Makellose Beine bis ins hohe Lebensalter sind eine Rarität. Mehr als 80 % entwickeln im Laufe ihres Lebens Teleangiektasien und kleinere subkutane Venektasien ohne Insuffizienz der oberflächlichen Venenstämme oder deren Seitenäste. 30–40 % der erwachsenen Bevölkerung in Industrieländern sind von einer oberflächlichen Veneninsuffizienz betroffen.
Der Begriff chronisch venöse Insuffizienz (CVI) umfasst alle Krankheitsbilder der Beinvenen, bei denen es durch Klappenundichtigkeit zur Ausbildung pathologischer Veränderungen der Venen selbst, aber auch des umliegenden Gewebes kommt. Beinschwellung, Druckempfindungen und sekundäre Hautwachstumsschäden (Stauungsdermatose, Dermatolipofasziosklerose und Atrophie blanche) kennzeichnen höhere Erkrankungsstadien bis hin zum Ulcus cruris venosum.
Durch den Einfluss verschiedener Faktoren wie Orthostasebelastung oder Schwangerschaften kommt es im Laufe des Lebens zu einer degenerativen Veränderung der Venenwand im oberflächlichen Venensystem der Beine, und es entwickeln sich Varizen in unterschiedlicher Ausprägung und unterschiedlichem Schweregrad. Die Varikose kann mit oder ohne Beschwerden vorkommen oder mit Ödem und/oder Hautveränderungen im Rahmen der CVI auftreten. Auch wenn es sich bei der Varikose nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt, so ist die lebenslang progrediente Erkrankung doch in der Lage, die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend negativ zu beeinträchtigen.
Das Krampfaderleiden weist im Verlauf des Lebens eine Progression auf. Durch die Störung der venösen Hämodynamik kommt es bei Nichtbehandlung einer klinisch relevanten Varikose, insbesondere mit Stammvenen- und Perforansinsuffizienz, häufig zu Komplikationen wie chronischen Ödemen, trophischen Hautveränderungen, Ulcus cruris venosum, tiefe Leitveneninsuffizienz oder Venenentzündungen. Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer tiefen Beinvenenthrombose, insbesondere im zeitlichen Zusammenhang mit einer oberflächlichen Venenthrombose.
In einer Untersuchung aus England (n = 304) entwickelten 64 % der Patienten mit Stammvarikose innerhalb von vier Jahren eine Progression der Erkrankung, bei 5,2 % kam es zu einer oberflächlichen Venenthrombose, bei 22 % zu Hautveränderungen und bei 12 % trat ein Ulcus cruris venosum auf. Auch die Ergebnisse einer epidemiologischen Pilotstudie aus Deutschland suggerieren eine Unterschätzung der chronisch venösen Insuffizienz bei geriatrischen Patienten. Im untersuchten Kollektiv, das aus 42 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 80,5 Jahren bestand, fand sich ein hoher Anteil mit relevanten klinischen CVI-Symptomen. 76,2 % wiesen ein klinisches CEAP-Stadium ≥ 3 auf (Tab.), phlebologisch vorbehandelt waren 81 % der Patienten. Die CVI-bedingten Symptome wurden durch Immobilität und reduzierte Aktivität – Einschränkungen, die mit einem höheren Alter assoziiert sind – noch zusätzlich aggraviert. Um schwere und komplikationsreiche Verläufe zu verhindern, raten die Autoren daher zu frühzeitiger Diagnostik und Therapie auch bei geriatrischen Patienten.
Zu den häufigsten Symptomen einer Venenerkrankung zählen:
Für die klinische Beurteilung werden die CEAP-Klassifizierung und Klassifizierung des Ausmaßes der Behinderung herangezogen (Tab.). Die klinische Untersuchung gibt den Schweregrad der Erkrankung wieder und soll daher maßgeblich in die Therapieentscheidung einbezogen werden.
Diagnostische Methode der Wahl und unverzichtbar bei der Planung der weiteren Behandlung ist zudem die Duplex-Sonografie. Mit ihr kann die der Varikose zugrunde liegende Hämodynamik und der Zustand des tiefen Venensystems ermittelt werden. Gegebenenfalls können ergänzend Venenfunktionsmessungen (zum Beispiel PPG/LRR oder VVP) durchgeführt werden. Sowohl die klinische als auch die duplexsonografische Evaluation des Venensystems sollten wenn möglich am stehenden Patienten durchgeführt werden.
Differenzialdiagnostisch sind folgende Erkrankungen zu berücksichtigen beziehungsweise auszuschließen: Ischialgie, Arthralgie, Baker-Zyste, Kompartmentsyndrom, verschiedene Formen der Tendinitis, Insertitis und Bursitis, Restless-Legs-Syndrom sowie arterielle Durchblutungsstörungen; bei Beinschwellung ist zudem die Möglichkeit einer kardialen Insuffizienz zu berücksichtigen. Liegen außer der Schwellung keine klinischen Befunde auf eine venöse Insuffizienz vor, ist die Schwellung wahrscheinlich nicht auf eine venöse Insuffizienz zurückzuführen.
