Seit einigen Jahren mehren sich die Hinweise, dass die Mikroben, welche auf unserer Haut, in unserem Atmungs- sowie im Verdauungstrakt symbiotisch mit uns leben (das Mikrobiom), einen wichtigen Einfluss auf die Gesundheit haben. Ein gestörtes Mikrobiom kann zu Übergewicht, Stoffwechselstörungen, entzündlichen Darmerkrankungen (IBD) und sogar neuro-kognitiven Veränderungen führen. Störungen im Darmmikrobiom (Dysbiose) kennt man auch bei Allergien, besonders Nahrungsmittelallergien, atopischer Dermatitis und Asthma. Die Diversität der Mikroben wieder herzustellen ist daher auch eine bedeutende Maßnahme gegen Allergien. Unterschiedliche Faktoren können das Mikrobiom beeinflussen, wie die Art der Geburt, der Lebensstil inklusive körperlicher Betätigung und Naturbezogenheit, oder manche Medikamenteneinnahmen, wie Antibiotika und Magensäure supprimierende Mittel. Für das Darmmikrobiom spielt selbstverständlich auch die Ernährung eine zentrale Rolle.
Präbiotika werden als „Substrate, die selektiv von Wirtsmikroorganismen genutzt werden und einen gesundheitlichen Nutzen vermitteln“ definiert. Es können also sehr viele Moleküle und Lebensmittelgruppen als Präbiotika dienen, nicht nur – aber auch – Ballaststoffe.
Schon beim Stillen werden wichtige Faktoren für das Immunsystem und zum Schutz des Kindes übertragen, darunter auch die sogenannten humanen Milch-Oligosaccharide (HMO). Diese sind kompliziert aufgebaute Zuckerstrukturen und können vom kindlichen Verdauungstrakt nicht verdaut werden, dienen aber den Darmbakterien als förderliches Substrat und können somit als „Präbiotika“ eingestuft werden. Sie werden heute auch gezielt der Babyflaschennahrung zugesetzt.
In dieselbe Kerbe schlagen auch Galacto-Oligosaccharide (GOS), Fructo-Oligosaccharide (FOS) und Agaro-Oligosaccharide – alle vom menschlichen Verdauungstrakt nicht abbaubar, aber für die guten Darmbakterien ein optimales Subs-trat. Die am häufigsten eingesetzten oder zugesetzten Präbiotika sind resistente Stärke und Oligosaccharide wie Inulin und andere Fructo-Oligosaccharide (FOS), sie kommen hauptsächlich in pflanzlichen Lebensmitteln vor. Die positiven Lactobacilli können spezifisch damit „gefüttert“ werden, während Bifidobakterien auch spezifisch für FOS, Xylo-Oligosaccharide und Galacto-Oligosaccharide (GOS) sind. Letztere sind in großer Menge in Muttermilch zu finden und werden auch in isolierter Form unterschiedlichen Lebensmitteln zugesetzt (Tab.).
Neben der Konsumation von Präbiotika ist auch die Aufnahme von Ballaststoffen wichtig. Aus Tiermodellen weiß man, dass eine Diät mit niedrigem Ballaststoffgehalt die allergische Entzündungsreaktion verschlimmert, eine ballaststoffreiche Diät aber die allergischen Symptome in Nase und Lunge sowie auch die zelluläre immunologische Allergie-Antwort verhindert. Dies geht mit einer Erhöhung von bestimmten Bakterienspezies (Bacteroidetes und Actinobacteria sowie Lactobacilli und Bifidobacteria) einher.
Polysaccharidreiche und damit ballaststoffreiche Kost führt bei Kindern und Jugendlichen in Entwicklungs- oder Schwellenländern (Burkina Faso, Ägypten) zu überwiegend Bacteroidetes und viel weniger Firmicutes im Darmmikrobiom als die protein- und fettreiche Kost der westlichen Länder (Europa; USA). Auch die erwünschten Produkte, wie kurzkettige Fettsäuren, die durch die Verarbeitung der Nahrung durch diese Bakterienstämme entstanden, konnten in viel größerer Zahl im Stuhl der Kinder mit kohlenhydratreicher Kost nachgewiesen werden.
Es sind diese kurzkettigen Fettsäuren (Butyrat, Propionat, Acetat), welche maßgeblich an der Erhaltung der Darmzellen und damit der Dichte des Darmes und der Barrierefunktion beteiligt sind, den pH-Wert regulieren und wichtige Immunzellen optimal beeinflussen.
Bezüglich Allergien gibt es einen dokumentierten positiven Einfluss von ballaststoffreicher Ernährung auf das Mikrobiom und Allergie-Schutz im Tiermodell: geringe Ratio Firmicutes: Bacteroidetes besteht gleichzeitig mit verringertem IgE (total und allergenspezifisch), weniger Eosinophilen in Lunge, und verbesserter Lungenfunktion.
Bei Kindern zeigte sich ein Schutz vor Atemwegserkrankungen, wenn die Mutter in der Schwangerschaft mehr resistente Stärke zu sich nahm. Der Vergleich von Kindern mit und ohne Nahrungsmitttelallergie zeigte, dass die Gesunden im Rahmen der Beikost mehr selbstgekochte Speisen und mehr Obst und Gemüse erhielten als die allergische Peer-Kontrollgruppe. Bei erwachsenen Patienten konnte in einer Pilotstudie die Gabe des Oligosaccharids Lactosaccharose über 1 Jahr auch die IgE-Spiegel senken.
