Zur Beurteilung des Längenwachtsums dienen sogenannte „Perzentilenkurven“, die am besten elektronisch angewandt werden – die Website www.wachstum.at* wurde hierfür entwickelt. Verläuft das Längenwachstum entlang einer der Perzentilenlinien, liegt ein normales Wachstum vor. Für die Definition von Klein- und Großwuchs wird eine Körpergröße außerhalb des Bereichs der 3. beziehungsweise der 97. Perzentile herangezogen. Genauer wird das Ausmaß von Kleinwuchs durch die Verwendung der sogenannten „Standardabweichungsscores“ (SDS) definiert (www.wachstum.at). Bei der Körpergröße spricht man ab einer Differenz von 1,0 SDS von einer Wachstumsstörung.
Die Körperproportionen können einfach durch Messung der sogenannten Sitzhöhe beurteilt werden. Eine Disproportion, vor allem relativ kurze Beinlänge, kann richtungsweisend für seltene Formen von Wachstumsstörungen sein.
Die wichtigste regulative Rolle hinsichtlich Körpergröße wird heute den Genen zugeordnet. Kleine/große Eltern haben mit großer Wahrscheinlichkeit kleine/große Kinder. Eine Orientierung über den familiär-genetischen Hintergrund gibt die sogenannte „familiäre Ziellänge“ – diese ergibt sich aus Elterngröße und Geschlecht des Kindes und definiert die logische Größe des Kindes im Erwachsenenalter. Auch die familiäre Ziellänge wird am besten in SDS angegeben (www.wachstum.at). Liegt die familiäre Ziellänge ebenso wie die Körpergröße des Kindes unter –2,0 SDS und ist das Wachstum über die Zeit aber normal, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine genetisch bedingte Normvariante (familiärer Kleinwuchs). Vorsicht bei dieser Zuordnung ist gegeben, wenn die Körperproportionen des Kindes und eines Elternteils auffallend sind (siehe Kasten).
Oftmals entstehen im Alter zwischen 10 und 15 Jahren erstmals Sorgen, wenn Klassenkameraden plötzlich schneller wachsen. Bedingt durch die große Breite des normalen Alters bei Pubertätsbeginn (8–14 Jahre bei Mädchen, 9–15 Jahre bei Buben) findet auch das eindrucksvolle Pubertätswachstum zeitlich unterschiedlich statt. Die konstitutionelle Entwicklungsverzögerung (vorübergehender Abfall der Längen-SDS-Werte durch relativ späte Pubertätsentwicklung) kommt bei Buben häufiger vor als bei Mädchen und kann psychisch belastend sein.
Eine Körpergröße kleiner als –2,5 SDS zusammen mit einem Abweichen der aktuellen Größe von der familiären Zielgröße über ein gewisses Ausmaß hinaus (2,0 SDS) stellt eine Ausgangssituation dar, bei der eine Abklärung eingeleitet werden sollte, vor allem, wenn das Längenwachstum in SDS abgefallen ist. Normvarianten werden vom Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde betreut, der nach Ausschluss einer chronischen Begleiterkrankung an eine Spezialambulanz zuweisen wird (siehe Websites der Ambulanzen für Pädiatrische Endokrinologie an den Krankenanstalten).
Wachstumsstörungen werden in hormonell (Wachstumshormonmangel bei hypophysärer Insuffizienz) oder genetisch bedingte Pathologien unterteilt. Zu den genetisch bedingten Wachstumsstörungen gehören das Turner-Syndrom, das Noonan-Syndrom und viele weitere noch viel seltenere genetische Formen des Kleinwuchses.
Die klassische Indikation für eine Therapie mit biosynthetischem Wachstumshormon ist der Wachstumshormonmangel (Inzidenz 1 : 4.000–1 : 7.000), hier kann durch die Substitutionstherapie ein Erreichen der familiären Ziellänge bewerkstelligt werden.
Das Wachstumshormon ist in supraphysiologischer Dosierung auch für Kinder mit Turner-Syndrom, Prader-Willi-Syndrom, Noonan-Syndrom, Leri-Weill-Syndrom und Niereninsuffizienz zugelassen, da klinische Zulassungsstudien zeigten, dass eine Verbesserung der Endlänge (meist 5–10 cm) erreicht werden kann.
Für Kinder mit familiär genetischen Normvarianten oder idiopathischem Kleinwuchs steht das Beratungsgespräch im Vordergrund.