Im Interview mit den AHOP-News berichten der Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie am AKH Wien, Univ.-Prof. Dr. Matthias Preusser, und die Stationsleitung Pflege, DGKP Roswitha Schreiber, über die Behandlung und die Pflege von PatientInnen mit einer Tumorerkrankung während der COVID-19-Pandemie und über die Herausforderungen, die damit einhergehen.
Typische COVID-19-Symptome sind Husten, Fieber, Kurzatmigkeit, Abgeschlagenheit und vermindertes Riechvermögen. Die Erkrankung ist in ihrem Erscheinungsbild jedoch sehr variabel, das Spektrum reicht von asymptomatischen bis hin zu schweren Verläufen. Dies gilt für TumorpatientInnen gleichermaßen wie für alle anderen PatientInnen. Prinzipiell gilt laut Preusser, dass eine Tumortherapie unterbrochen werden sollte, wenn eine Infektion vorliegt. Auch bei Vorliegen einer COVID-19-Erkrankung würde die Therapie solange unterbrochen werden, bis COVID-19 ausgeheilt ist.
„Frühzeitig und konsequent handeln“: Um sowohl den Schutz der MitarbeiterInnen als auch der PatientInnen zu gewährleisten sowie die onkologische Versorgung der PatientInnen aufrechtzuerhalten, berichtet Preusser von einem umfassenden Maßnahmenpaket, welches an seiner Abteilung umgesetzt wurde:
Preusser führt an, dass es eine große Herausforderung war, innerhalb kürzester Zeit die Ablauforganisationen und Prozesse so umzustellen, dass alle diese Maßnahmen umgesetzt werden konnten. Auch habe man sich als Arzt/Ärztin große Sorgen um das PatientInnenkollektiv gemacht, da sich in der Literatur Hinweise finden, TumorpatientInnen könnten ein erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion oder für schwere Verläufe haben. Außerdem ist ein Teil der PatientInnen immunsupprimiert und muss zu regelmäßigen Therapien/Kontrollen an die Abteilung kommen. Aus diesem Grund sind die PatientInnen Transitwegen im öffentlichen Raum und somit einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt. „Durch die Einhaltung strikter Schutzmaßnahmen konnte an unserer Station die Anzahl an infizierten PatientInnen sehr niedrig gehalten werden“, weiß Preusser aus eigener Erfahrung zu berichten.
Sicherstellung der PatientInnenversorgung: Die derzeitige Situation (Stand des Interviews: 13. Mai 2020) schätzt der Onkologe so ein, dass die Infektionsrate in der Bevölkerung deutlich gesenkt werden konnte. Dies zeigt, dass die getroffenen Maßnahmen effektiv waren. „Wir stehen jetzt vor der Herausforderung, auch den Klinikbetrieb wieder zum normalen Regelbetrieb zurückzuführen.“ Die Hygienemaßnahmen müssen weiterhin zwingend eingehalten und die nächsten Schritte wohlüberlegt gesetzt werden: Wann kann die Kohortenbildung aufgelöst werden? Unter welchen Voraussetzungen kann die Abstandsregel im räumlich begrenzten Warteraum eingehalten werden? Wie kann die Übertragung durch asymptomatische Personen verhindert werden? „Wir müssen langsam, unter Bedacht und unter ständiger Kontrolle agieren“, verdeutlicht Preusser. In Krisenzeiten wie diesen sei es zudem besonders wichtig, sich unter den Berufsgruppen gut abzustimmen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen. „Die Zusammenarbeit mit der Pflege ist an unserer Abteilung sehr gut gelungen“, resümiert Preusser.
Aufgrund der Änderungen im Zugangsbereich des AKH Wien (COVID-Triage) ist es nicht mehr möglich, PatientInnen ohne Terminvereinbarung an die Klinische Abteilung für Onkologie zuzuweisen, berichtet DGKP Schreiber. Am Tag vor der Aufnahme werden die Namen der PatientInnen in die Triage gefaxt, nur so ist ein Zugang möglich. Der Patient/die Patientin kommt dann zur Leitstelle und wird von dort von einer extra dafür abgestellten Aufnahmeschwester mit spezieller Schutzausrüstung (FFP2-Maske, Übermantel, Schutzbrille, Handschuhe, Kopfschutz) in einen eigens eingerichteten Wartebereich (PatientInnenzimmer) geführt. Dort findet ein Nasopharynx- und Rachenabstrich für die COVID-19-Testung statt. Erst wenn das (negative) Testergebnis vorliegt, wird der Patient/die Patientin ins PatientInnenzimmer verlegt. Um den Sicherheitsabstand einzuhalten, wurden Dreibettzimmer nur noch mit zwei PatientInnen belegt, und so musste infolgedessen auch die Zahl der Aufnahmen reduziert werden (25 Betten im Normalbetrieb reduziert auf 18). „Diese Maßnahmen sind zwar aufwendig, jedoch zwingend notwendig, um die Sicherheit der PatientInnen und des Personals zu gewährleisten“, betont die Pflege-Stationsleiterin. Schreiber berichtet, dass an anderen Abteilungen die Dreibettzimmer sehr wohl mit drei PatientInnen belegt wurden. An der Klinischen Abteilung für Onkologie war man sich jedoch von sowohl der Ärzte-/Ärztinnen- als auch der Pflegeseite her einig, dass zwei Betten belegt werden. „Gerade in einer solchen Ausnahmesituation ist es besonders wichtig, dass sich alle untereinander einig sind und an einem Strang ziehen“, verdeutlichte Schreiber die Zusammenarbeit zwischen Pflege und Medizin.
Ängste und Herausforderungen: „Die getroffenen Struktur- und Ablaufveränderungen wurden von allen MitarbeiterInnen mitgetragen, denn wir wissen, wie gefährlich es sowohl für die PatientInnen als auch für das Personal wäre, würde eine COVID-19-positive Patientin/ein COVID-19-positiver Patient auf die Station gelangen“, so Schreiber. Seit 11. 5. 2020 gibt es zudem den Erlass, dass alle PatientInnen alle 48 Stunden auf COVID-19 getestet werden müssen und bei allen PatientInnen 2-mal täglich Fieber gemessen werden muss. TumorpatientInnen sind sehr anfällig für Infektionen. Viele der PatientInnen haben ihre Therapien verschoben, aus Angst, ihr geschütztes Zuhause zu verlassen und sich im öffentlichen Raum der Gefahr einer COVID-19-Ansteckung auszusetzen. Schreibers persönliche Angst und auch die ihrer MitarbeiterInnen war es, sich außerhalb des Krankenhauses anzustecken und das Virus einzuschleppen. Für MitarbeiterInnen gibt es Pool-Testungen (auf freiwilliger Basis). Ein weiteres Bedenken an der Station war auch, ob genügend Schutzausrüstung zur Verfügung stehen wird – dies war aber der Fall. Schreiber berichtet, dass das Besuchsverbot eine besondere Herausforderung war. Ein Besuch ist nur für Sterbende und Kinder erlaubt. Nicht nur vermissen die PatientInnen ihre Angehörigen, sondern auch diese machen sich wiederum extrem große Sorgen. „Angehörige rufen gehäuft an. Man wird pausenlos aus seiner Arbeit gerissen, weil man lange Zeit mit den Angehörigen spricht“, verdeutlicht Schreiber die Ausnahmesituation. Auch würden gerade jetzt sehr häufig Seelsorge und Psychologen/Psychologinnen in Anspruch genommen.