Foto: Brandenstein Communications/Martin Steiger
Medizinern steht nicht nur eine Karriere in der Klinik oder in Praxen offen, sondern ebenso in der universitären und industriellen Forschung. Das Wiener Biotech-Unternehmen Apeiron ist im Bereich der Krebsimmuntherapie führend und erhielt kürzlich EU-Förderungen.
Redaktion: Sophie Niedenzu
Während manche Mediziner mit Stethoskop, OPs und Krankenakten zu tun haben, widmen sich andere der Forschung. Wer den Klinikalltag mit dem Labor tauscht, dem bieten sich mehrere Möglichkeiten: Neben der universitären Forschung können Mediziner auch in der Biotechnologie-Branche Fuß fassen. Diese spielt nämlich in der Medikamentenentwicklung eine wesentliche Rolle und gilt als Vorreiter für neue, ausgefallene und moderne Therapieansätze. Während in der universitären Forschung an jenen Ergebnissen weitergeforscht wird, die interessant sind und neue Fragen aufwerfen, ist industrielle Forschung immer sehr zielgerichtet, anwendungsorientiert und von Erfolgsdruck geprägt. Letzen Endes steht die Zukunft des Unternehmens am Spiel, mit der Frage, ob ein Produkt kommerziell verwertbar ist. Denn das typische Geschäftsmodell in der Biotechnologie ist hochriskant: „Die Biotechnologie ist in der Medikamentenentwicklung zum Risikoträger geworden“, sagt Hans Loibner, Geschäftsführer des kleinen Biotech-Betriebs „Apeiron Biologics AG“. Bei Erfolg werden Projekte an Pharmafirmen auslizenziert – bei Misserfolgen hingegen müssen Biotech-Firmen im schlimmsten Fall ihre Pforten schließen.
Die Firma Apeiron jedenfalls ist im Bereich der Krebsforschung erfolgreich: Das 2005 vom Molekularbiologen Josef Penninger gegründete Biotech-Unternehmen hat sich auf die Krebsimmuntherapie spezialisiert, bei der verschiedene Forschungsansätze darauf abzielen, körpereigene Abwehrzellen gegen Krebs scharf zu machen. Die Krebsimmuntherapie hat sich in den vergangenen Jahren nicht zuletzt mit den Checkpoint-Inhibitoren erfolgreich etabliert und wird intensiv erforscht. Apeiron konzentriert sich in der Krebsforschung nicht nur auf eine Technologie, sondern ist breit aufgestellt und arbeitet an verschiedenen immunonkologischen Ansätzen, beispielsweise mit Antikörpern, zellulären Therapien und niedermolekularen chemischen Substanzen in Form einer „Pille am Nachtkastl“, wie Loibner erzählt.
Vergangenes Jahr erhielt die Firma die EU-weite Zulassung für einen Antikörper zur Behandlung von Neuroblastom, einem Tumor im Nervensystem, der vor allem bei Kindern auftritt. Die neue Therapie wurde in Kooperation mit Forschern am St. Anna Kinderspital entwickelt. Derzeit läuft eine klinische Studie in den USA, in der Patienten mit Pankreas- und Kolonkarzinom körpereigene Immunzellen entnommen, maßgeschneidert modifiziert und unmittelbar wieder zugeführt werden. Diese zelluläre Therapie zeige kaum Nebenwirkungen, erzählt Loibner: „Wir therapieren nicht Krebs, sondern das Immunsystem“. Bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen sei es das Ziel, die Tumorzellen soweit zu kontrollieren, dass die Krankheit bei guter Lebensqualität nicht mehr tödlich ist, sondern chronisch wird. Demnächst soll in den USA und in Europa dieser Ansatz in einer Phase-II-Studie getestet werden.
Der Weg vom Therapieansatz bis zur Produktzulassung ist langwierig und hängt auch von den Patienten ab, die sich an klinischen Studien beteiligten. „Unserer Erfahrung nach nehmen Krebspatienten aktuelle Entwicklungen begeistert auf und es ist eines ihrer Anliegen, dass Krebsforschung präsent ist und in die Klinik gebracht wird“, sagt der Präsident der Österreichischen Krebshilfe Wien, Dr. Michael Micksche. Gerade in der Immuntherapie sei der Zulauf für die Teilnahme an klinischen Studien groß.
Die Erfolge in der Krebsforschung spiegeln sich auch in den Zahlen wider: Insgesamt ist das Fünfjahresüberleben bei Krebserkrankungen von 48 Prozent auf 61 Prozent gestiegen – bei steigender Prävalenz: Während 2001 noch 200.000 Personen in Österreich mit der Diagnose Krebs lebten, waren es 2015 bereits 340.840, davon 39.906 Neuerkrankungen. Die häufigsten Neuerkrankungen waren 2015 Mammakarzinom und Prostatakarzinom, gefolgt von Bronchialkarzinom und Kolonkarzinom. Die geringste Überlebensrate verzeichnet das Pankreaskarzinom – fünf Jahre nach der Diagnose leben noch 9,3 Prozent der Patienten.
Eine Finanzierung der Krebsforschung in der Biotechnologie ist ohne Förderungen jedoch nicht möglich. Um die Forschung in der Immuntherapie rasch voranzutreiben, wird Apeiron nun von der EU unterstützt und erhält ein Darlehen von 25 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI). Mit dieser Förderung will Loibner die Laborausstattung verbessern und neue Mitarbeiter einstellen. Neben Apeiron werden weitere Großprojekte in Österreich aus den Mitteln des Fonds unterstützt. (Sophie Niedenzu, 7.2.2018)