Der Begriff Demenz bezeichnet ein klinisches Syndrom, eine nach ICD-10-Definition meist chronische oder fortschreitende Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen im Sinne der Fähigkeit zur Entscheidung.
Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Für die Diagnose einer Demenz müssen die Symptome nach ICD über mindestens 6 Monate bestanden haben. Die Sinne (Sinnesorgane, Wahrnehmung) funktionieren im für die Person üblichen Rahmen. Gewöhnlich begleiten Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation die kognitiven Beeinträchtigungen; gelegentlich treten diese Syndrome auch eher auf. Sie kommen bei Alzheimer-Krankheit, Gefäßerkrankungen des Gehirns und anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn und die Neuronen betreffen.
Definition. Bei den verwendeten Definitionen zeigt sich eine Unschärfe in den verschiedenen diagnostischen Beschreibungen, meist wird die Alzheimer-Demenz (AD) beschrieben, stellvertretend für die Gruppe der Demenzerkrankungen. Ein weiterer Aspekt ist die Veränderung der Begrifflichkeit: Wir sprechen heute von der Alzheimer-Krankheit, und nur das Endstadium wird als Alzheimer-Demenz bezeichnet. Dahinter steht die Vorstellung, dass die organischen Veränderungen der Alzheimer-Krankheit wahrscheinlich schon im 40. oder 50. Lebensjahr beginnen, sich jedoch erst im höheren Alter klinisch auswirken.
Erste Hinweise oder auch Angaben der Angehörigen. Der Betroffene vergisst immer öfter kurz zurückliegende Ereignisse, kann kaum mehr Entscheidungen treffen, stellt dieselbe Frage oder erzählt dieselbe Geschichte immer wieder. Zeitweise treten Probleme bei gewohnten Tätigkeiten auf, wie zum Beispiel Banküberweisungen, der Betroffene hat kein Interesse mehr an Hobbys oder der Umwelt und vernachlässigt zunehmend die Körperpflege.
Eine Demenz-Diagnostik beim Hausarzt soll nur im Einverständnis mit und nach Information der Betroffenen durchgeführt werden. Dabei sind mögliche Vor- und Nachteile einer Diagnosestellung sowie der Grundsatz zu berücksichtigen, dass es ein Recht auf Nichtwissen gibt.
Eine leichte kognitive Störung („mild cognitive impairment“ – MCI) bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit, da in mehreren Studien eine jährliche Übergangshäufigkeit zur Demenz bei 10 % der Betroffenen beobachtet wurde. Mögliche Ursachen eines MCI sollten mit angemessenen diagnostischen Maßnahmen geklärt werden.1
Zwei Screening-Verfahren haben sich in der Praxis bewährt: der „Schnelle-Uhren-Dreier“2, ein nach dem Mini-Cog adaptierter Uhrentest, und der „Six-Item-Screener“ (SIS)3.
Beim „Schnellen-Uhren-Dreier“ wird das früh verlorengehende Kurzzeitgedächtnis und das Abstraktionsvermögen geprüft.Dabei werden dem Patienten zunächst drei Wörter gesagt, die er sich merken und dann wiederholen soll. Anschließend wird er gebeten, eine Uhr mit allen zwölf Zahlen und einer eingestellten Zeit von 11.10 Uhr zu zeichnen. Nachdem diese Aufgabe erfüllt ist, soll der Patient noch einmal die vorher gesagten Wörter erinnern. Bei perfektem Uhrentest und drei erinnerten Wörtern besteht kein, bei leichten Fehlern im Uhrentest und ein bis zwei erinnerten Wörtern ein gewisser und bei schweren Fehlern im Uhrentest und keinem erinnerten Wort ein starker Demenzverdacht. Bei leichten Fehlern wäre eine Kontrolle in 3–6 Monaten, bei starkem Verdacht eine weitere Abklärung zu empfehlen.