Das Ziel der Varikosetherapie ist die Besserung der venösen Hämodynamik, die Beseitigung der Stauungsbeschwerden oder dauerhafter Ödeme, die Abheilung venöser Ulzera (und die Senkung ihrer Rezidivraten) sowie die Vermeidung weiterer Komplikationen (Venenthrombosen, Stamm-veneninsuffizienz, Varizenblutungen et cetera). Konservative und invasive Verfahren sind dabei keine konkurrierenden, sondern sich ergänzende Optionen; dementsprechend kann eine Kombination dieser Verfahren sinnvoll sein. Über die Wahl der Therapie entscheidet der Gesundheitszustand, der Wunsch des Patienten sowie die Ausprägung und Lokalisation der pathologischen Veränderungen am oberflächlichen und tiefen Venensystem.
Invasive Verfahren sind die effektivsten therapeutischen Methoden zur Sanierung der Varikose. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche neue operative und minimalinvasive Therapieoptionen für die Varikose entwickelt worden. Als Alternative zur Crossektomie und Stripping-Operation sind endovenöse thermische Verfahren (wie Lasertherapie, Radiofrequenzkatheter oder Heißdampftherapie) und endovenöse chemische Verfahren (wie Schaumsklerosierung) zu nennen.
Kontraindikationen zur elektiven Operation bei oberflächlicher Varikose umfassen: akute tiefe Bein- und Beckenvenenthrombose, periphere arterielle Verschlusskrankheit ab Stadium II–III nach Fontaine (außer bei speziellen Indikationen), bekannte Schwangerschaft, sehr schwere Allgemein-erkrankung oder moribunder Patient (ab ASA 4–5), gravierende Störung der Hämostase und schweres Lymphödem.
Ist die Sanierung einer symptomatischen Varikose nicht möglich, nicht gewünscht oder persistiert auch nach invasiver Therapie ein symptomatisches venöses Krankheitsbild, kann eine konservative Therapie eingesetzt werden.
Eine konservative Therapie kann in jedem Erkrankungsstadium in Betracht gezogen werden. Zwar kann diese die Varikose nicht beseitigen oder die Entstehung neuer Varizen verhindern, jedoch haben Kompressionstherapie, venoaktive Substanzen und physikalische Methoden einen positiven Einfluss auf die Symptomatik sowie auf das Progressions- und Komplikationsrisiko.
Die Kompressionstherapie ist die Basis und die am häufigsten eingesetzte Behandlung bei Patienten mit Varikose, venösen Ödemen, Hautveränderungen und Hautulzera. Sie soll ergänzend zu anderen Maßnahmen verwendet werden, wie zum Beispiel Modifikation des Lebensstils durch Gewichtsreduktion und Bewegung. Die Kompressionstherapie kann mittels elastischer Binden, steifer Bandagen, medizinischer Kompressionsstrümpfe oder Geräten erfolgen. Die Kompressionstherapie reduziert venöse Symptome wie Schweregefühl, Missempfindungen und Schwellungsneigung (insbesondere nach langem Sitzen und Stehen) auch bereits mit niedrigem Ruheanpressdruck von < 20 mmHg. Sie wird daher allen Patienten mit venösen Beschwerden (entsprechend CEAP C1–C6) empfohlen.
Insbesondere für ältere Patienten kann die eigenständige Handhabung von Kompressionsmitteln durchaus zur Herausforderung werden oder gar unmöglich sein. Zur Sicherstellung einer suffizienten Therapie sind dann die Hilfe Dritter (Angehörige, Pflegekräfte) notwendig. Aber auch Hilfsmittel wie Gummihandschuhe, Gleitsocken, Gestelle und Abrollhilfen können das An- und Ausziehen medizinischer Kompressionsstrümpfe erleichtern. Aufgrund der austrocknenden Wirkung der Kompressionstherapie ist zudem auf eine begleitende Hautpflege zu achten.
Venoaktive Medikamente nehmen heutzutage eine wichtige Rolle in der Behandlung symptomatischer Patienten mit Varikose ein. Das gilt insbesondere für Patienten, die sich in frühen Stadien der Erkrankung befinden und für die Kompression die einzig mögliche andere geeignete Therapieform darstellt. Bei Patienten, bei welchen die Kompressionstherapie allein zu keinem zufriedenstellenden Effekt geführt hat, nicht toleriert wird oder sogar kontraindiziert ist, sollten gezielt venoaktive Medikamente eingesetzt werden. In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung können diese Medikamente auch in Verbindung mit Sklerotherapie, Chirurgie und/oder Kompression verwendet werden.
Quelle/Literatur: