Für SARS-CoV-2 ist die Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch der wesentliche Übertragungsweg. Unter einer Tröpfcheninfektion versteht man eine Übertragung durch vergleichsweise große Tröpfchen (Durchmesser ≥ 5,0 μm). Diese großen Tröpfchen sedimentieren nach einer „Flugstrecke” von 1 bis 2 Meter. Darüber hinaus kann SARS-CoV-2 aber auch über kleinere infektiöse Tröpfchen (Aerosole) übertragen werden, die sich über weitere Distanzen in der Raumluft verteilen.1 Das Virus ist jedoch nach derzeitigem Wissensstand von den klassischen aerogen übertragenen Krankheitserregern (Masern, Varizellen, Tuberkulose) abzugrenzen. Es liegt somit eher eine „über eine reine Tröpfcheninfektion hinausgehende“ Übertragung vor.2
Aus der möglichen Übertragung von SARS-CoV-2 über Aerosole ergibt sich die Frage, welchen präventiven Nutzen Lüftungsanlagen oder „Luftreinigungsgeräte“ haben können. Andererseits stellt sich die Frage, ob raumlufttechnische Einrichtungen, wie Lüftungsanlagen oder Umluftkühlgeräte, unter Umständen eine Verbreitung des Virus begünstigen können.
Das Thema dieses Artikels sind raumlufttechnische Einrichtungen in Gesundheitseinrichtungen in Zusammenhang mit dem SARS-CoV-2.
Unter Laborbedingungen sind in der Raumluft nach einem Zeitraum von 3 Stunden noch infektionsfähige Viren nachweisbar.3 Ein rasches „Absterben“ des Virus in der Luft (Verlust der Infektionsfähigkeit) kann den hygienischen Überlegungen somit nicht zugrunde gelegt werden. Bei der Bewertung möglicher Risiken durch raumlufttechnische Einrichtungen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 spielt die Verdünnung der Viren in der Raumluft (bzw. in der Abluft, Zuluft oder Umluft) eine wesentliche Rolle. Es ist deshalb erforderlich, die minimale Infektionsdosis (MID) in die hygienischen Überlegungen miteinzubeziehen. Zur minimalen Infektionsdosis von SARS-CoV-2 liegen jedoch derzeit noch keine publizierten Daten vor. Bei vorsichtiger Umlegung der minimalen Infektionsdosis anderer respiratorischer Viren sowie aufgrund vorab veröffentlichter wissenschaftlicher Ergebnisse kann die Annahme zugrunde gelegt werden, dass eine Größenordnung von 102 bis 103 infektionsfähige Viren aufgenommen werden muss, um eine Infektion zu setzen.4–6
Lüftungsanlagen haben die Aufgabe, Abluft aus den Räumen abzusaugen und Zuluft in die Räume einzublasen. Ein infektionspräventiver Nutzen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 ist deshalb grundsätzlich gegeben, weil infektiöse Aerosole verdünnt bzw. abtransportiert werden. Eine „Mindestluftwechselrate“ gibt es hinsichtlich der Prävention von COVID-19 nicht. Je größer die Luftwechselrate ist, desto größer ist auch der infektionspräventive Nutzen. Es ist deshalb geboten, den Zuluft- und Abluftvolumenstrom so weit zu erhöhen, wie es aus technischer Sicht und mit Hinblick auf Komfortaspekte möglich ist. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass nicht nur die Luftwechselrate selbst als rechnerische Größe von Bedeutung für die Infektionsprävention ist, sondern auch die gerichtete Luftströmung, die von der Lüftungsanlage erzeugt wird.7 So kann z. B. der „zielgerichtete“ Abtransport infektiöser Aerosole von einer Bettenposition die Infektionsprävention zusätzlich unterstützen. Die Raumdurchströmung wird im Wesentlichen durch die Lage der Zu- und Abluftdurchlässe bestimmt.
Wie oben beschrieben, wird durch eine Lüftungsanlage die Abluft aus dem Gebäude transportiert und frische Zuluft (Außenluft) eingeblasen. Lüftungsanlagen sind somit in Zusammenhang mit einer Verbreitung des SARS-CoV-2 zunächst einmal unverdächtig. In der wissenschaftlichen Literatur sind bisher keine Fälle beschrieben, in welchen eine Übertragung von SARS-CoV-2 über eine zentrale Lüftungsanlage stattfand. Es gibt jedoch Ausführungsdetails in Lüftungsanlagen, die einen „Kurzschluss“ zwischen Abluft und Zuluft verursachen. In diesen Fällen ist eine hygienische Risikobewertung erforderlich. Das trifft auf die folgenden Ausführungsdetails zu:
Umluftbetrieb: Bei manchen Lüftungsanlagen ist ein sogenannter Umluftbetrieb vorhanden. Das bedeutet, dass ein Teil der Abluft „umgeleitet“ wird und neuerlich als Zuluft in die Räume eingeblasen wird. Nachdem die Abluft bereits Raumtemperatur hat, kann auf diese Weise Energie für die Erwärmung der Zuluft eingespart werden.
Rotationswärmetauscher sind eine Form der Energie- bzw. Wärmerückgewinnung. Rotationswärmetauscher bestehen aus einem Rad mit „Luftlöchern“, dessen eine Hälfte sich im Zuluftstrom befindet und dessen andere Hälfte im Abluftstrom. Beginnt das Rad sich zu drehen, wird Wärme von der Abluft in die Zuluft übertragen. Es kommt allerdings auch zu einem „Mitreißen“ von Abluft in den Zuluftstrom. Bei älteren Modellen kann diese „Falschluft“ > 5 % des Zuluftvolumenstroms betragen. Bei modernen Modellen geht der Anteil dieser „Falschluft“ hingegen gegen null. Insgesamt ist der „Kurzschluss“ zwischen Abluft und Zuluft bei einem Rotationswärmetauscher weitaus geringer als bei dem oben beschriebenen Umluftbetrieb.