Beim „Six-Item-Screener“ werden ebenfalls zunächst drei Dinge/Wörter angeboten (zum Beispiel Auto – Blume – Ball), diese sollen wiederholt und gemerkt werden. Dann werden 3 Fragen gestellt: „Welches Jahr haben wir?“, „Welchen Monat haben wir?“, „Welchen Wochentag haben wir?“ (3 Punkte). Anschließend werden die drei Dinge/Wörter wieder abgefragt, ob sie erinnert werden können (3 Punkte). Also sind maximal 6 Punkte zu erreichen. Sollte ein Patient weniger als 4 Punkte erreichen, ist eine weitere Abklärung zu empfehlen.
Die Basisuntersuchungen bestehen nach wie vor in einer ausführlichen Anamnese und einem Gespräch mit den betreuenden Angehörigen, aus Screening-Verfahren – zum Beispiel MMSE (Mini-Mental State Examination) oder MoCa (Montreal Cognitive Assessment) – sowie einer ausführlichen neuropsychologischen Testung – zum Beispiel Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease (CERAD), Alzheimer’s Disease Assessment Scale-cognitive Subscale (ADAS-cog) sowie dem Strukturierten Interview für die Diagnose einer Demenz vom Alzheimer-Typ (SIDAM)1, weiters Laboruntersuchungen und einer Bildgebung des Gehirns (CCT oder MRI). Fakultativ kann eine Liquor-Punktion zum Ausschluss einer Entzündung oder zur Bestimmung von Aβ-Amyloid und Tau hilfreich sein. Auch eine Untersuchung mit einem FDG-PET zur Bestimmung des Glukosemetabolismus im Gehirn kann zusätzliche Erkenntnisse bringen.
In letzter Zeit ist der Amyloid-PET (18F-Tracer) hinzugekommen. Mit dieser Methode können eine prodromale AD, eine atypische AD und unklare leichte kognitive Beeinträchtigungen verifiziert und im Verlauf dokumentiert werden. Im FP-CIT-SPECT kann eine Lewy-Body-Demenz von einer AD unterschieden werden. (Prinzip: Reduktion der Dopamin-Transporter kann erfasst werden.)
In der medikamentösen Behandlung der kognitiven Funktionen haben sich die Acetylcholinesterase-Hemmer (Donepezil, Rivastigmin, Galantamin) und Memantin bewährt, wobei man einschränkend sagen muss, dass nur etwa die Hälfte der Patienten gut profitiert. Acetylcholinesterase-Hemmer sind wirksam in Hinsicht auf die Fähigkeit zur Verrichtung von Alltagsaktivitäten, auf die Besserung kognitiver Funktionen und auf den ärztlichen Gesamteindruck bei der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz. Memantin ist wirksam auf die Kognition, Alltagsfunktion und den klinischen Gesamteindruck bei Patienten mit moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz.
Neu hinzugekommen ist die Behandlungsempfehlung zu Ginkgo biloba EGb 761®, mit Wirksamkeit auf Kognition bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz oder vaskulärer Demenz und nichtpsychotischen Verhaltenssymptomen.
In der nichtmedikamentösen Behandlung werden empfohlen: kognitive Stimulation, Reminiszenz-Verfahren, individuell angepasste ergotherapeutische Maßnahmen, körperliche Aktivierung, aktive und rezeptive Musiktherapie, Aromatherapie und multisensorische Verfahren (zum Beispiel Snoezelen).
Als unbedingt erforderlich wird die Betreuung der Angehörigen gesehen im Sinne von Aufklärung über die Erkrankung und Betreuung, Psychoedukation, psychotherapeutischer Begleitung sowie Teilnahme an Selbsthilfegruppen.
Die Behandlung von Verhaltensstörungen bei demenziellen Erkrankungen stellt Ärzte, Pflege und Angehörige täglich vor neue Herausforderungen. In erster Linie sollen präventive und psychosoziale Maßnahmen überlegt werden, bevor eine medikamentöse Therapie etabliert wird.
