Jedes Jahr erkranken weltweit etwa 10 Millionen Menschen an Krebs. Annähernd die Hälfte dieser Patienten hat schlecht kontrollierte Schmerzen, die einerseits zu einer schlechteren Lebensqualität und körperlichen Einschränkungen und andererseits zu psychischen Belastungen führen.1 Eine systematische Übersichtsarbeit mit Metaanalyse zeigte im Jahr 2016 eine Schmerzprävalenz von 39 % bei Patienten mit kurativer Behandlung und 66 % bei fortgeschrittener Krebserkrankung.1 Ein multimodaler Therapieansatz kann zu einer Verbesserung der Schmerzsituation von Krebspatienten führen.
Eine umfassende Bewertung der Schmerzen sollte den Schmerzort, die Schmerzcharakteristik und die Schmerzmechanismen berücksichtigen. Dazu ist eine Beurteilung der Schmerzintensität mit eindimensionalen Skalen, wie der visuellen Analogskala (VAS) oder der numerischen Rating-Skala (NRS) erforderlich. Auch psychosoziale Faktoren sollten abgefragt werden. Episoden starker bis stärkster Schmerzen, sogenannte Durchbruchschmerzen, sind belastend und müssen eigens erfasst werden. In weiterer Folge sollten ein individueller Plan entwickelt und Behandlungsziele festgelegt werden. Die Schmerzbewertung muss regelmäßig neu evaluiert werden.2
Die Behandlung von Tumorschmerzen wird in pharmakologische (Tab.) und nichtpharmakologische Behandlungen unterteilt. Zu Letzteren zählen sowohl interventionelle Verfahren als auch Physiotherapie, Ergotherapie und verhaltensmedizinische Behandlungen. Es werden jedoch auch chirurgische oder interventionell-radiologische Therapieformen sowie Akupunktur und Musiktherapie dazugezählt.3
Das biopsychosoziale Modell, das beim Schmerz nicht nur das Ausmaß der Gewebsverletzung, sondern auch psychosoziale Faktoren miteinbezieht, hat bei einem multimodalen Therapieansatz einen hohen Stellenwert. Studien zeigten, dass höhere Schmerzwerte bei Patienten mit geringerer sozialer Unterstützung und bei Patienten mit Angstzuständen und Depressionen auftreten.4, 5 Verschiedenste Behandlungen zielen deswegen auf psychologische Prozesse, um die Schmerzen durch Aufklärung, kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungstraining und Hypnose zu reduzieren.6
Auch Physio- und Ergotherapie gehören zum multimodalen Ansatz. Es konnte zudem gezeigt werden, dass Wärmeanwendungen und Massagen zur Schmerzlinderung beitragen können.7
Das WHO-Stufenschema zur medikamentösen Behandlung von Schmerzen ist gut etabliert und führt bei bis zu 86 % der Krebspatienten zu einer zufriedenstellenden Analgesie.8 Es können jedoch bei Tumorpatienten Situationen auftreten, in denen auch durch die Anwendung von hochdosierten Opioiden keine ausreichende Schmerzlinderung erreicht werden kann. Hier wird als vierte Stufe die Anwendung von interventionellen Verfahren empfohlen9, zu denen Injektionen, neuroaxiale Blockaden, Nervenblockaden und neuroablative Verfahren gezählt werden. Bei Neurolysen werden schmerzübertragende Nerven zerstört, wobei hier meist Alkohol oder Phenol verwendet wird. Diese neurolytischen Verfahren bringen meist eine längere Linderung der Schmerzen, sind aber aufgrund der möglichen Nebenwirkungen wie Deafferenzierungsschmerz oder motorischen Einschränkungen problematisch. Durch die intrathekale oder epidurale Verabreichung von Lokalanästhetika, Opioiden oder Koanalgetika kann eine neuroaxiale Analgesie erreicht werden. Diese Arzneimittel werden perkutan oder über implantierte Katheter, zum Beispiel mittels Medikamentenpumpen, an den Wirkort gebracht. Es wurde gezeigt, dass hierdurch die benötigte Dosis reduziert und somit die unerwünschten Wirkungen minimiert werden können.3
1986 wurde das WHO-Stufenschema der Schmerztherapie erstmals vorgestellt. Dieses Stufenschema beschreibt einen schrittweisen Einsatz von Medikamenten zur Schmerzbehandlung. Auf der ersten Stufe werden die Schmerzen mittels Nichtopioid-Analgetika behandelt. Auf der zweiten werden schwache, auf der dritten Stufe starke Opioide eingesetzt. Paracetamol und nichtsteroidale Analgetika werden in den Stufen 2 und 3 mit Opioiden kombiniert. Es konnte gezeigt werden, dass trotz der unbestrittenen Wichtigkeit des WHO-Stufenschemas viele Patienten immer noch unter starken Tumorschmerzen leiden.1, 3 Aufgrund dessen wurden 2-stufige Modelle diskutiert, die mit schwachen Opioiden beginnen oder bei denen die Therapie überhaupt erst mit Stufe 3 begonnen wird.11
Zur Behandlung von Durchbruchschmerzen stehen verschiedenste retardierte Opioide zur Basistherapie sowie schnell wirksame, nichtretardierte Opioide („short-acting opioids und rapid-onset opioids“) zur Verfügung. All diese Substanzen zeigen ein unterschiedliches Wirk- und Nebenwirkungsspektrum und sollten nach patientenspezifischen Faktoren und Komorbiditäten ausgewählt werden.
Tramadol und Dihydrokodein (beide WHO-Stufe II) sowie niedrigdosierte Opioide der WHO-Stufe III (Oxycodon < 20 mg/d, Hydromorphon < 4 mg/d, Morphin < 30 mg/d) sollten bei Tumorpatienten ohne Opioidvortherapie bei mittelschweren (NRS 5–7) Schmerzen oral gegeben werden, wenn eine Paracetamol- oder NSAR-Therapie nicht ausreichend ist. Morphinsulfat ist als retardiertes Opioid der WHO-Stufe III für eine Tumorschmerztherapie bei mittelstarken (VRS 5–7) und starken (NRS 8–10) Schmerzen zugelassen und gilt nach den WHO-Empfehlungen als Substanz der ersten Wahl.12 Die Europäische Gesellschaft für Palliative Care empfiehlt Oxycodon und Hydromorphon als gleichwertige Alternativen.11 Bei Patienten mit stabilem Schmerzniveau können transdermale Systeme (Fentanyl, Buprenorphin) verwendet werden. Die Substanzen der WHO-Stufe II und III sollten – bei passendem Schmerzmechanismus – zusammen mit Koanalgetika (Antidepressiva, Antikonvulsiva) angewendet werden, um die analgetische Wirkung zu erhöhen.
Zusammenfassend zeigt sich, dass ein multimodaler Therapieansatz zielführend ist, um eine zufriedenstellende Schmerztherapie und Lebensqualität bei Tumorpatienten zu erhalten.