Bariatrische Chirurgie bei Adipositas – ein reines Frauenthema?

Der Respekt vor Adipositas kommt durch die Folgeerkrankungen. Sehr häufig werden die adipositas-assoziierten Komplikationen, wie etwa arterielle Hypertonie, Typ-2-Diabetes oder Gelenkbeschwerden, behandelt, ohne die Ursache zu thematisieren. Dabei ist Adipositas eine chronische, schubhafte Erkrankung, charakterisiert durch eine krankhafte Ansammlung von Körperfett, welche mit dem frühzeitigen Tod einhergeht. Die Diagnose wird anhand des Body-Mass-Index (BMI ≥ 30 kg/m²) gestellt. Eine viszerale Fettverteilung – „Apfel Typ“ (Bauchumfang > 88 cm bei Frauen bzw. > 102 cm bei Männern) ist für die Entwicklung von Stoffwechselstörungen wie Insulinresistenz und Dyslipidämie deutlich ungünstiger als eine gluteale Fettverteilung – „Birnen-Typ“. Frauen haben durchschnittlich 40 % mehr Körperfett als Männer bei gleicher Körpergröße und gleichem Körpergewicht. Durch die erhöhte Fettmasse und einen niedrigeren Grundumsatz wird die Entstehung von Adipositas bei Frauen begünstigt. Durch den gesellschaftlichen Druck, sich an normative Schönheitsideale anzupassen, werden Frauen mit Adipositas bereits in jungen Jahren mit dieser Erkrankung konfrontiert und begeben sich daher auch früher in ärztliche Behandlung als Männer.
Je nach BMI bieten sich verschiedene Therapieoptionen an (Tab. 1).

 

 

Die medikamentöse Therapie ist inzwischen eine wichtige Komponente im konservativen Management der Adipositas geworden. Tabelle 2 bietet eine Übersicht der dafür aktuell zugelassenen Wirkstoffe.

 

 

Bariatrische Chirurgie: Erfolgsversprechen vs. Langzeitfolgen

Der chirurgische Eingriff zur Gewichtsreduktion wird als bariatrische Operation bezeichnet. Diese Therapieform ist ab einem BMI ≥ 40 kg/m² indiziert bzw. auch schon bei einem BMI ≥ 35 kg/m², wenn zusätzlich > 2 adipositasassoziierte Komplikationen vorliegen. Die bariatrische Chirurgie ist zwar die invasivste, aber auch die wirksamste Therapie für PatientInnen mit hochgradiger Adipositas (BMI ≥ 40 kg/m²). In einer schwedischen Langzeitstudie (SOS-Studie) mit einem Beobachtungszeitraum von > 20 Jahren zeigte sich, dass PatientInnen mit Adipositas nach bariatrischer Operation im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne OP, im Schnitt um circa 3 Jahre länger leben. Trotzdem liegt die Lebenserwartung bei diesen PatientInnen 5 Jahre unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Ob das an den Begleiterkrankungen liegt oder an der Tatsache, dass postoperativ bis zu 50 % aller PatientInnen weiterhin einen BMI ≥ 30 kg/m² haben, und somit nicht als „geheilt“ gelten, ist noch unklar.
Je nach Operationsmethode können bis zu 80 % des überschüssigen Gewichts bzw. zwischen 10–20 BMI-Einheiten reduziert werden. Durch eine restriktive Verkleinerung des Magenvolumens („Schlauchmagen“ oder „sleeve resection“) oder zusammen mit einem malabsorbtiven Verfahren (Verkürzung der Darmpassage – „Y-Roux“ Magenbypass oder „Omega-Loop“-Magenbypass) wird die Kalorienmenge reduziert und die Zeit für die Resorption der Nährstoffe verkürzt. Der Magenbypass ist in Österreich die Methode der Wahl (70 % aller PatientInnen, die in den letzten 10 Jahren operiert wurden), gefolgt vom Schlauchmagen („sleeve resection“) mit etwa 25 %. Das Magenband wird kaum mehr angeboten, da sich zwischenzeitlich gezeigt hat, dass es auf die Pathophysiologie der Adipositas kaum eine Auswirkung hat und Hunger-/Sättigungsgefühl nicht betroffen sind.
Das perioperative Risiko ist geringer, wenn die Operation in Zentren mit einer hohen Fallzahl durchgeführt wird und der Performance-Status der infrage kommenden PatientInnen eine Operation möglich macht.

