Harnwegsinfekte sind mitunter die häufigsten bakteriellen Erkrankungen des menschlichen Körpers1 und zählen zu den häufigsten Gründen, weswegen ärztlicher Rat gesucht wird. Wie häufig genau lässt sich nur schwer erheben, da Betroffene nicht in jedem Fall medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Versicherungsdaten einer deutschen regionalen Krankenkasse zeigen, dass pro Jahr bei circa 9 % aller Frauen die Diagnose einer akuten Harnwegsinfektion gestellt wird.2
Durch die anatomische Nähe der Urethra und des Anus treten bei Frauen wesentlich häufiger Keime in die Blase über als bei Männern. Auch physiologische hormonelle Veränderungen im Alter begünstigen das Auftreten von Infektionen, weswegen die Häufigkeit nach der Menopause kontinuierlich ansteigt. Die höchste Prävalenz findet sich bei Patientinnen über 80 Jahre.
Als Risikofaktoren sind bekannt: zeitliche Nähe zu Geschlechtsverkehr, Gebrauch von Spermiziden oder Diaphragmen, junges Alter bei erstem Auftreten (< 15 Jahre) oder vorangegangene Harnwegsinfekte.3
Durch ihre Häufigkeit verursachen sie auch hohe Kosten für das Gesundheitssystem – so wurde zum Beispiel bei rund 60 % aller Patientinnen, welche aufgrund eines Harnwegsinfektes eine ärztliche Praxis aufsuchten, ein Antibiotikum verschrieben.2
Der teilweise unkritische Einsatz von Antibiotika in allen Fachgebieten bringt zu nehmend multiresistente Erreger hervor. Im Keimspektrum unkomplizierter Harnwegsinfekte finden sich zu circa 75 % Escherichia coli, gefolgt von weiteren gramnegativen Keimen.4
Daher ist E.coli auch der Indikatorkeim, an dessen Resistenzraten die Empfehlungen für empirische Antibiose festgemacht werden. Aus multinationalen Resistenzmonitoring-Programmen wissen wir um Unterschiede im Keim- und Resistenzspektrum, auch bei kleinen geografischen Differenzen. Österreich liegt hier bei den meisten Substanzen im guten Mittelfeld, wenngleich auch steigende Resistenzraten beobachtet werden.
Harnwegsinfekte führen meist zu einer charakteristischen Symptomatik mit (unter anderem) Pollakisurie, Algurie und imperativem Harndrang.
Harnstreifentest: Wird allein die Klinik als Basis für die Diagnose herangezogen, kommt es jedoch zu einer Fehlerquote von bis zu einem Drittel. Wenn aber zusätzlich ein Harnstreifentest durchgeführt wird und sich darin die Leukozytenesterase und/oder Nitrit positiv zeigen, steigt die Diagnosequalität deutlich.3 Die verlässlichsten Ergebnisse liefert hier der erste Morgenharn; ist dieser nicht verfügbar, sollte idealerweise vier Stunden zwischen Harngewinnung und letzter Miktion liegen. Dies gilt auch für die Harnkultur, welche den Goldstandard der Harnwegsinfekt-Diagnostik darstellt.
Wann soll also eine Harnkultur angelegt werden? Prinzipiell lohnt sich die Anlage einer Harnkultur vor Beginn jeder Therapie, da in Zeiten steigender Resistenzraten die empirische Therapie immer weniger treffsicher wird. Die routinemäßige Anlage einer Harnkultur bei allen Patienten ist ökonomisch natürlich nicht sinnvoll.5 Mit Ausnahme von Patienten mit Risikofaktoren (Männer, Schwangerschaft, Blasenentleerungsstörungen, Immunsuppression, nach komplizierten Infektionen) sollte eine Harnkultur also nur bei komplizierten Infekten und symptomatischen Patienten angelegt werden.
Stichwort „kompliziert“: Ein Harnwegsinfekt gilt nur dann als unkompliziert, wenn im Harntrakt keine relevanten Anomalien, keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine potenziell komplikativen Vor- beziehungsweise Begleiterkrankungen vorliegen – grob vereinfacht also bei gesunden Frauen ohne Symptomatik im oberen Harntrakt.
Harnwegsinfekte beim Mann sind eine seltene Problematik, und entsprechend wenige evidenzbasierte Empfehlungen findet man dazu in der Literatur. Sie treten selten ohne Beteiligung der Prostata auf, weswegen eine rektale Untersuchung zum Ausschluss einer Prostatitis empfohlen wird. Auf jeden Fall sollte eine Harnkultur angelegt werden. Da sich die Beschwerden oft mit jenen einer Urethritis überschneiden, sollten bei gegebenem Verdacht auch sexuell übertragbare Infektionen (zum Beispiel Gonokokken, Chlamydien) ausgeschlossen werden.
Von rezidivierenden Harnwegsinfekten spricht man, wenn mehr als zwei symptomatische Episoden innerhalb eines halben Jahres oder mehr als drei symptomatische Episoden innerhalb eines Jahres auftreten. In solchen Fällen soll jedenfalls eine Harnkultur angelegt werden und eine Sonografie der ableitenden Harnwege durchgeführt werden.
