Gesundheitselixier Schlaf

Der Mensch verschläft rund ein Drittel seiner gesamten Lebenszeit. Angesichts der vielen wis-senschaftlichen Erkenntnisse zum Schlaf ist das gut investierte Zeit. Schlaf hilft beim Lernen und Erinnern, verbessert die motorischen Fähigkeiten, sorgt für körperliche Erholung und wird von Forschern als eine Art Aufräumprozess gesehen. Einigen Untersuchungsergebnissen zufolge wird das Gehirn von Stoffwechselprodukten entgiftet. Allerdings dürfte weit mehr als das geschehen: Schlaf hat offenbar eine grundlegende und essenzielle Funktion in der Informationsverarbeitung.1
Das National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI), eines der Institute der amerikanischen National Institutes of Health (NIH), sieht Schlaf als einen der Schlüssel zur Gesundheit. Schlafmangel oder unbehandelte Schlafstörungen würden sich vielfältig auswirken. Das Institut nennt Herzerkrankungen, Bluthochdruck, eine Erhöhung des Diabetesrisikos und eine Erhöhung des Risikos für Übergewicht als mögliche langfristige Folgen. Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass eine regelmäßige Schlafdauer von sieben bis acht Stunden ein deutlich geringeres Risiko für Übergewicht und Bluthochdruck darstellt, verglichen mit kürzeren Schlafenszeiten. Gewarnt wird auch vor unbehandelter Schlafapnoe. Diese erhöht das Risiko für eine atriale Fibrose, Bluthochdruck und Schwangerschafts­diabetes.2

Als Zentrum des Schlafes wurde der Thalamus, der größte Teil des Zwischenhirns, identifiziert. Im Jahr 2018 publizierten Forscher der Universitätsklinik für Neurologie des Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern, dass Nervenzellen im Thalamus das Einschlafen und das Aufwachen steuern. In Versuchen mit Mäusen wurden Lichtimpulse zur gezielten Steuerung der thalamischen Nervenzellen eingesetzt. Lang andauernde Impulse führten zum Aufwachen, langsame, rhythmische Impulse zu einem tiefen, erholsamen Schlaf. Damit wurde zum ersten Mal eine Hirnregion bestimmt, die sowohl für den Schlaf als auch für das Aufwachen verantwortlich ist. Man erhofft sich aus diesen Ergebnissen zum Schlaf-Wach-Zyklus die Entwicklung neuer Schlaftherapien. Sie sind auch deshalb wichtig, weil die Bevölkerung in der westlichen Welt um 1–2 Stunden weniger schläft als vor 50 Jahren, wie viele Schlafforscher meinen.3 Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

 

Schlafstadien im Überblick

Im Schlaf treten 4–6 Schlafzyklen auf. Sie verlaufen vom Schlafstadium N1 über N2 und N3 zum REM-Schlaf (Traumschlaf), danach beginnt ein neuer Zyklus. Innerhalb der ersten Nachthälfte überwiegt der Tiefschlaf, in der zweiten Hälfte der REM-Schlaf.

  • Stadium 1 (N1): Einschlafphase. N1 ist ein sehr leichter Schlaf; im EEG treten langsamere Wellen auf (Theta-Wellen im Bereich zwischen 2 und 7 Hertz).
  • Stadium 2 (N2): Leichtschlaf. Der Mensch verbringt rund die Hälfte des Schlafes in dieser Phase, die durch einen geringen Anteil von langsamen Delta-Wellen (0,5 bis 2 Hertz) und einem hohen Anteil von Schlafspindeln (Muster, die wie Wollspindeln aussehen) und K-Komplexen (Wellen mit hoher Amplitude) im EEG gekennzeichnet ist.
  • Stadium 3 (N3): Tiefschlaf. Hier zeigen sich hauptsächlich Slow Oscillations.
  • REM-Schlaf (Rapid Eye Movement)/paradoxer Schlaf: wird auch als Traumschlaf bezeichnet. Die Gehirnaktivität ist hoch, die Muskelaktivität gering – damit ist sichergestellt, dass Träume nicht ausagiert werden können.

 

Kundentipps für besseren Schlaf

Die Arbeitsgruppe Schlaf-, Kognitions- und Bewusstseins­forschung an der Universität Salzburg hat einige Verhaltensempfehlungen für einen guten Schlaf erstellt. Diese sind:

  • Erst schlafen gehen, wenn man sich wirklich müde fühlt – das Bett darf nicht zum Grübeln benutzt werden.
  • Erst aufstehen, wenn man länger nicht einschlafen kann.
  • möglichst regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus
  • bei nächtlichen Schlafproblemen den Mittagsschlaf ­vermeiden
  • keine Tätigkeiten wie Fernsehen, Tablet- oder Smartphone-Nutzung im Bett
  • schweres Essen abends meiden, Alkohol möglichst meiden
  • kein Nikotin in den Abendstunden
  • sportliche Betätigungen nicht zu kurz vor der Nachtruhe durchführen
  • Schlafarchitektur: kühler Raum, keine Licht- und ­Lärmquellen
  • Zusätzlich werden bei Ein- und Durchschlafproblemen körperliche und gedankliche Ent-spannungstechniken empfohlen.