Mehr Eingriffe bei Frauen

Österreichweit haben sich in den letzten 10 Jahren weniger als 5 % aller Menschen mit Adipositas einer bariatrischen Operation unterzogen (70 % davon Frauen!), obwohl die aktuellen Therapie-Leitlinien den Stellenwert der bariatrischen Chirurgie mit solider Evidenz eindeutig festlegen.
Das Alter der Frauen zum Zeitpunkt der Operation ist deutlich niedriger als bei den Männern. Ein Drittel aller Frauen ist jünger als 35 Jahre und weist wenige bis gar keine anderen Komorbiditäten auf. Ihr BMI ist bei der Operation im Vergleich zu jenem von Männern niedriger. Diese jungen Frauen sollten über die Bedeutung einer Operation besonders gründlich aufgeklärt werden, insbesondere bei bestehendem Kinderwunsch, denn hier gilt die Empfehlung, eine Schwangerschaft in den ersten 12 Monaten postoperativ zu vermeiden, um mögliche Komplikationen für Mutter und Kind zu reduzieren
Männern wird vor einer bariatrischen Operation häufiger arterielle Hypertonie, Typ-2-Diabetes mellitus oder obstruktive Schlafapnoe diagnostiziert. Die Mortalität und die Wahrscheinlichkeit, postoperativ Komplikationen zu entwickeln, ist in den Langzeitbeobachtungsstudien zudem bei Männern höher als bei Frauen. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass Männer zum Zeitpunkt der Operation vergleichsweise älter und bereits „kränker“ sind. Frauen hingegen scheinen häufiger von Mangelzuständen und dem Dumping-Syndrom betroffen zu sein.

Nachsorge im Anschluss an eine bariatrische Operation

Postoperativ können Langzeitkomplikationen wie Mangelernährung entstehen. Indem die Insulinausschüttung noch lange Zeit nach dem Eingriff meist unverändert bleibt, besonders jene nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit, kann das sogenannte Spätdumping-Syndrom mit post-prandialer Hypoglykämie entstehen.
Neben Mangelernährung und Hypoglykämie können auch chirurgische Komplikationen auftreten (innere Hernie, Ulzerationen an der Anastomose) oder Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall. Eine lebenslange Nachsorge in spezialisierten Ambulanzen oder bei AllgemeinmedizinerInnen ist für den Therapieerfolg wichtig und muss gewährleistet sein. Hier wird der Gewichtsverlauf analysiert, der Ernährungsstatus überprüft und die bisherige medikamentöse Therapie angepasst. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Konzentration von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und Eiweiß im Blut gelegt. Ein Großteil der PatientInnen muss nach der OP Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, um Mangelzuständen vorzubeugen.


Literatur bei der Verfasserin


KOMMENTAR | Gender und Adipositastherapie

Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer
Leiterin der Gender Medicine Unit der Medizinischen Universität Wien und des Gender Instituts Gars am Kamp

In Österreich ist die Prävalenz von Adipositas bei Frauen und Männern vergleichbar und liegt etwas unter dem EU-Durchschnitt, 2019 betrug dieser 25 % (OECD). Eine für die Gesundheit erforderliche Gewichtsreduktion bei Adipositas erfolgt idealerweise durch eine konsequente Lebensstilveränderung. Gleichgeschlechtliche Gewichtsreduktionsprogramme und Low-Carb-Diäten dürften gerade bei Frauen rascher und nachhaltiger zum Erfolg führen. Ein Zusammenhang zwischen Stress, Gewicht und Stoffwechsel sowie eine Verbesserung von Gewicht, Stoffwechsel und Resilienz durch eine „very low calorie diet“ (VLCD) wurde in einer aktuellen La-Pura-Studie bestätigt. Falls konservative Maßnahmen nicht gelingen, sind auch pharmakologische Interventionen zur Gewichtsreduktion möglich: GLP-1-Analoga führen bei Frauen sogar stärker als bei Männern zu einer erfolgreichen Gewichtsabnahme, allerdings auch zu mehr Nebenwirkungen wie Übelkeit und gastrointestinale Beschwerden. Derzeit ist die bariatrische Chirurgie sicher die effektivste Maßnahme zu einer raschen Gewichtsreduktion, wenngleich auch langfristig regelmäßige Kontrollen und Substitutionstherapien zur Vermeidung von Mangelerscheinungen nötig sind. Prinzipiell liegen die Vorteile im Ausmaß der Gewichtsreduktion, unabhängig von der Methode.