Zur Therapie von Harnwegsinfekten gibt es ausführliche Leitlinien der deutschen Fachgesellschaften3 sowie der europäischen urologischen Gesellschaft6. Die folgenden Ausführungen basieren auf deren Empfehlungen (Tabelle 1).
Unkomplizierte Zystitiden verlaufen in den meisten Fällen selbstlimitiert, weswegen eine pharmakologische Therapie hauptsächlich zu einer kürzeren Symptomdauer führt. Für das Ziel der Symptomlinderung erreicht die Gabe von NSAR eine gleiche bis nur leicht geringere Effektivität als eine antibiotische Therapie – mit weniger Kollateralschäden wie gastrointestinalen Nebenwirkungen oder Resistenzbildung. Die Häufigkeit von aszendierenden Infekten ist ohne Antibiotika leicht höher. Interessanterweise gibt es Hinweise auf eine direkte antimikrobielle Wirkung von Diclofenac und Ibuprofen.7, 8
Abseits rezeptpflichtiger Medikamente haben auch einige Phytopharmaka adjuvante Wirkungen in der Therapie von Harnwegsinfekten. In der Bevölkerung am bekanntesten sind sicherlich Cranberry- bzw. Preiselbeerpräparate. Diese sollen bei bestimmten Stämmen uropathogener E. coli eine geringere Anhaftungsfähigkeit an der Blasenschleimhaut bewirken und somit die Keimausscheidung begünstigen. Weit verbreitet sind auch verschiedene Pflanzenkombinationen – auch in Form von Blasen- oder Nierentees. Je Mischung basiert deren Effekt meist auf einer Hemmung der Keim-Beweglichkeit und -Anhaftungsfähigkeit sowie einer verstärkten Diurese. Jedenfalls sollte beachtet werden, dass auch Phytopharmaka Nebenwirkungen mit sich bringen können.
Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten ansonsten gesunder Frauen mit leichter bis mittelschwerer Symptomatik kann also eine alleinige Therapie mit NSAR oder Phytopharmaka angeboten werden. Im Zweifelsfall kann auch eine Harnkultur angelegt werden und primär eine symptomatische Therapie begonnen werden. Bei fehlender Besserung wird nach einigen Tagen eine testgerechte Antibiose ergänzt. Die Entscheidung soll gemeinsam mit jeder Patientin hinsichtlich der individuellen Erwartungen getroffen werden.
Sollte eine antibiotische Therapie gewählt werden, so ist eine differenzierte Betrachtung notwendig. Ein Antibiotikum ist dann für die empirische Therapie tauglich, wenn seine Resistenzrate auf E.coli < 20 % (bei komplizierten Infekten < 10 %) liegt. Damit entfallen in den meisten Regionen Österreichs die sonst gern eingesetzten Aminopenicillin-Breitbandkombinationen, Cephalosporine, Fluorchinolone und Sulfonamide. Natürlich können diese Präparate in speziellen Fällen eingesetzt werden; sie taugen jedoch nicht zur unkritischen Ersttherapie unkomplizierter Harnwegsinfekte. Eine günstige Resistenzlage findet sich in Österreich bei Fosfomycin (Einmaldosis), Nitrofurantoin und Pivmecillinam. Diese sind auch aufgrund ihres niedrigen Risikos mikrobiologischer Kollateralschäden in der empirischen Therapie unkomplizierter Harnwegsinfekte zu empfehlen. Cefuroxim wird in dieser Indikation als zweite Wahl empfohlen, bei schwangeren Frauen als erste Wahl.
Bei komplizierten Infekten haben Fluorchinolone immer noch hohen Stellenwert und werden als erste Wahl empfohlen.
HWI bei Männern: Eine spezielle Gruppe stellen Männer mit Harnwegsinfekt dar: Aus vorhin genannten Gründen sollten Harnwegsinfekte hier aggressiver mit Antibiotika behandelt werden. Eine Evidenz guter Qualität fehlt zu dieser Indikation, aber im Expertenkonsens wurde eine Empfehlung für Fluorchinolone wie Ciprofloxacin oder Trimethoprim/Sulfamethoxazol mit jeweils einer Behandlungsdauer von mindestens sieben Tagen ausgesprochen.3 Ein engmaschigeres Follow-up lohnt sich bei diesen Patienten. Spätestens bei komplikativen Verläufen sollte der Patient jedenfalls einer urologischen Konsultation zugeführt werden.
Wie kann man Harnwegsinfekten vorbeugen? Die wichtigsten Maßnahmen sind in Tabelle 2 angeführt. Phytopharmaka als Langzeitprophylaxe können anhand einiger Studien nicht empfohlen werden. In manchen Fällen kann eine niedrigdosierte Prophylaxe mit Antibiotika, entweder nach dem Geschlechtsverkehr oder laufend, eingesetzt werden. Wenn dies erwogen wird, sollte der Rat eines Urologen eingeholt werden.
Wissenswertes für die Praxis