Palliativmedizinische Ansätze sollen bei PatientInnen, die an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Dies kann durch Vorbeugung und Linderung von Symptomen wie Schmerzen oder anderen Leiden physischer, psychischer, sozialer und spiritueller Natur erreicht werden. 60–90 % aller PatientInnen mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen geben Schmerzen als Hauptsymptom an. Zusätzlich können aber auch andere körperliche Beschwerden wie Dyspnoe oder Fatigue und psychische Komponenten wie Angst und Depression auftreten. Die Symptomkontrolle umfasst viele Bereiche. Schmerztherapie ist somit erst der Anfang einer palliativen Betreuung. Denn Atemnot in der Sterbephase wird von den PatientInnen häufig als quälender und angstauslösender empfunden als der stärkste vorstellbare Schmerz. Das zusätzliche Auftreten von psychiatrischen Ereignissen wie dem Delir, das in der Finalphase nicht selten ist, kann eine palliative Sedierung notwendig machen. Zur Leidenslinderung ist eine palliative Sedierung als Ultima Ratio eine Therapiemaßnahme, um therapierefraktäre Symptome am Lebensende zu mildern. Palliative Sedierung ist somit kein medizinischer Standard und bedarf der Expertise eines multiprofessionellen Teams.
Unter palliativer Sedierung versteht man überwachtes Verabreichen von Medikamenten, die eine reduzierte oder aufgehobene Bewusstseinslage hervorrufen. Damit soll die Belastung durch therapierefraktäre Symptome sowohl für den Patienten/die Patientin als auch für Angehörige reduziert werden. Als therapierefraktär gelten Symptome, die durch die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten nicht effektiv kontrolliert werden können. Zudem spricht man von therapierefraktär, wenn auch nach wiederholter und aufmerksamer Beurteilung erfahrener Expertinnen und Experten keine Möglichkeit einer Linderung zur Verfügung steht oder der Betroffene/die Betroffene aus einer möglichen Behandlung keinen adäquaten Nutzen ziehen kann.
Formen der palliativen Sedierung: Im Rahmen der palliativen Sedierung wird zwischen der oberflächlichen und tiefen bzw. der kontinuierlichen und intermittierenden Sedierung unterschieden. Grundsätzlich wird mit der oberflächlichen, intermittierenden Sedierung begonnen, welche das vorrangige Ziel hat, PatientInnen sicher von den belastenden Symptomen zu befreien und somit eine physische und psychische Regeneration zu ermöglichen. Jene Art der Sedierung ist reversibel, und es wird individuell über Dauer und Frequenz entschieden. In diesem veränderten Wachbewusstseinszustand ist eine verbale Kommunikation weiterhin möglich. Erweiternd kann dann in die oberflächliche und kontinuierliche Form übergegangen werden. Dabei ist der Patient/die Patientin je nach Dosierung somnolent bis soporös, jedoch immer weckbar. Durch das ermöglichte Aufwachen kann bewertet werden, ob die Symptome bereits gelindert wurden oder die Sedierung weiterhin notwendig ist. Im Gegensatz dazu steht die tiefe, kontinuierliche Sedierung. Diese Form soll erst in Betracht gezogen werden, wenn die oben angeführten Sedierungsmöglichkeiten kein zufriedenstellendes Ergebnis brachten. Außerdem sollte sie erst dann zum Einsatz kommen, wenn innerhalb von wenigen Stunden bis Tagen mit dem Tod gerechnet werden muss, der Patient/die Patientin dies ausdrücklich erbittet oder eine extreme Notfallsituation eintritt. Unter einer Notfallsituation im terminalen Stadium unheilbarer Erkrankungen versteht man z. B. eine unstillbare, massive Blutung, ausgeprägte Atemnot oder Erstickungszustände. Während der tiefen Sedierung ist die verbale Kommunikation nicht möglich.
Ziel oder Folge? Da viele Medikamente sedierend wirken, muss grundsätzlich unterschieden werden, ob ein Sedierungseffekt das primäre Therapieziel ist oder als Wirkung eines Medikamentes eintritt, das ursprünglich zur Behandlung eines anderen Symptoms eingesetzt wurde. Wenn der Patient/die Patientin am Anfang einer Opioidtherapie unter ständiger Müdigkeit leidet oder unüblich lange schläft, ist ein unerwünschter und unbeabsichtigter Sedierungseffekt eingetreten, und es bedarf einer therapeutischen Änderung. Am Ende einer Tumorerkrankung kann es jedoch zu einem erhöhten Bedarf an Opioiden und infolgedessen zu einer Sedierung kommen. Wäre eine Therapie gegen diese Müdigkeit nicht förderlich für die Lebensqualität und würde das Leiden verstärken, kann der Sedierungseffekt akzeptiert werden. Dieses Phänomen wird auch als „Double Effect Rule“ bezeichnet.
Voraussetzungen, die für die Indikation einer palliativen Sedierung bestehen müssen, werden vielfach diskutiert. Das Vorliegen einer terminalen Erkrankung kann dabei als jene Indikation gesehen werden, über die vorrangig Einigkeit herrscht. Aber auch in diesem Fall werden klare Einschränkungen festgelegt. So darf, wie zuvor erwähnt, nur bei einem erwarteten Tod innerhalb von Tagen oder Stunden eine kontinuierliche, tiefe Sedierung vorgenommen werden. Außerdem muss der Betroffene/die Betroffene unter therapierefraktären, unerträglichen Symptomen leiden, die nicht durch andere Therapiemaßnahmen oder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes bekämpft werden können. Therapierefraktäre Symptome wie das agitierte Delir, Schmerzen, Dyspnoe, Krämpfe sowie Übelkeit und Erbrechen werden in Studien am häufigsten genannt.
