Brennende Fragen zur Corona-Schutzimpfung

Wie war es möglich, Impfstoffe gegen COVID-19 so schnell zu entwickeln? Kann man einem derart rasch entwickelten Präparat trauen? Soll man sich impfen lassen, wenn man vorhat, schwanger zu werden? Bestehen Gefahren für Allergiker? All diese Fragen rund um die COVID-19-Schutzimpfung werden zur Zeit in der Bevölkerung gestellt, und viele davon könnten auch ein Gesprächsthema an der Tara werden (oder sind es schon). Aus diesem Grund hat die Apotheker Krone in Zusammenarbeit mit namhaften Experten einen Fragen-Antworten-Katalog zusammengestellt.

 

Nach der bedingten Zulassung des ersten COVID-19-Impfstoffes Comirnaty von Pfizer/BioNTech in der Europäischen Union mit 21. Dezember 2020 erfolgte kurz darauf der Startschuss für Impfungen in Österreich. Wir befassen uns im folgenden Fragenkatalog mit wichtigen Aspekten rund um die Verabreichung dieses Impfstoffs.

 

Wie ist es möglich, dass der Impfstoff in so kurzer Zeit entwickelt wurde?

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Zur Entwicklung dieses Impfstoffes konnte man auf zahlreiche Vorarbeiten zurückgreifen. So gab es nach dem Auftreten von SARS-CoV-1 zehnjährige Forschungsarbeiten an einem Impfstoff. Nach dem Auftreten von MERS-CoV wurde rund sechs Jahre lang an einem Impfstoff gegen dieses Virus geforscht. Daraus haben sich Impfstoffplattformen entwickelt, mit denen man eine Art Fahrgestell produzieren konnte. Um beim Autovergleich zu bleiben, dank dieser Vorarbeiten kann die Farbe des Autos nun je nach Art des Virus adaptiert werden. Weiters wurde die Sequenz von SARS-CoV-2 bereits im Jänner 2020 entschlüsselt. Man begann somit nicht bei null.“

Welche Aspekte waren außer den wissenschaftlichen Vorarbeiten noch ausschlaggebend?

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Die ganze Welt hat öffentliche Gelder und Geld aus dem industriellen Bereich zur Verfügung gepoolt. Damit gab es keine zeitlichen Leerläufe, sondern man konnte die Entwicklung straff organisieren. Eine weitere Verkürzung wurde durch die Prüfungen in der Zulassung möglich. Firmen durften laufend Ergebnisse aus Wirksamkeitsstudien zur Verfügung stellen. Daher gab es ein laufendes Feedback der Behörden. Man spricht dabei von einem ‚Rolling-Review-Verfahren‘.“

Ging die Geschwindigkeit der Entwicklung vor Qualität?

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Nein, man hat nicht gespart, was die Qualitätsanforderungen betrifft. Die Erfordernisse in diesem Bereich wurden vollständig erfüllt – und ohne diese würden Impfstoffe auch keine europäische Zulassung erhalten. Die Zulassungsstudien und Fachinformationen sind publiziert und einsehbar.“

Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch: „Bei der Studie von Pfizer/BioNTech war es notwendig, dass 170 Fälle von COVID-19 registriert werden mussten, um einen entsprechenden signifikanten Unterschied in der Placebo- beziehungsweise Verumgruppe festzumachen und somit eine Impfeffektivität zu berechnen.“

Ist der Impfstoff sicher?

Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch: „Aufgrund der sehr großen Phase-III-Studiengruppen können wir davon ausgehen, dass die Sicherheit der Impfstoffe genauestens evaluiert wird und wurde. Es wurden über 20.000 Probanden mit dem Pfizer/BioNTech-Impfstoff und eine gleich große Zahl mit Placebo geimpft. Bei dieser sehr umfangreichen Gruppengröße ist es möglich, schwerwiegende Nebenwirkungen bis zu einer Häufigkeit von 1 auf 10.000 gut zu evaluieren. Gleichzeitig betrug die Nachbeobachtungszeit der geimpften Personen zwei Monate, so dass man den überwiegenden Anteil aller möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen erfassen konnte. Es können sehr selten auftretende Nebenwirkungen, die erst mit einer Häufigkeit von 1 auf 500.000 – oder noch seltener – auftreten, nicht ausgeschlossen werden. Diese Nebenwirkungen werden erst bei der breiten Anwendung des Impfstoffes ersichtlich sein. Das ist allerdings kein Charakteristikum der ‚neuen‘ mRNA-Impfstoffe, sondern trifft auf alle Impfstoffe zu. Es gibt auf dem Markt kaum verfügbare Impfstoffe, die beim Zulassungsverfahren in den Phase-III-Untersuchungen eine solch große Gruppengröße vorweisen konnten. Bislang gab es keine Auffälligkeiten bezüglich Nebenwirkungen.
Es wurden vier Fälle von Fazialisparese beobachtet, wobei ich betonen möchte, dass bei einer so großen Probandengruppe das Auftreten dieser Fälle der sogenannten Hintergrundinzidenz entspricht. Dies entspricht der normalen Zahl an Vorfällen, die auch in einer nicht geimpften Gruppe auftreten. Alle Nebenwirkungen, auch schwere Nebenwirkungen, hatten eines gemeinsam: Sie beruhigten sich innerhalb weniger Tage.“

