Das Jahr 2020 markiert den 50. Geburtstag der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Die für die vorjährige Frühjahrstagung geplanten Aktivitäten, unter anderem eine Ausstellung mit Bild und Tonmaterial, sind der COVID-bedingten Absage der Veranstaltung zum Opfer gefallen, und müssen auch im Jahr 2021, in dem nur ein virtuelles Meeting möglich ist, auf einen zukünftigen Zeitpunkt verschoben werden. Was bleibt, ist eine Buchpublikation im Auftrag der OeGHO, die für das Jubiläum vorbereitet wurde und den Mitgliedern bereits zugegangen ist.
Der Untertitel lautet Geschichte in Geschichten, was gleichzeitig das Konzept des Buches beschreibt. Im ersten Teil, der die „ÖGHO Jahre“ seit ihrer formellen Gründung 1970 zum Inhalt hat, kommen ihre Mitglieder als Erzähler zu den unterschiedlichsten Aspekten zu Wort. Ein Redaktionsteam seitens der ÖGHO sichtete vorhandenes (Bild-)Material und Beiträge der Erzähler, formulierte einen roten Faden, das Ergebnis wurde vom Verlagsteam professionell umgesetzt. Es werden die großen Herausforderungen und das soziale und gesellschaftliche Umfeld, die die Medizin ab den 1970er Jahren geprägt haben, beschrieben. Aus den erlebten Biographien kann man erahnen, mit welcher Begeisterung Forschung betrieben und für Patienten gekämpft wurde. Deutlich wird, wie in vielen Teilbereichen Pionierarbeit geleistet wurde. Meilensteine werden mit der selbstverständlichen Empathie für unser Fach geschildert, aber auch mit jener Prise Ironie, die sich im Rückblick ergibt.
Die Geschichte der Hämatologie und Onkologie in Österreich beginnt jedoch vor 1970. Dieser widmet sich der zweite Teil des Buches. Der Medizinhistoriker Herwig Czech von der Medizinischen Universität Wien wurde im Rahmen eines von der OeGHO finanzierten Forschungsprojekts dafür gewonnen, eine Aufarbeitung der Geschichte der Hämatologie und Onkologie vom 19. Jahrhundert, der Zeit der zweiten Wiener medizinischen Schule bis zur Gründung der OeGHO vorzunehmen. So entstand (gemeinsam mit Clemens Jobst) ein umfassender Beitrag für das vorliegende Buch, mit besonderem Fokus auf der Zeit des Nationalsozialismus. Mit Betroffenheit kann der interessierte Leser erfahren, wie ein erheblicher Anteil der akademischen Lehrer in unserem Fachgebiet verfolgt und vertrieben wurde, während gleichzeitig nicht wenige Kollegen in dieses verbrecherische System verwickelt waren.
Die Geschichte der OeGHO ist mit 2020 nicht zu Ende, viele Aufgaben warten auf die Hämato-Onkologen der Zukunft. Rückblick und Ausschau aus der Lektüre des Buches soll unter anderem junge Ärzte motivieren, voller Tatendrang die Herausforderungen des Faches anzunehmen.
OeGHO 2021, ERÖFFNUNGSSITZUNG – INKL. FESTVORTRAG „MEILENSTEINE DER HÄMATOLOGIE, MEDIZINISCHEN ONKOLOGIE & STAMMZELLTRANSPLANTATION“
Michael Pfeilstöcker, Wien; Buchpräsentation: 50 Jahre OeGHO