Die menschliche Würde wird als ethisches Fundament betrachtet, und es gilt, diese zu schützen und zu respektieren. Mit Hilfe des Informed Consent kann die Autonomie der PatientInnen im Krankenhausalltag gewahrt werden. Im Falle, dass Personen ihre eigenen Vorstellungen nicht mehr äußern können, muss trotzdem versucht werden, den mutmaßlichen Willen zu ermitteln. PatientInnenverfügungen, Vorsorgevollmachten sowie gesetzliche VertreterInnen können dazu einen wertvollen Beitrag leisten.1 Die moderne Medizin ermöglicht es, schwerstkranke Menschen mittels Pharmazeutika und diverse medizintechnische Geräte selbst dann noch am Leben zu erhalten, wenn die Situation bereits aussichtslos erscheint. Damit gehen jedoch auch ethische Konflikte einher.2 Advance Care Planning (ACP) dient der gesundheitlichen Vorausplanung und ist ein kontinuierlicher Kommunikationsprozess zwischen der betroffenen Person, den Angehörigen, einer geschulten Gesprächsbegleitung sowie dem behandelnden ärztlichen Personal. Das Ziel ist es, eine gemeinsame Entscheidung auf Basis des Informed Consent zu treffen. Als Ergänzung zur PatientInnenverfügung ermöglicht ACP, dass nichtäußerungs- oder nicht mehr entscheidungsfähigen Personen ihre früher festgelegten Vorstellungen einfacher erfüllt werden können.3 In Österreich wird diese Art der Vorausplanung auch als Vorsorgedialog® bezeichnet.4 In Krankheitsfällen, in welchen PatientInnen noch äußerungsfähig sind, erwarten diese meist, dass ÄrztInnen auf sie zukommen und mögliche Behandlungsentscheidungen mit ihnen besprechen.5 In einer in Deutschland durchgeführten Studie mit 394 Befragten wurde festgestellt, dass 92 % der Personen mit einer onkologischen Erkrankung ohne PatientInnenverfügung nie ein solches Gesprächsangebot erhielten. Über 50 % würden sich jedoch ein ärztliches Gespräch bezüglich der künftigen Behandlungsentscheidungen wünschen.6 Solche Situationen könnten durch ACP verbessert werden.7
Das Ziel dieser explorativen Pilotstudie war es, das aktuelle Wissen, die Erfahrungen sowie die Einstellung von Pflegepersonen im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege aus den Bereichen der Intensiv-, der Palliativ- und der Langzeitpflege in Bezug auf ACP in Österreich darzustellen.
Methode: Im Rahmen der Studie wurden Pflegepersonen der drei genannten Bereiche zum Thema ACP befragt. In diesen Settings kommt es gehäuft zu schwierigen Entscheidungen am Lebensende.8–10 Es wurde eine passive Rekrutierung der Testpersonen durchgeführt (August–Oktober 2019). Zur Datenerhebung wurde ein vollstandardisierter Online-Fragebogen verwendet. Der WEEA-Fragebogen (Fragebogen zur Erfassung des Wissenstandes, der Erfahrungen und der Einstellungen von Pflegepersonen im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege in Bezug auf ACP in Österreich) wurde entwickelt und einem ersten Validierungsprozess unterzogen. Vor der eigentlichen Datenerhebung wurden kognitive Interviews mit acht Pflegepersonen der drei Bereiche durchgeführt.
