Die Neurodermitis ist die häufigste chronische Hautkrankheit des frühen Kindes- und Jugendalters mit einer Inzidenz von 10 bis über 20 %, je nach geografischer Lage und Genauigkeit epidemiologischer Studien. Heute ist auch bei Erwachsenen eine Zunahme der Prävalenz der Neurodermitis mit bis zu 10 % festzustellen. Dabei sind es bei Erwachsenen meist nicht seit der Kindheit bestehende Ekzeme, sondern Rezidive nach Phasen jahrelanger Symptomfreiheit, was sich mit einer gezielten Anamnese gut nachvollziehen lässt.
Die Ausprägung der Neurodermitis ist je nach Lebensalter unterschiedlich. Bei Kindern überwiegen mildere und moderate, bei Erwachsenen chronische und therapierefraktäre Verlaufsformen. Bei 50–80 % der Betroffenen kommt es im Lauf des Lebens zu einer IgE-vermittelten Sensibilisierung, mit Symptomen einer allergischen Rhinokonjunktivitis, eines allergischen Asthmas oder einer Lebensmittelallergie.
Hervorstechende Merkmale von Neurodermitis-Patienten sind trockene Haut und Hyperlinearität an Handflächen und Fußsohlen wie bei Ichthyosis vulgaris. Das Protein Filaggrin spielt eine Schlüsselrolle bei der Erhaltung einer intakten Hautbarriere. Es bildet die Grundlage des „natural moisturizing factor“ der Epidermis und verhindert einen gesteigerten transepidermalen Wasserverlust. 10 % der Europäer sind Träger eines heterozygoten Filaggrindefektes, mit einem hohen Risiko für die Entwicklung einer Neurodermitis, einer Rhinokonjunktivitis, eines allergischen Asthmas, einer Nahrungsmittelallergie (zum Beispiel Erdnussallergie) und einer allergischen Kontaktdermatitis. Über 40 % der Träger der Mutation haben eine atopische Dermatitis, wobei genetische Varianten und Anzahl der Genkopien den Schweregrad der Erkrankung beeinflussen. Weitere genetisch bedingte Veränderungen betreffen andere Barriereproteine und -lipide, führen ebenfalls zu einem erhöhten transepidermalen Wasserverlust und begünstigen die Entstehung der Neurodermitis.
Neben der physikalischen Barrierefunktion erfüllt die Epidermis auch eine mikrobielle Barrierefunktion mittels sogenannter „Defensine“, antimikrobielle Peptide und Lipide wie β-Defensine, Cathelicidine, Psoriasin, RNasen und Protease-Inhibitoren. Diese fehlen bei Neurodermitis-Patienten oder sind nur in ungenügender Menge vorhanden, wodurch eine Besiedelung der Haut vor allem mit Staphylococcus aureus oder Malassezia furfur begünstigt wird. Die Identifizierung des menschlichen Mikrobioms in verschiedenen Körperregionen und dessen Veränderungen bei Erkrankung haben wesentlich zum Wissen um Triggerfaktoren und opportunistische Infektionen bei Neurodermitis beigetragen.
Die Neurodermitis ist zwar bis jetzt nicht heilbar, aber wir können heute ein erfolgreiches Krankheitsmanagement betreiben. Dazu gehört, dass Symptome von Krankheitsschüben früh erkannt und behandelt werden, durch konsequente blande Pflege und Lokaltherapie der mitunter quälende Juckreiz gelindert oder sogar unterdrückt wird und Rezidive mittels der „proaktiven Therapie“ mit Calcineurininhibitoren reduziert oder verhindert werden. Inhalt internationaler Guidelines wie der 2016 publizierten „S2k-Leitlinie Neurodermitis“ (Werfel T, J Dtsch Dermatol Ges 2016) und der neueren „Consensus-based EU guidelines for treatment of atopic eczema (atopic dermatitis) in adults and children: part I & part II“ (Wollenberg A et al., JEADV 2018) ist ein mehrstufiges Therapieregime, basierend auf (1) Wiederherstellung der Hautbarriere mit blanden fettreichen Pflegeprodukten (Emollienzien), (2) Vermeidung individueller Triggerfaktoren und (3) antiinflammatorische Lokaltherapie mit Kortikosteroiden und Calcineurininhibitoren. In schweren, therapierefraktären Fällen stehen zusätzlich Phototherapie und systemische Immunsuppressiva sowie Biologika zur Verfügung.
Die Trockenheit der Haut und die wissenschaftlich belegte zentrale Rolle der Fehlfunktion der Epidermis bei der Neurodermitis unterstreichen die Notwendigkeit, die Hautbarriere wiederherzustellen. Indifferente Basispflege mit häufig und reichlich angewendeten Emollienzien, die die Haut „weich machen“ und den gesteigerten transepidermalen Wasserverlust hemmen, ist daher die erste tragende Säule der Therapie. Befeuchtende Zusätze wie Harnstoff (nicht bei Kindern), Glycerin und Milchsäure können zusätzlich Feuchtigkeit in der Epidermis binden. Noch ist unklar, ob die in neueren Produkten enthaltenen Ceramide und essenziellen Fettsäuren traditionellen Zusätzen überlegen sind.
Bei nässenden Ekzemen werden gerne Antiseptika oder Antibiotika als Zusätze verwendet; es gibt allerdings keinen Beweis, dass dadurch generell die Wirksamkeit verbessert wird. Entscheidend ist die phasengerechte Zusammensetzung der Pflegeprodukte. Cremen mit mittlerem Fettgehalt sind für größere Flächen und subakute Stadien, lipidreiche Salben für trockene, lichenifizierte Stellen und Lotionen mit einem hohen Wasseranteil zum Kühlen akut entzündlicher, nässender Ekzeme am besten geeignet. Sämtliche Emollienzien sollten zweimal täglich verwendet werden, vor allem unmittelbar nach dem Baden oder Duschen. Der Stellenwert von Badezusätzen ist unklar, sie sollten jedenfalls pH-neutral sein oder einen niedrigen pH-Wert haben sowie seifen- und duftstofffrei sein.
Topische Kortikosteroide sind die antiinflammatorische Therapie der ersten Wahl, deren Effizienz durch randomisierte kontrollierte Studien vielfach belegt wurde. In Europa unterscheiden wir generell 4 Stärkeklassen der Kortikosteroide, wobei im Gesicht, in den Beugen und vor allem bei Kindern – mit Ausnahme von Kurzzeittherapien – niedrigpotente zu bevorzugen sind. Ein entscheidender Faktor ist dabei der „therapeutische Index“, der die optimale Wirksamkeit bei minimaler Nebenwirkungsrate anzeigt und idealerweise 1 beträgt, wie für Methylprednisolonaceponat und Mometasonfuroat. Im Gegensatz zu älteren Kortikosteroiden müssen Letztere nur einmal täglich appliziert werden. Um die Wirksamkeit bei akuten Schüben und bei besonders hartnäckigen, juckenden Läsionen zu steigern, können diese in Form von Feuchtverbänden, den „wet wraps“, am besten über Nacht appliziert werden.
Die Calcineurininhibitoren Tacrolimus und Pimecrolimus werden prinzipiell als Zweitlinientherapie bei Kurzzeit- und intermittierender Behandlung eingesetzt. Randomisierte kontrollierte Studien, die in systematischen Übersichtsarbeiten zusammengefasst sind, haben sowohl ihre gute Wirksamkeit als auch Sicherheit belegt. Tacrolimus ist mit mittelstarken Kortikosteroiden vergleichbar, Pimecrolimus mit schwächeren Kortikosteroiden.
Bedauerlicherweise wurde für die topischen Calcineurininhibitoren aufgrund des theoretischen Risikos der Tumorentstehung eine Black-Box-Warnung durch die amerikanische Gesundheitsbehörde herausgegeben, für die es zwar bis heute keine wissenschaftliche Evidenz gibt, die aber immer noch als „dunkler Schatten“ über der Therapie hängt.
Eine wichtige Frage ist die Reihenfolge des Auftragens. Derzeit gilt, zunächst Emollienzien und nach einer Stunde Kortikosteroide oder Calcineurininhibitoren aufzutragen beziehungsweise zu einer anderen Tageszeit, um eine Verdünnung oder eine weitere Verteilung zu verhindern. Im Anschluss an die Behandlung akuter Ekzeme hat sich für jene Körperstellen, an denen es gehäuft zu Rezidiven kommt, die „proaktive Therapie“ mit Calcineurininhibitoren oder Kortikosteroiden entweder zweimal wöchentlich oder als „Wochenende-Stoßtherapie“ bewährt.