Im Rahmen der präventiven Maßnahmen kann man beim betroffenen Patienten, bei den Angehörigen und im Bereich der Umgebungsfaktoren ansetzen.4
Beim Patienten: Sind die Grundbedürfnisse wie Schlaf und Ruhe, Hunger, Durst befriedigt? Gibt es medizinische Probleme, die zu lösen sind, wie Infektionen, Schmerzen, Interaktionen von Medikamenten oder Nebenwirkungen? Sind die sensorischen Defizite ausgeglichen, wie Etablierung einer Brille oder Hörgeräte? Gibt es psychische Symptome und Befindlichkeiten, die auszugleichen sind, wie Ängste, Bedrohungen und Einsamkeit?
Beim betroffenen Angehörigen: Sind die Angehörigen über die Erkrankung, den Verlauf und die erforderliche Versorgung auf
geklärt? Haben sie gelernt, mit Demenzpatienten zu kommunizieren (ruhige Sprache, einfach halten, keine offenen Fragen, nicht zu viele Wahlmöglichkeiten, nicht über mögliche Ereignisse in der Zukunft reden)? Haben sie Möglichkeiten, ihren Stress zu reduzieren und sich mit anderen auszutauschen?
Im Bereich der Umgebungsfaktoren: Patienten mit einer Demenz nicht über-/oder unterstimulieren, tägliche Routinen etablieren, für ausreichende Aktivitäten sorgen, aber nicht ständig wechseln, für Sicherheit sorgen, um Selbstverletzungen zu verhindern.
Als weitere Behandlungsoptionen sollten Antidementiva als Basistherapie etabliert werden. In einem nächsten Schritt können andere Psychopharmaka eingesetzt werden.
Bei agitiertem und aggressivem Verhalten wird Risperidon empfohlen, nun neu an 2. Stelle Aripiprazol. Auch ein Therapieversuch mit Citalopram und Carbamazepin wird empfohlen.
Zur Behandlung psychotischer Symptome (Wahn, Halluzinationen) wird ebenfalls Risperidon und Aripiprazol eingesetzt, für andere atypische Antipsychotika gibt es keine Evidenz der Wirksamkeit. Für Patienten mit Parkinson-Demenz, Lewy-Körper-Demenz und verwandten Erkrankungen sind klassische und viele atypische Neuroleptika kontraindiziert, da sie Parkinson-Symptome verstärken und Somnolenzattacken auslösen können. Einsetzbare Neuroleptika bei diesen Erkrankungen sind Clozapin und mit geringerer Evidenz Quetiapin.
Bei Patienten mit Demenzerkrankungen dürfen keine Antipsychotika-Depot-Präparate verwendet werden.
Bei Angst im Rahmen einer Demenz kann nun auch neben SSRI und – vorübergehend – Benzodiazepinen Pregabalin (Lyrica®) versucht werden, obwohl keine RCT mit Antidepressiva oder Pregabalin zur Behandlung von Angstsymptomen bei Demenz vorliegen. Benzodiazepine sollen bei Patienten mit Demenz nur bei speziellen Indikationen und nur kurzfristig eingesetzt werden.Bei demenzassoziierten Schlafstörungen kann keine evidenzbasierte medikamentöse Therapieempfehlung ausgesprochen werden – auch Melatonin wird nicht empfohlen. In der täglichen Praxis werden Z-Drugs (zum Beispiel Zolpidem [Ivadal®], Antidepressiva (zum Beispiel Trazodon, Mirtazapin), Hormone (Melatonin), kurzfristig Benzodiazepine (Lorazepam) und Antipsychotika (zum Beispiel Prothipendyl [Dominal®]) verwendet.5
Vaskuläre Risikofaktoren und Erkrankungen (zum Beispiel Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Adipositas, Nikotinabusus) stellen auch Risikofaktoren für eine spätere Demenz dar. Daher trägt deren leitliniengerechte Diagnostik und frühzeitige Behandlung zur Primärprävention einer späteren Demenz bei.
Regelmäßige körperliche Bewegung und ein aktives geistiges und soziales Leben sollten empfohlen werden.