Ergebnisse: Die Stichprobe (n = 329) bestand zu knapp 80 % aus Frauen, das Durchschnittsalter betrug 41 Jahre (SD = ± 11; R = 21–61). Den Großteil der Stichprobe stellten Langzeitpflegepersonen mit 45 % (n = 142) und Intensivpflegepersonen mit 42 % (n = 134) dar. Den kleinsten Anteil bildeten Palliativpflegepersonen mit 13 % (n = 41). Die Ergebnisse zur Dimension Wissen über ACP werden nachfolgend beschrieben. Unter den Befragten war die PatientInnenverfügung zu über 97 % und die Vorsorgevollmacht zu über 89 % bekannt. Den Vorsorgedialog® kannten über 60 % der Palliativ- und Langzeitpflegepersonen, jedoch nur 7 % der Intensivpflegepersonen. Weiters wurden sechs Aussagen über den Begriff ACP und drei Aussagen zur PatientInnenverfügung getätigt. Bei dem Themengebiet ACP schnitten erneut die Palliativpflegepersonen am besten ab. Im Durchschnitt beantworteten sie 51 % der Fragen richtig. Im Vergleich dazu waren es bei den Langzeitpflegepersonen 40 % und bei den Intensivpflegepersonen 33 %. Bei den Aussagen bezüglich der PatientInnenverfügung gaben alle drei Bereiche im Durchschnitt zwischen 69 % und 76 % richtige Antworten. Auch die Validierung des WEEA-Fragebogens wurde forciert. Das Instrument wurde hinsichtlich der internen Konsistenz überprüft und eine Hauptkomponentenanalyse wurde durchgeführt. Nach diversen Analyseschritten wurde eine Drei-Faktoren-Lösung mit 15 Items erstellt. Insgesamt werden 55 % der Gesamtvarianz damit erklärt. Diese Lösung weist folgende Cronbachs-Alpha-Werte auf: allgemeine Kommunikation und Dokumentation am Lebensende α = 0,837; Erstellung von ACP beziehungswiese von Vorsorgedokumenten in speziellen Situationen α = 0,808; die Rolle von Pflegepersonen im ACP-Prozess α = 0,629. Bei dem ersten Faktor „allgemeine Kommunikation und Dokumentation“ wurde deutlich, dass dieser je nach Fachbereich einen unterschiedlichen Stellenwert hat: Palliativpflegepersonen gaben an, häufiger Gespräche über die letzte Lebensphase und den Tod mit PatientInnen und Angehörigen zu führen als Personen der anderen Fachbereiche. Der zweite Faktor beschreibt die Erstellung von ACP bzw. von Vorsorgedokumenten in speziellen Situationen. Insgesamt stimmten über 85 % der Befragten zu, dass Personen vor schwerwiegenden, risikoreichen Operationen über Vorsorgedokumente informiert werden sollten. Über 80 % stimmten zu, dass alle BewohnerInnen einer Pflegeeinrichtung zukünftig über ein Vorsorgedokument verfügen sollten. Der dritte Faktor thematisiert die Rolle von Pflegepersonen im ACP-Prozess. Bei diesem Faktor lässt sich erkennen, dass sich Langzeitpflegepersonen am besten informiert fühlen und am häufigsten Informationen bezüglich Vorsorgedokumenten an BewohnerInnen weitergeben.
Diskussion: Damit ACP auch in Österreich gelebt werden kann, muss Wissen darüber generiert werden. Die Umsetzung von ACP in Österreich befindet sich noch in den Kinderschuhen. Im Jänner 2017 startete ein Pilotprojekt zur Implementierung des Vorsorgedialogs® in Pflegeheimen.11 Angemerkt wird, dass die Forschungsfragen nur bedingt beantwortet werden konnten. Die drei ursprünglichen Hauptzielgrößen Wissen, Erfahrungen und Einstellung wurden im Laufe der Studie wissenschaftlich überarbeitet.
Pflegepersonen haben einen hohen Stellenwert bei Entscheidungen am Lebensende.7 Außerdem haben sie eine Schlüsselfunktion, wenn es um die Verbreitung von ACP geht.12 Es lässt sich erkennen, dass ACP im Vergleich zu anderen Vorsorgedokumenten unter den teilnehmenden Pflegepersonen in Österreich noch eher unbekannt ist. Am relevantesten für dieses Kapitel erscheinen die kognitiven Interviews sowie die Auswertung der Freitextanmerkungen. Hieraus wird geschlussfolgert, dass ein dringender Handlungsbedarf besteht und die jetzige Situation der Entscheidungsfindung am Lebensende unbefriedigend für Pflegepersonen ist. Die fehlenden Informationen zu diesem Thema und das Handeln im Graubereich belasten Pflegende zum Teil schwerwiegend. Als erste Implikation für die Pflegepraxis wurde das in der Abbildung dargestellte Rahmenkonzept abgeleitet.13 Das Vorantreiben der Implementierung von ACP muss auch auf politischer Ebene geschehen. In anderen Ländern werden beispielsweise die Kosten für ACP-Gespräche übernommen.14, 15