In beiden Fällen muss aufgrund der konkreten Situation beurteilt werden, ob die Lüftungsanlage wie bisher weiterbetrieben werden kann oder ob in Zusammenhang mit SARS-CoV-2- Maßnahmen erforderlich sind.
Zu den Faktoren, die bei der hygienischen Risikobewertung zu berücksichtigen sind, zählen etwa der Grad der Verdünnung der Abluft bzw. der Zuluft in der Lüftungsanlage und die Raumfunktionen der versorgten Räume. Nachdem es sich bei einem Umluftbetrieb in den meisten Fällen „nur“ um eine Maßnahme zur Energieeffizienz handelt, ist das präventive Schließen der Umluftklappe, auch ohne vorherige hygienische Risikobewertung, grundsätzlich eine angemessene und sinnvolle Maßnahme.8 In vielen Fällen wird jedoch aus hygienischer Sicht ein Normalbetrieb der Lüftungsanlage auch im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 möglich sein. Das präventive Abschalten einer Lüftungsanlage „zur Sicherheit“, ohne vorherige hygienische Risikobewertung, ist nicht zu empfehlen, weil eine Lüftungsanlage, wie oben beschrieben, einen wesentlichen Beitrag zur Infektionsprävention im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 leisten kann.
Unter „Luftreinigungsgeräten“ sind hier alle mobilen Geräte zu verstehen, die Raumluft ansaugen, die angesaugte Luft desinfizieren bzw. entkeimen und die Luft danach wieder an den Raum abgeben. Hinsichtlich des Desinfektionsverfahrens sind Luftreinigungsgeräte mit eingebautem Schwebstofffilter (≥ Filterklasse H13 gemäß ÖNORM EN 1822) gemäß dem aktuellen Stand des Wissens effizienter als Geräte mit anderen Wirkprinzipien.9 Auch gegenüber UV-C-Strahlung ist SAR-CoV-2 empfindlich.10 Hier ist auf die erforderliche Mindeststrahlungsdosis zu achten.11 Alle Luftreinigungsgeräte, die in der Raumperipherie aufgestellt sind, sind jedoch mit dem grundsätzlichen Nachteil behaftet, dass sie die direkte Übertragung von SARS-CoV-2 durch Tröpfcheninfektion zwischen den Menschen nicht verhindern können. Luftreinigungsgeräte können deshalb andere Maßnahmen zur Prävention einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht ersetzen, sondern lediglich sinnvoll ergänzen. Ein sehr interessantes Einsatzgebiet von Luftreinigungsgeräten ist aus hygienischer Sicht die direkte „Absaugung“ von virushaltigen Tröpfchen bzw. Aerosolen unmittelbar am Ort ihrer Entstehung (z. B. bei zahnärztlichen Behandlungen oder bei der nichtinvasiven Beatmung von Patienten mit COVID-19).
Umluftkühlgeräte haben die Funktion, Raumluft anzusaugen, sie über ein Kühlregister zu führen und danach wieder an den Raum abzugeben. Über Umluftkühlgeräte erfolgt somit lediglich eine Umwälzung der Raumluft. In der wissenschaftlichen Literatur sind bisher keine Fälle beschrieben, in welchen eine Übertragung von SARS-CoV-2 durch Luftumwälzung über ein Umluftkühlgerät nachgewiesen wurde. Es existiert derzeit keine Richtlinie oder Vorgabe, wonach Umluftkühlgeräte im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 außer Betrieb zu nehmen sind. Dennoch ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass über ein Umluftkühlgerät eine wirksame Verteilung des SARS-CoV-2 in der Raumluft erfolgt. Es sollte deshalb auch bei Umluftkühlgeräten eine hygienische Risikobewertung erfolgen. Dabei ist im Wesentlichen die Lage der Ansaugöffnung zu berücksichtigen. Wenn sich die Ansaugöffnung z. B. unmittelbar über Kopfhöhe befindet, kann eine relevante Menge an Viren angesaugt werden und mit der gekühlten Umluft in den Raum ausgeblasen werden. In der Praxis kann das z. B. bei Anstellsituationen in einem Warteraum relevant werden. Die Filter, die in Umluftkühlgeräten zumeist werksseitig verbaut sind (grobe Flusenfilter), weisen kein wesentliches Rückhaltevermögen für Tröpfchen oder gar Viren auf. Eine vergleichbare Situation kann sich bei Torluftschleiern ergeben, welche die Luft unmittelbar über oder neben Personen ansaugen und über einen starken Ventilator ungefiltert in den Raum zurückblasen.
Lüftungsanlagen haben einen infektionspräventiven Effekt im Zusammenhang mit SARS-CoV-2, weil infektiöse Aerosole verdünnt bzw. abtransportiert werden. Wenn ein „Kurzschluss“ zwischen Abluft und Zuluft besteht (Umluftbetrieb, Rotationswärmetauscher), ist eine hygienische Risikobewertung erforderlich. Das präventive Abschalten einer Lüftungsanlage „zur Sicherheit“, ohne vorherige hygienische Risikobewertung, ist hingegen keine sinnvolle Maßnahme.