Österreichweit wurden urologische Assistenten in nicht-urologischen Fachgebiete (z.B. Innere Medizin) rekrutiert und in ihrer täglichen ärztlichen Ausbildung neuartig gefordert.
In dieser Serie sprechen 5 Assistenzärzte über ihre Erfahrungen.
Am 25. Februar dieses Jahres werden die ersten Infektionen des neuartigen Coronavirus in Österreich bekannt. Die beiden Erstinfizierten werden nach circa zwei Wochen stationärer Betreuung an der Universitätsklinik Innsbruck in gutem Allgemeinzustand als Erstgenesene entlassen. In den kommenden Wochen folgen Ausgangsbeschränkungen, die Reduktion des routinemäßigen Klinikbetriebs und die Umverteilung der personellen Ressourcen auf nichturologische Bereiche. Die aufstrebenden Änderungen lassen sich in unserem Sonderfach grob in zwei Bereiche unterteilen: einerseits das Entscheiden und Umstrukturieren der elektiven und onkologischen Patienten und andererseits der Umgang mit akuten Verdachtsfällen, die das Fach der Urologie im Rahmen einer Haupt- oder Begleiterkrankung tangieren. Diese Anforderungen der globalen Pandemie haben wir weder in der Ausbildung gelernt noch kann man dies in einem Lehrbuch nachlesen. Für junge Kollegen in der Urologie bedeutet dies, sich mit den laufenden Diagnostik- und Therapienotwendigkeiten mehr denn je auseinanderzusetzen, ein Triagierungssystem für die Dienste der urologischen Ambulanz zu implementieren und, nicht zuletzt, genügend Empathie für Gesprächsführung mit Patienten und deren verschobene Eingriffe einzubringen. Hilfestellung zu den ersten beiden wesentlichen Aspekten gibt es seit Mitte März von diversen urologischen Gesellschaften in offiziellen Aussendungen.
Onkologische Erkrankungen und urologische Notfälle warten nicht, bis die Coronakrise vorbei ist. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie hat im Rahmen der Krise eine Priorisierungsliste erstellt, in der vier Stufen der Dringlichkeit für Eingriffe und Sprechstunden angeführt werden; Zeitfenster des Aufschubes bei weniger dringlichen Indikationen werden keine aufgeführt. Folgend zieht im April die Europäische Gesellschaft für Urologie nach und veröffentlicht ausführliche Empfehlungen zu allen onkologischen und nichtonkologischen Bereichen, aufgeteilt in bereits bestehende Leitlinienunterteilungen. Zeitliche OP-Einteilungen sollten nicht nur ausschließlich nach klinischer Priorität, sondern zusätzlich nach derzeitiger Blutprodukt-Transfusionsmöglichkeit und Personalressource in der postoperativen Phase erfolgen – eine Überlegung, die in unserem Alltag mit einem ausgezeichneten Gesundheitssystem nicht immer an erster Stelle steht. Die Beschäftigung mit adäquaten Einstellungen der Hochfrequenz-Chirurgie, die überlegte Verwendung von monopolaren Instrumenten und Ultraschalldissektoren zur Vermeidung von unnötiger Aerosolbildung und die Etablierung von Absaugsystemen im OP gehören ebenfalls zu technischem Detailwissen, das vielleicht im Nicht-COVID-Alltag wenig Aufmerksamkeit erhalten hätte.
Vorschläge zu Zeitfenstern, die für Verschiebungen von Diagnostik und Therapie angeführt sind, erleichtern – gerade auch im nichtonkologischen Bereich – das neue klinische Setting und geben jungen Kollegen Rückhalt im Gespräch mit Patienten, die verständlicherweise um ihre weitere Betreuung und Therapie besorgt sind. Die Verlegung von Eingriffen und Terminen sollte zudem in Zusammenarbeit mit einem Facharzt für Urologie erfolgen, da die Komplexität jedes Patienten als individuell zu betrachten ist. Nicht außer Acht zu lassen ist eine ausführliche Dokumentation und Befassung mit juristischen Details bei Verschiebung eines Eingriffs oder nach telefonischer Aussprache mit dem Patienten – eine Nachvollziehbarkeit muss aus rechtlicher Sicht in jedem Fall gegeben sein. Ein aufkommendes Gebiet des Interesses könnte der wissenschaftliche Aspekt zwischen Urologie und COVID-19 sein. Viele Studien in allen medizinischen Bereichen rekrutieren Patienten und beschreiben Phänomene und Erkenntnisse unter dem neuartigen Virus – dies bietet Platz für strebsame Forschungsgeister, auch wenn die hauptsächlich infektiologische Thematik die Urologie an sich nur peripher tangiert. In der Gedrücktheit unseres eingeschränkten Alltags ist ein kleiner Lichtblick zu erkennen: Der individuelle Wissenshorizont eines Jeden kann ausgebreitet werden – wie man es ohne Coronakrise vielleicht nie getan hätte.
In ganz Österreich wurden Kollegen aus dem Fach der Urologie in das für uns vielleicht teilweise befremdlich wirkende Fach der Inneren Medizin rekrutiert. Die intensive Beschäftigung mit dem größten Organ jenseits des Zwerchfells stellt unsereins unter Zwiebelschichten von Schutzausrüstung vor ganz neue Herausforderungen. Einige Kollegen beschreiben in den folgenden Zeilen die Veränderungen der Tätigkeit an ihrer eigenen Abteilung und ihre Zeit der außerfachlichen und außerordentlichen Arbeit an den COVID-Stationen.
Zuletzt stellt diese globale Pandemie eine Herausforderung an uns alle. Junge Urologen werden mit an die vorderste Front rekrutiert und in ihrer täglichen ärztlichen Ausbildung neuartig gefordert. Dies ist eine Entwicklung, die uns die randständigen Themengebiete der Urologie um vieles näher bringt. In Anbetracht der Tatsache, dass es keine Zeit nach Corona, sondern nur mit Corona geben wird, könnte diese Situation den neuen Alltag für viele kommende Monate darstellen. Regelmäßiger Austausch untereinander und Empfehlungen der Fachgesellschaften helfen in unseren jetzigen Zeiten, Rahmenbedingungen für das eigene Handeln zu finden, um unsere urologischen Patienten gut und sicher durch die virale Krise begleiten zu können.
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