Es gibt derzeit wohl keine andere Tumorerkrankung im Bereich der soliden Tumoren, bei der die Entwicklung so dynamisch und auch erfolgreich stattfindet wie beim Bronchialkarzinom. In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts waren bei den Kongressen die Sitzungen zum Bronchialkarzinom verwaist, einzelne Teilnehmer verirrten sich in die Hörsäle, um wieder einmal über eine negative prospektive randomisierte Studie zu erfahren. Andeutungsweise war bei der einen Kohorte die Ansprechrate besser, bei der anderen dafür das progressionsfreie Überleben. Die Landschaft der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten hat sich seither umfassend verändert und in diesem Sonderheft zum Bronchialkarzinom dürfen wir Ihnen diesen spannenden Bogen der Entwicklungen näherbringen. Persönlich ist es für mich eine ganz große Freude, dass eine sehr engagierte Gruppe von Ärztinnen und Ärzten der „nächsten Generation“ ihren wissenschaftlichen und klinischen Fokus mit viel Engagement auf diese Erkrankung gesetzt hat.
Dr. Kocher hat das Erbe von Univ.-Doz. Dr. M. Fiegl angetreten und das TYROL-Register übernommen und weiter ausgebaut. Über 2.200 Patienten wurden in diesem Register mit einer beeindruckenden Detailgenauigkeit eingepflegt. Zum einen können damit die eigenen Daten den internationalen Ergebnissen im Sinne einer Qualitätssicherung gegenübergestellt werden, zum anderen kann er auch belegen, dass die 1-Jahres-Überlebensrate für die gesamte Kohorte tatsächlich von 65 % auf 73 % und im Stadium IV von 40 % (1998–2002) auf 50 % (2013–2015) angestiegen ist. Dies ist ein Fortschritt, der bei den Patienten wirklich ankommt.
Dr. Hochmair entführt die Leserschaft in eine der großen Erfolgsgeschichten beim Bronchialkarzinom. Bei 5–7 % der NSCLC (nichtkleinzelliges Lungenkarzinom)-Patienten kann eine ALK-Translokation nachgewiesen werden. Seit der Erstzulassung von Crizotinib 2012 sind eine ganze Reihe „next generation drugs“ zugelassen worden, die zum einen eine verbesserte Wirksamkeit und zum anderen eine bessere Verträglichkeit aufweisen als Crizotinib. Wenn wir heute bei dieser Subgruppe ein medianes PFS (progressionsfreies Überleben) von 11 Monaten und ein medianes OS (Gesamtüberleben) von 35 Monaten erreichen, so konnte die Prognose dieser Patientengruppe innerhalb weniger Jahre um das Dreifache (!) verbessert werden.
Frau PD Dr. Absenger beschreibt in ihrer Arbeit den Entwicklungsstand beim EGFR-mutierten Subtyp des NSCLC. Die nächste Generation der Tyrosinkinasehemmer ist bereits in der klinischen Routine angekommen. Auch hier bestechen die neuen Medikamente mit einer besseren Wirksamkeit (PFS = 18,9 Monate!) und einer sehr guten Verträglichkeit. Immer mehr tritt jedoch die Frage in den Vordergrund, wie eine mögliche Resistenz verhindert oder überwunden werden kann.
Herr PD Dr. Pircher analysiert die aktuelle Bedeutung der antiangiogenen Therapiesäule. Hier zeigt sich in der aktuellen Studienlandschaft, dass die Kombination einer Anti-VEGF-Strategie mit einer Anti-PD-L1-Strategie einen vielversprechenden Synergismus aufweist.
Im letzten Beitrag von Fr. Dr. Petricevic wird über die fulminante Entwicklung der Checkpoint-Inhibitoren berichtet, die Etablierung in der zweiten Behandlungslinie als Monotherapie, die rezenten Entwicklungen in der ersten Behandlungslinie meist in Kombination mit Chemotherapie und zuletzt auch über den Einsatz bei früheren Stadien. Wir erreichen damit ein medianes OS von bis zu 30 Monaten.
Die Entwicklung hat ein unglaubliches Tempo angenommen, die Leitlinien müssen alle sechs Monate adaptiert werden. Meine persönliche Hoffnung liegt darin, dass zukünftige Therapien immer besser verträglich werden und Patienten möglichst ambulant behandelt werden können. Erste Ansätze mit der Implementierung von spezifischen Vakzinen in Verbindung mit Checkpoint-Inhibitoren werden bereits in Studien evaluiert.