Herzinsuffizienz ist die häufigste internistische Diagnose und die häufigste Todesursache in Österreich – auch 2018 wurden laut Statistik Austria knapp 39 % der Todesfälle in Österreich als Folge einer Krankheit des Herz-Kreislauf-Systems ausgewiesen.
Bei den über 65-Jährigen ist Herzinsuffizienz die häufigste Diagnose bei Aufnahme ins Krankenhaus und hochmalign: Herzinsuffizienz übertrifft in ihrer Morbidität und Mortalität die meisten bösartigen Erkrankungen. Auch in Österreich wird eine hohe Dunkelziffer an noch nicht diagnostizierter Herzinsuffizienz angenommen.
Ein möglichst frühzeitiges Erkennen der Herzinsuffizienz ist anzustreben. Neben dem klinischen Verdacht aufgrund der Symptomatik wie Kurzatmigkeit, Leistungsknick und Beinödeme sind ergänzende Laborparameter wie das NTproBNP beziehungsweise die Echokardiografie heutzutage unerlässliche Tools zur Diagnosestellung.
Entsprechend den letzten ESC-Guidelines 2016 wird die Herzinsuffizienz in drei Klassen unterteilt:
Die Problematik bei der Behandlung von HFpEF und HFmrEF ist, dass es nach wie vor keine evidenzbasierten speziellen Therapien gibt – und das, obwohl bekannt ist, dass auch diese Herzinsuffizienz-Klassen mit einer hohen Mortalität und Morbidität einhergehen.
Für die Behandlung der HFrEF gibt es hingegen ganz klare Therapieempfehlungen. Diese führen erwiesenermaßen zu einer verbesserten Prognose, einer Steigerung der Lebensqualität sowie einer Reduktion der Morbidität und Mortalität der Patienten, die Umsetzung in der Praxis wirft jedoch immer wieder Fragen auf, weshalb oft nur ein geringer Anteil der Patienten letztendlich eine leitlinienkonforme Therapie erhält. Dieser Artikel widmet sich daher den Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung der Herzinsuffizienzleitlinie zur Behandlung der HFrEF im Praxisalltag.
Patienten mit Herzinsuffizienz sollen als Basistherapie Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer (ACE-I) beziehungsweise bei Unverträglichkeit einen AT1-Blocker sowie Betablocker in der maximal tolerablen Dosis erhalten, ebenso Diuretika zur Symptomkontrolle; bei anhaltenden Symptomen sind in weiterer Folge Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRI) indiziert.
Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI) sollten Patienten mit einer EF < 35 % trotz optimaler Therapie (möglichst auftitrierte „ACE-I + Betablocker + MRI“-Therapie) bereits dann erhalten, wenn sie auch nur niedrig symptomatisch (NYHA II) bleiben.
Ist der Patient zuvor mit einem ACE-I anbehandelt, so ist ein Absetzen des Medikamentes erforderlich („Wash-out-Phase“) und ein Umstieg auf ARNI nach 36 Stunden empfohlen, falls der Patient zuvor bereits einen AT1-Blocker hatte, ist ein sofortiger Umstieg auf ARNI möglich.
Problem Hypotonie: Oftmals haben gerade Patienten mit höhergradig eingeschränkter Pumpleistung des Herzens eine Hypotonieneigung oder zumindest einen niedrig normalen Blutdruck. Trotzdem sollte einer Einleitung sowie Hochdosierung der Medikation aufgrund des prognoseverbessernden Effektes nichts im Wege stehen – natürlich unter engmaschigen Kontrollen; oft hilft eine Anpassung/Reduktion der diuretischen Therapie entsprechend dem Flüssigkeitshaushalt des Patienten.
Problem Nierenfunktion: Häufig präsentieren sich die Patienten auch aufgrund der Komorbiditäten (Diabetes mellitus, Hypertonie …) bereits zum Zeitpunkt der Diagnose der Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Nierenfunktion. Auch diesen Patienten sollte man die Basistherapie nicht vorenthalten:
Die Therapieeinleitung mit ACE-Hemmern ist bei einer LVEF < 40 % unabhängig von der Symptomatik empfohlen: Kreatinin sollte bei < 2,5 mg/dl liegen sowie Kalium bei < 5mmol/l; eine langsame Dosissteigerung nach 2–4 Wochen ist empfohlen, keine Dosissteigerung bei Verschlechterung der Nierenfunktion oder Hyperkaliämie.