Ist es nun aber tatsächlich so, dass umgekehrt eine andere Nahrungszusammensetzung unbedingt negativ ist? Tatsächlich zeigen erste Versuche – wieder am Tier – dass eine fettreiche Diät einerseits zu Übergewicht und gleichzeitig zu erhöhtem Risiko für eine Allergie (Nahrungsmittelallergie) führt. Man konnte zeigen, dass diese ungünstige Ernährung das Mikrobiom verändert und das Allergie-Risiko unabhängig vom Übergewicht erhöht; zusätzlich konnte das Allergie-Risiko mit dem veränderten Mikrobiom an andere (sterile) Tiere transferiert werden. Zusammenfassend sollte daher der Empfehlung, 30 g Ballaststoffe pro Tag aufzunehmen, auch im Sinne der Allergievermeidung entsprochen werden (Tab.).
Bekanntermaßen spielen auch die ungesättigten Fettsäuren wichtige Rollen bei dem Zellwandaufbau und als Ausgangssubstanzen für Mediatoren (Prostaglandine, Leukotriene) innerhalb einer Entzündungsreaktion und Immunantwort. In unseren Breiten werden übermäßig viel Omega-6-Fettsäuren (aus pflanzlichen Fetten und Ölen) konsumiert, aber zu wenig Omega-3-Fettsäuren (aus Leinsamenöl und Fisch). Aal, Hering und auch Lachs sind Lieferanten für das immunmodulierende Vitamin D (Tab.).
Zu guter Letzt können vorteilhafte Bakteriengruppen auch mit Lebensmitteln direkt zugeführt werden, so finden sich Lactobacilli und Bifidobakterien vor allem in fermentierten Produkten (Tab.).
Viele Studien mit Einfluss von Ernährung auf Mikrobiom-Zusammensetzung und Krankheitsgeschehen existieren am Tiermodell, Studien am Menschen sind dagegen deutlich seltener, da natürlich hier bewusst Krankheiten, z. B. in der Kontrollgruppe mit niedrigem Ballaststoffgehalt, hervorgerufen werden könnten. Auch wissen wir noch nicht genau, welche Bakterien im Besonderen forciert werden sollten und ob möglicherweise eine personalisierte Diagnostik des Mikrobioms für individuelle Therapie bzw. Management notwendig sein werden, um Personen gesund zu erhalten oder allergische Patienten optimal zu behandeln – auch über Ernährungsempfehlungen.
Trotzdem scheint es zusammenfassend möglich zu sagen, dass für eine optimale Mikrobiom-Zusammensetzung die Ernährung pflanzlich betont, ballaststoffreich und vitaminreich sein und auch viele fermentierte Speisen und Produkte beinhalten sollte.
Literatur bei der Autorin
KOMMENTAR: Einfluss der Ernährung auf das HautbildDr. Dagmara Loader |
Ernährung kann das Hautbild bei atopischer Dermatitis auf vielfältige Weise beeinflussen. Bei Kindern konnte gezeigt werden, dass ein vermehrter Konsum von Omega-6-Fettsäuren zu einem Anstieg allergischer Erkrankungen, inklusive atopischer Dermatitis, geführt hat. Omega-6-Fettsäuren, wie beispielsweise Linolensäure, werden in der Leber über Zwischenstufen zur proinflammatorischen Arachidonsäure verstoffwechselt, aus der im weiteren Verlauf unter anderem Prostaglandine gebildet werden. Diese wirken auf dendritische Zellen, beeinflussen die T-Zell-Differenzierung und führen zu IgE-Bildung durch B-Zellen, wodurch sie zur Entwicklung einer Sensibilisierung beitragen. Omega-3-Fettsäuren haben hingegen ein protektives Potenzial gezeigt, mütterliche Einnahme von Fischölkapseln während der Schwangerschaft führte zu einem geringeren kindlichen Risiko, ein atopisches Ekzem zu entwickeln. Daraus ergibt sich die Empfehlung der Leitlinie zur Allergieprävention, Fisch in der Schwangerschaft zu konsumieren.
Weitere alimentär beeinflussbare Faktoren sind zum einen der Eisenstatus, hier konnte gezeigt werden, dass das kindliche Risiko, atopische Erkrankungen zu entwickeln, geringer war, je besser der Eisenstatus der Mutter in der Schwangerschaft gewesen ist. Auch das Darmmikrobiom ist einerseits durch eine ballaststoffreiche und als „mediterran“ bezeichnete Kost positiv beeinflussbar, andererseits konnte ein direkter Effekt von Probiotika (vor allem Bifidobacterium und Lactobacillus) auf die atopische Dermatitis bei Kindern erreicht werden.
Liegt vor allem bei Kindern eine Nahrungsmittelallergie vor, kann das über die Nahrung aufgenommene Allergen den Hautzustand durch IgE- und T-Zell-vermittelte Immunantworten verschlechtern. Umgekehrt hat jedoch auch das Hautbild der atopischen Dermatitis einen Einfluss auf Nahrungsmittelallergien. Wurden beispielsweise Kindern, die keine Erdnüsse über die Nahrung erhielten, erdnusshaltige Externa auf ekzematöse Haut appliziert, führte dies zur Entwicklung einer Erdnuss-Sensibilisierung.
Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergene konnten in manchen Fällen durch doppelblinde, placebokontrollierte Nahrungsmittelprovokationen als Auslöser von Ekzemschüben bei atopischer Dermatitis identifiziert werden.
© Marlene Rahmann