Julia Valencak: Infektionen mit den Herpes-simplex-Viren (HSV) Typ 1 oder Typ 2 sind beim Menschen weitverbreitet. Die Übertragung des HSV-1 erfolgt in der Regel durch Speichelkontakt mit den Eltern bereits ab dem frühen Kindesalter. Ein zweiter kleinerer Durchseuchungsschub beginnt postpubertär mit der Aufnahme von Intimkontakten. Junge Erwachsene sind in den meisten zentraleuropäischen Ländern zu circa 80 Prozent HSV-1-Antikörperträger. Epidemiologische Untersuchungen zur Seroprävalenz zeigen, dass in Industrieländern heute im Mittel etwa 20 Prozent, in einzelnen Risikogruppen bis zu 60 Prozent der Bevölkerung postpubertär auch Antikörper gegen HSV-2 aufweisen.
Die Infektion erfolgt durch Schmierinfektionen, Speichelkontakt beziehungsweise engen Schleimhautkontakt mit einem Virusträger. Es kommt zum plötzlichen Auftreten von kleinen Bläschen auf geröteter Haut beziehungsweise Schleimhaut. Die Übertragung kann jedoch auch durch Berührung offener Bläschen und Übertragung auf andere empfindliche Hautpartien erfolgen.
Herpes-Viren überdauern in den Neuronen und können daher immer wieder reaktiviert werden. Rund 30–40 Prozent der Bevölkerung leiden an rezidivierendem Herpes labialis. Bei der Primärinfektion dringen HS-Viren meist am Übergang Haut-Schleimhaut in die Epithelzellen des Mund-beziehungsweise Rachenraumes ein. Dort kommt es zur Zerstörung des Epithels und zur Freisetzung neuer Virionen. HS-Viren werden schließlich entlang des Axons retrograd zum Zellkörper sensibler Neurone transportiert, wo sie lebenslang verbleiben und individuell reaktiviert werden können.
Nein, denn oft verläuft die Erstinfektion mit HSV-1 milde oder gar asymptomatisch. In einem geringen Prozentsatz – und hier vor allem bei Kindern – kann es jedoch zu einer akuten Gingivostomatitis mit Ulcera, Aphthen, Lymphknotenschwellung, bakterieller Superinfektion und generalisierten Krankheitssymptomen kommen.
Da Herpes labialis zumeist klinisch diagnostiziert wird, sollte man bei komplexen Verläufen auch an andere Differenzialdiagnosen denken. Differenzialdiagnosen sind die primäre oder rezidivierende Aphthose, ein Pemphigus vulgaris, Morbus Behçet, aber auch eine (bullöse) Impetigo contagiosa oder Erythema exsudativum multiforme.
Vorweg muss man sagen, dass zur Therapie von Herpes labialis wenige klinische Studien durchgeführt wurden und es daher wenige evidenzbasierte Daten gibt. Das liegt vor allem daran, dass die Erkrankung plötzlich auftritt und selbstlimitierend ist. Die Periode der Virusausscheidung ist sehr kurz. Erste Wahl im Management von Herpes labialis ist die topische Therapie.
Nur bei ausgeprägter Klinik und schwerem Verlauf sowie bei Immunsuppression sollte eine systemische Therapie erfolgen. Die primäre Infektion mit Herpes labialis wird bei Immunkompetenten generell nichtsystemisch behandelt.
Entsprechende Studien zeigen hier nur einen marginalen Benefit gegenüber Placebo. Die Entscheidung zur systemischen Therapie bei rezidivierendem Herpes ist von der Häufigkeit beziehungsweise Schwere der klinischen Erkrankung und der Einschränkung der Lebensqualität abhängig – das heißt, die Entscheidung muss individuell erfolgen. Unter den systemischen Virostatika haben sich höher dosierte Regime bewährt, die über 1 bis maximal 3 Tage gegeben werden. Valaciclovir und Famciclovir zeichnen sich durch eine höhere Bioverfügbarkeit aus, sind allerdings teurer als Aciclovir und nicht zur Therapie von Kindern zugelassen.
Die topische Therapie ist in der Regel die erste Wahl. Hier haben sich unter anderem topische Virostatika, wie zum Beispiel topisches Aciclovir und Penciclovir, bewährt sowie Docosanol, eine Creme mit antimikrobiellen Eigenschaften. Auch topische Hydrocortison-Cremen haben einen Stellenwert in der Reduktion der entzündlichen Episode.
Daneben gibt es zahlreiche andere topische Produkte wie Melissenextrakt, Teebaumöl, Pfefferminzöl und auch Propolis, die vor allem in der ersten akut entzündlichen Phase einen Stellenwert haben. Zur Anwendung kommen auch Fieberblasenpflaster, die einen Schutz vor äußeren Einflüssen darstellen, und oft auch Substanzen wie Hyaluronsäure enthalten, die über eine befeuchtende Wirkung verfügen.
Entscheidend ist die rechtzeitige Anwendung – am besten noch im Prodromalstadium. Das heißt, die topischen Therapien der Selbstmedikation sollten bereits bei ersten Anzeichen noch vor Ausbildung der Bläschen angewendet werden.
Vielen Dank für das Gespräch