Falls unter der maximal tolerablen Betablockertherapie im Sinusrhythmus kein Puls < 75 Schlägen/Minuten erreicht werden kann, soll Ivabradin ergänzt werden, um in den Zielbereich zu gelangen.
Weiters leidet rund ein Drittel aller Herzinsuffizienzpatienten an Vorhofflimmern: Normofrequenz ist jedenfalls anzustreben (auch Digitalis ist symptom-, nicht aber mortalitätsverbessernd), ebenso ist die Katheterablation zur Behandlung des Vorhofflimmerns zu erwägen.
Generell sollten Patienten mit Herzinsuffizienz möglichst keine nichtsteroidalen Antiphlogistika oder Glitazone erhalten und ebenso nicht die Kalziumantagonisten Verapamil oder Diltiazem.
Auch Statine, Thrombozytenaggregationshemmer oder Antikoagulanzien verbessern die Prognose der Herzinsuffizienz nicht: Die Indikationen ergeben sich lediglich aus den Komorbiditäten – eine regelmäßige Überprüfung mit Adaptation der Medikation ist angeraten!
Die Patienten sollten darüber informiert werden, dass der Nutzen beziehungsweise die Unbedenklichkeit für ergänzende Therapien, wie zum Beispiel Coenzym Q10, Weißdornextrakt, Carnitin, Taurin oder Terminalia arjuna, nicht gesichert sind – auch aufgrund der Multimedikation sollte die Sinnhaftigkeit von Nahrungsergänzungsmitteln überprüft werden.
Respiratorische Infektionen beziehungsweise Pneumonien sind häufige Ursache für Hospitalisierungen von Patienten mit Herzinsuffizienz. Eine Impfprophylaxe gegen Pneumokokken und jährliche Grippeschutzimpfung sind daher angeraten.
Eine optimale Kontrolle des Blutzuckerspiegels bei Diabetes mellitus – bevorzugt mit Metformin und SGLT2-Inhibitoren – sollte angestrebt werden.
Beim Vorliegen einer Anämie soll eine Abklärung beziehungsweise bei Eisenmangel eine entsprechende Substitutionstherapie erfolgen.
Eine optimale Therapie von KHK, Hypertonie und Gicht, aber auch von zusätzlichen Atemwegserkrankungen ist ebenso essenziell wie die Motivation zum Rauchstopp.
Auch Depressionen, die oft mit Interessenverlust, Rückzug von sozialen Kontakten sowie Schlaf- und Appetitstörungen einhergehen, können die ohnehin fragile Gesundheit der schwer herzinsuffizienten Patienten zusätzlich beeinträchtigen. Daten zeigen, dass depressive Patienten eine schlechtere Medikamentenadhärenz haben. Eine begleitende psychotherapeutische Unterstützung, Einbindung in Selbsthilfegruppen beziehungsweise auch entsprechende Medikation können zu einer Prognoseverbesserung führen.
Die wichtigsten Eckpfeiler neben der medikamentösen Therapie bleiben nach wie vor die Aufklärung des Patienten (und optimalerweise auch seiner nächsten Angehörigen) über die Krankheit, die Information zu Spätfolgen und zu zusätzlichen Risikofaktoren.
Therapietreue, tägliche Gewichts- sowie Blutdruck- und Pulskontrollen sollten für den Patienten selbstverständlich werden (Führung eines Herzinsuffizienztagebuchs, Beurteilung des eigenen Flüssigkeitshaushaltes mit Einhaltung des vorgegebenen Zielgewichtes und der vorgegebenen Trinkmenge), ebenso wie regelmäßige Bewegung bei Patienten mit NYHA I–III und achtsame Ernährung.
Die Einbindung der Patienten in ein strukturiertes Programm mit Schulung ist wünschenswert – ebenso wie die koordinierte multidisziplinäre Versorgung mit Informationsaustausch über die Achse zwischen speziell geschulten Pflegekräften, Hausarzt, niedergelassenem Facharzt und Krankenhausteam.
Ab einer EF < 35 % gilt es, die Indikationen von weiterführenden interventionellen Therapien wie etwa AICD („automatic implantable cardioverter-defibrillator“) bei ischämischer Kardiomyopathie oder kardiale Resynchronisationstherapie bei gleichzeitig bestehendem Linksschenkelblock zu überprüfen. Die diesbezügliche Indikationsstellung und weitere Betreuung ist in Spezialambulanzen erforderlich.