Oft nachgefragt von Menschen mit Schlafproblemen werden pflanzliche Mittel. Diese genießen aufgrund ihres günstigen Nebenwirkungsprofils und ihrer guten Langzeitverträglichkeit eine hohe Compliance. Pflanzliche Schlafmedikamente erhöhen die Schlafbereitschaft, senken die Einschlaflatenz, vermindern nächtliche Wachphasen und stellten in Studien die physiologische Schlafarchitektur mit den essenziell wichtigen REM- und Tiefschlafphasen wieder her.4

Trotz vieler Erkenntnisse ist der Schlafvorgang immer noch ein kleines Rätsel. Große Fortschritte machten allerdings 2017 Wissenschafter des Forschungsinstitutes für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien. Sie ermittelten, wie das Gehirn in den Schlaf verfällt. Offenbar ist Schlaf bei Müdigkeit ein Grundzustand des Gehirns, auf den es zusteuert, wenn starke äußere Reize fehlen. Für ihre Schlafstudien wählten die Forscher den Fadenwurm C. elegans, dessen Nervensystem nur 302 Zellen umfasst. Damit ist es klein genug, damit man die Aktivität sämtlicher Gehirnzellen in Echtzeit messen kann. In Experimenten ließ man die Tiere zwischen Schlafen und Wachen wechseln. Es zeigte sich, dass ein großer Teil der Zellen, die beim wachen Tier sehr aktiv sind, im Schlaf ruhen. Einige Zelltypen sind aber davon ausgenommen, etwa die RIS-Zelle. Sie ist bei wachen Tieren besonders aktiv, wenn die Schlafneigung hoch ist. Damit ist sie ein Maß für die Müdigkeit des Gehirns und ein Taktgeber für den Schlafdruck.5

Psychologische Ansätze

Instruktionen zur Stimuluskontrolle (nur schläfrig zu Bett gehen, regelmäßige Schlafenszeiten etc.) haben den Hintergrund, dass bei Menschen mit chronischen Schlafproblemen oft bereits eine Kopplung zwischen der Schlafumgebung und Wachheit im Sinne einer klassischen Konditionierung vorhanden ist. Ziel einer Stimuluskontrolle ist es, diese Koppelung aufzugeben. Die Schlafumgebung soll im Idealfall wieder mit Entspannung und Schlaf gekoppelt sein. Eine weitere psychologische Maßnahme ist die sogenannte Bettzeitrestriktion: Bestimmung der subjektiv erlebten Schlafenszeit mittels 14-tägigem Schlaftagebuch, Setzen der Bettzeit auf die durchschnittliche Schlafzeit laut Tagebuch (jedoch niemals kürzer als fünf Stunden), Evaluation der Maßnahme nach sieben Tagen – ist die Schlafeffizienz über 85 %, kann um 30 Minuten ausgedehnt werden. Grundidee ist eine Verkürzung der nächtlichen Bettzeit und ein Verzicht auf Tagschlaf zur Erhöhung des Schlafdrucks. Darüber hinaus wird es möglich, den Tiefschlafanteil zu erhöhen und das Ein- und Durchschlafen zu verbessern.6

Kognitive Interventionen dienen in der Behandlung von Insomnien vor allem dem Durchbrechen nächtlicher Grübelschleifen. Zur Linderung des Grübelns hat sich die Technik des „Gedankenstuhls“ als hilfreich erwiesen. Dabei sollen sich die Betroffenen einige Stunden vor dem Zubettgehen circa 15 bis 20 Minuten Zeit nehmen, um gezielt über Themen nachzudenken, die klassischerweise in Form von Grübeln beim Versuch einzuschlafen auftreten.6

 

Quelle: Universität Salzburg, Arbeitsgruppe Schlaf-, Kognitions- und Bewusstseinsforschung

 

Literatur:

1 Harvard Medical School: Sleep, Learning, and Memory

2 National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI): Sleep Science and Sleep Disorders

3 Youngstedt SD, Goff EE, Reynolds AM et al., Has Adult Sleep Duration Declined Over the Last 50+ Years? Sleep Med Rev 2016; 28:69–85

4 Invernizzi C, Phytotherapie bei Schlafstörungen. Psychiatrie & Neurologie 2/2011

5 Nichols ALA et al., A global brain state underlies C. elegans sleep behavior. Science 2017; 356(6344); DOI: 10.1126/science.aam6851

6 Riemann D, Baum E, Cohrs S et al., S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen. AWMF-Registernummer 063-003, Update 2016