustrie nach einer eigener „Lustpille für die Frau“ geforscht und Flibanserin (Addyi®) in den USA für diese Indikation zugelassen. Der zentrale Serotonin-Rezeptor-Modulator muss im Gegensatz zu den PDE-5-Hemmern täglich eingenommen werden und soll durch die Hemmung von Serotonin und Steigerung von Dopamin/Noradrenalin eine Besserung der Libido bewirken. Als Nebenwirkungen zeigen sich jedoch häufig Schwindel, Übelkeit, Erschöpfung und Kollapsneigung und der Nutzen des Medikamentes wird kontrovers beurteilt.
Damiana: Eine weitere und altbekannte Option ist die Arzneipflanze Damiana aus Familie der Passionsblumen, die in Südamerika seit langem als Aphrodisiakum verwendet wird. Der Wirkstoff ist in Österreich jetzt in Tablettenform (Damiana®) erhältlich und soll über eine Stabilisierung des Testosteronspiegels, eine verbesserte Durchblutung der Schwellkörper und durch eine anxiolytische Wirkung zur Verbesserung der Sexualität bei Frauen und Männern führen. Bisherige klinische Erfahrungen zeigen eine positive Wirkung bei guter Verträglichkeit – Daten von klinischen Studien sind derzeit noch ausständig.