Österreichs Gesundheitswesen müsse aufpassen, dass man international nicht den Anschluss bei der Einführung neuer Therapien verliert, sagt Ingo Raimon im RELATUS-Interview. Raimon ist Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen lndustrie in Österreich (FOPI).
Welche gesundheitspolitische Bilanz ziehen Sie für 2019? Wo gab es Fortschritte, wo Rückschritte und welche Dinge sind liegen geblieben? Es war ein sehr herausforderndes Jahr für unsere Mitgliedsunternehmen. Die Lage für viele Unternehmen ist nicht rosig – zugegeben auch nicht für andere Systempartner wie die Apotheken und den Großhandel. Für die forschenden Unternehmen ist es aber auch gelungen, einen guten Schritt weiter zu kommen in Richtung Kostenwahrheit und ein gemeinsames Verständnis zu bekommen, dass dies der am geringsten wachsende Bereich der vergangenen Jahre ist. Ein Erfolg war auch der gemeinsame Pharma Forecast 2023 zusammen mit dem Apothekerverband, der Pharmig und der Wirtschaftskammer. Das vom FOPI ursprünglich entwickelte Ziel unter Beteiligung der anderen Verbände war, eine gemeinsame Basis und ein gemeinsames Verständnis für die Kostenentwicklung zu schaffen. Dieser Pharma Forecast war ein Schritt hin zu einem gemeinsamen Monitoring der Wachstumsraten mit anderen Stakeholdern und der Sozialversicherung.
Welche Erwartungen und welche Forderungen haben Sie an die künftige Regierung? Da könnte man viel benennen. Wir wären keine gute Interessensvertretung, wenn wir nicht viele Forderungen hätten. Wichtig ist uns ein guter Zugang von innovativen Entwicklungen am aktuellen Stand der Wissenschaft zum Gesundheitswesen. Diese Forderung ist auch eng verbunden mit jener nach einer entsprechend objektiven Bewertung. Vergleichspräparate müssen ökonomisch relevant sein und nicht ein Produkt, das ein Rand- und Schattendasein führt. Hier braucht es eine Bereitschaft auf Aktualität einzugehen. Unsere Mitgliedfirmen bringen oft kurz hintereinander innovative Produkte auf den Markt. Die Frage ist dann, ob neue Arzneimittel in Österreich frühzeitig angeboten werden, oder eben erst sehr spät oder gar nicht.
Ist das eine Forderung nach höheren Preisen? Zuletzt gab es ja in einigen Bereichen Rekordniveaus für neue Therapien. Dem widerspreche ich. Hohe Preise gelten ja nicht für alle Präparate. Es gibt viele Produkte, wo sich zeigt, dass die Therapie besser ist, als der bestehende Goldstandard und gleichzeitig günstiger als die bestehende Therapie. Wir stehen in vielen Märkten an der Kippe und laufen Gefahr, dass Produkte nicht früh nach Österreich kommen, weil das Preisniveau so niedrig ist. In vielen Bereichen ist es deshalb höchst attraktiv, dass Präparate aus Österreich exportiert werden. Es ist also entscheidend, dass man adäquate Preisniveaus hat.
Was sollte Ihrer Meinung nach auf jeden Fall politisch umgesetzt werden? Eine verpflichtende Meldung von Arzneimittelexporten würde die Liefersituation deutlich entspannen. Transparenz hilft hier ungemein. Bei gutem Willen aller Beteiligten sollte es gelingen, die Versorgungssicherheit wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht dorthin kommen, dass sich das was lange für Österreich gesprochen hat, nämlich dass Innovationen frühzeitig zur Verfügung gestellt werden konnten, verändert und es immer schwieriger wird mit Präparaten in die Kassenerstattung zu kommen. Es ist immens wichtig, dass verstanden wird, dass Österreich als Standort für klinische Studien wichtig ist. Das ist auch eine positive Reputation für den Standort.
Das Interview führte Martin Rümmele