Bei Versagen der Lokaltherapie steht als nächste Stufe die Phototherapie zur Verfügung, wobei sich in randomisierten kontrollierten Studien die UVB-Schmalbandtherapie und die mittelhochdosierte UVA1-Therapie als am wirksamsten erwiesen haben. Unter Berücksichtigung des kumulativen karzinogenen Risikos sollte die Phototherapie nicht mit topischen oder systemischen Calcineurininhibitoren kombiniert und bei Kindern nur bei strenger Indikationsstellung angewendet werden.
Die nächste Stufe bilden systemische Immunsuppressiva wie Cyclosporin A, das für die Kurzzeittherapie der schweren, therapierefraktären Neurodermitis ab 18 Jahren zugelassen ist, oder Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil oder Methotrexat, Letztere aber „off label“.
Systemische Kortikosteroide haben ein schlechtes Nutzen-Risiko-Profil und sollten daher nicht verwendet werden.
Systemische Antibiotika sind bei Zeichen von Superinfektion und bei schweren Krankheitsschüben indiziert, bei denen die physiologische bakterielle Besiedelung einer Kolonisation mit S. aureus gewichen ist.
Weitere systemische Therapien inkludieren Aciclovir bei Eczema herpeticatum und Azol-Antimykotika über ein bis zwei Monate für die „head-neck-shoulder dermatitis“ durch M. furfur.
Orale H1-Antihistaminika haben sich als nicht allzu wirksam erwiesen und werden für Kinder von den pädiatrischen Fachgesellschaften nicht (mehr) empfohlen.
Während für Nahrungsergänzungsmittel, Probiotika und Ähnliches derzeit keine Evidenz für deren Wirksamkeit besteht, wurde für mit Silber imprägnierte Kleidung ein Benefit gezeigt.
Mittlerweile wurde mit dem monoklonalen Antikörper Dupilumab, der gegen den IL-4-Rezeptor gerichtet ist, das erste Biologikum zur Behandlung der Neurodermitis ab 12 Jahren zugelassen. In den randomisierten kontrollierten Studien konnte eine deutliche Verbesserung des Ekzem-Scores und des Juckreizes gezeigt werden. Crisaborol, ein Phosphodiesterase-4-(PDE-4-)Antagonist, ist zwar in Europa noch nicht erhältlich, wurde aber für die Lokaltherapie in den USA bereits zugelassen und dürfte in der Wirksamkeit mit Pimecrolimus vergleichbar sein.
Auch wenn es derzeit – noch – keine erfolgreiche Primärprävention gibt, sind Vermeidung von Triggerfaktoren wie starkes Schwitzen, Vermeidung von Allergenen, gegebenenfalls Immunmodulation, vor allem aber eine konsequente tägliche Basispflege die besten Strategien. Studien haben belegt, dass eine tägliche Anwendung von Emollienzien von Geburt an das Risiko für die Entwicklung einer atopischen Entzündung um bis zu 50 % senkt. In diesem Zusammenhang kann die strukturierte Information in Form von Patientenschulungen einen entscheidenden Beitrag leisten und sollte in breitem Umfang angeboten werden.
Bedauerlicherweise sind Therapieversager nach wie vor häufig, vor allem durch die unzureichende Adhärenz zur Lokaltherapie, genährt durch irrationale Ängste vor potenten Nebenwirkungen topischer Kortikosteroide, durch unbequeme und nicht den individuellen Bedürfnissen des Patienten angepasste Therapieregimes, aber auch durch unzureichende Information und Aufklärung. Es kostet viel Zeit, Patienten mit Neurodermitis beziehungsweise Eltern von betroffenen Kindern über Krankheitsmechanismen und Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Die Zeit ist jedoch gut investiert, erspart sie doch mittelfristig den Betroffenen viele Irrwege und Zeit und verbessert die durch die Krankheit stark beeinträchtigte Lebensqualität. Strukturierte Trainingsprogramme wie die Neurodermitis-Schulung nach dem Curriculum der deutschen AGNES (Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung) sind dabei sehr hilfreich. Neben medizinischen Informationen enthalten sie ein breites Spektrum an Lern- und interventionellen Möglichkeiten wie verhaltenstherapeutische Maßnahmen.
Neurodermitis auf einen Blick