 

mRNA-Impfstoff – die Funktionsweise

Bei mRNA-Vakzinen handelt es sich um ein neuartiges Prinzip, bei dem kein virales Antigen geimpft wird, sondern gleichsam die Bauanleitung dafür. Im Körper des Geimpften wird die enthaltene Messenger-RNA aufgenommen. Anschließend stellt die Zelle das gewünschte Protein selbst her. Dies geschieht exakt nach der molekularen „Gebrauchsanweisung“ – der Körper produziert also selbst, was er zur Immunisierung benötigt. Im Fall von SARS-CoV-2 sind es die Spike-Proteine des Virus.
Quelle: Medizinische Universität Wien, 13. 1. 2021:
Österreichischer Impftag 2021 im Zeichen von COVID-19

 

Kommt es zu einer Veränderung des Erbguts?

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Nein, die mRNA gelangt niemals direkt in den Zellkern und damit auch mit hundertprozentiger Sicherheit nicht in das menschliche Genom. Die Immunantwort richtet sich immer nur gegen das Fremde, also das Virus.“

Welche Personengruppen können vorläufig noch nicht geimpft werden?

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Für Schwangere sind die Impfstoffe aktuell noch nicht zugelassen, da diese Gruppe in den ersten Studien nicht involviert war und noch keine Daten vorliegen. Ebenso sind Kinder unter 16 Jahren derzeit von den Impfungen ausgenommen.“

Kann man sich impfen lassen, wenn man vorhat, schwanger zu werden?

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Ja, Frauen mit Kinderwunsch können sich impfen lassen. Es besteht kein Hinweis, einen bestimmten Sicherheitsabstand nach der Impfung einzuhalten. In den Zulassungsstudien gab es einige Frauen, die nach einer Impfung schwanger wurden, ohne Problem für sie oder das Kind. Selbst bei einer Impfung während (unbemerkter) Schwangerschaft ist mit keinen Problemen zu rechnen – und sie soll niemals Anlass zu einem Schwangerschaftsabbruch bieten.“

Gibt es Bedenken hinsichtlich der Verabreichung an Allergiker?

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Allergiker können und sollen sich impfen lassen. Im Beratungsgespräch vor der Impfung ist es aber wichtig, zu erheben, ob es früher allergische Reaktionen auf Impfstoffe gab oder ob man beispielsweise auf Polyethylenglykol nach einer Koloskopie allergisch reagierte. Aus ärztlicher Sicht ist es immer sinnvoll, Notfallmedikation bereitzuhalten; weiters raten wir bei allen Allergikern zu einer Prämedikation mit einem Antihistaminikum mindestens eine Stunde vor Impfung und danach einem Beobachtungszeitraum vom 30 Minuten.“

Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch: „Die Häufigkeit ausgeprägter allergischer Reaktionen wird nach einer Studie des CDC nach Verabreichung von fast 2 Millionen Impfdosen mit etwa 1 : 100.000 angegeben, das entspricht der etwa 5-fachen Häufigkeit im Vergleich zu den meisten Impfstoffen, ist aber trotzdem als sehr selten zu bezeichnen. Alle allergischen Reaktionen waren gut beherrschbar.“

Wie lange hält der Impfschutz an?

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Bis jetzt wurden Daten publiziert über stabile Antikörperspiegel über 3 Monate nach Impfung. Es ist damit zu rechnen, dass es kontinuierlich neue Daten über die Dauer der Immunität und des Schutzes geben wird. Orientieren kann man sich an Daten zu natürlichen COVID-19-Erkrankungen – hier zeigt sich, dass die Zahl der daraufhin gebildeten Antikörper, wie auch der Gedächtnis-B- und T-Zellen mindestens etwa acht Monate lang stabil bleibt. Nach derzeitigem Stand kann man noch nicht sagen, ob und wann Auffrischungsimpfungen nötig sein werden.“

Welche Priorisierung besteht bei der Verimpfung?

Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt: „Da es in den ersten Monaten nicht genügend Impfstoff für alle Menschen in Österreich geben wird, hat man auf Basis medizinischer, ethischer und strategischer Überlegungen Priorisierungskonzepte erstellt. Menschen mit schweren Erkrankungen, erhöhtem Risiko für Hospitalisierung und Tod sind deshalb ebenso wie Personen, die für die Versorgung anderer Menschen zuständig sind, zuerst an der Reihe. Bezüglich dieser Priorisierung gab es zuvor eine länderübergreifende Vernetzung. International gesehen gibt es hier kaum Abweichungen – für alle gilt dasselbe: Fälle vermeiden und das Gesundheitssystem nicht überlasten. Das oberste Ziel ist aber eine hohe Durchimpfungsrate und so das Virus wieder loszuwerden.“

 

Webtipps:

Fragen-Antworten-Rubrik des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

Dashboard: der aktuelle Überblick über die Zahl der geimpften Personen in Österreich