Ein Beratungs- bzw. Aufklärungsgespräch steht am Beginn jeder Sedierung und muss unbedingt erfolgen, wenn die Sedierung die einzige Möglichkeit ist, eine Symptomlinderung innerhalb eines definierten Zeitraums zu erreichen. Dieses Gespräch, welches durchaus auch als Diskussion angesehen werden kann, muss verschiedene Punkte beinhalten und berücksichtigen. Das Ziel und die Methode bzw. die Tiefe der Sedierung müssen im Rahmen der Aufklärung besprochen werden. Außerdem sind weiterführende Therapien, pflegerische Handlungen und zu erwartende Folgen der geplanten Maßnahme Inhalt des Gespräches. Die Diskussion soll auch mögliche Risiken sowie andere Behandlungsmöglichkeiten, aber auch die zu erwartende Entwicklung und Überlebenszeit ohne Sedierung beinhalten. Die geplante Sedierung muss immer auf den Allgemeinzustand des Patienten/der Patientin abgestimmt werden. Da schwache und müde PatientInnen, die sich in der letzten Lebensphase befinden, nur begrenzt ihre Aufmerksamkeit bündeln können, muss auf deren kognitive Ressourcen Rücksicht genommen werden. Dies wiederum erfordert ein hohes Maß an Empathie.
Die Zustimmung zur Sedierung geben die PatientInnen. Voraussetzung ist die Einsichts- und Urteilsfähigkeit der Betroffenen. Auch bei Konflikten zwischen Angehörigen und PatientInnen ist der Wille des Patienten/der Patientin maßgeblich. Angehörige von PatientInnen, die nicht einsichts- und urteilsfähig sind, können einer Sedierung nur zustimmen, wenn sie die gesetzliche Vertretung innehaben und es dem Willen oder dem Wohl des Betroffenen entspricht. Bei fehlender Entscheidungskompetenz können auch juristische Vertreter die Zustimmung erteilen. Die Entscheidung zur Sedierung durch den Arzt/die Ärztin erfolgt dann, wenn PatientInnen nicht einsichts- und urteilsfähig sind und keine bevollmächtigte Person zur Verfügung steht. Ebenso erfordern Umstände, die als „Gefahr im Verzug“ zu werten sind, also mit großer Wahrscheinlichkeit zum Tod führen, keine Einwilligung der PatientInnen oder der gesetzlichen Vertretung. Zu diesen massiven Symptomen zählen etwa selbstschädigendes Verhalten bei terminalem Delir und Ersticken bei Hämoptyse oder durch Einengung der Atemwege. Die Indikation zur palliativen Sedierung wird zwar vom Arzt/von der Ärztin gestellt, die Sedierung idealerweise aber gemeinsam mit dem Pflegepersonal begonnen.
Die Betreuung während der palliativen Sedierung bringt einige Herausforderungen mit sich. Diese können mit den Effekten der verwendeten Medikamente zusammenhängen, aber auch unmittelbar dem Sterben zugehören. Zu den medikamentös vermittelten Effekten zählen etwa geöffnete Augen und Mund, Verlust der Fähigkeit zur eigenständigen Lagerung, beeinträchtigte Ausscheidungsfunktionen oder veränderte bzw. beeinträchtige Kommunikation. Respektvoller Umgang mit den Betroffenen und Angehörigen während der Sedierung steht an erster Stelle; die Betreuungsintensität richtet sich nach den Wünschen der Betroffenen. Zu den pflegerischen Maßnahmen gehören unter anderem Gespräche mit PatientInnen und dem vertrautem Umfeld, Mund- und Körperpflege sowie die Vorbeugung und Pflege von Lagerungskomplikationen. In jedem Fall soll die emotionale und körperliche Intimität gewährleistet werden. Ausgeprägte Mundtrockenheit, Xerostomie, ist eines der häufigsten Symptome in der Palliativpflege und kann durch eine sehr sorgfältige Mund- und Lippenpflege gelindert werden. Diese wird nie gegen den Willen der Betroffenen durchgeführt. Auch Angehörige können diese Tätigkeit übernehmen und somit etwas zum Wohlbefinden der Kranken beitragen. Die reduzierte Tränensekretion sowie die fehlende bzw. gestörte Lidfunktion können bei sedierten PatientInnen zu einer Austrocknung der Augenoberfläche führen. Aus diesem Grund wird empfohlen, einen Augenoberflächenschutz in die Augen zu applizieren. Da das Wohlbefinden der PatientInnen übergeordnete Priorität hat, muss bei allen Handlungen abgewogen werden, ob sie notwendig, lindernd oder belastend für die PatientInnen sind. Meist werden nur noch wenige pflegerische Tätigkeiten benötigt, und die Pflege verändert sich. Sie kann nicht nach Routine erfolgen, sondern muss sich an den aktuellen Bedürfnissen orientieren. Inadäquate Maßnahmen werden als sehr belastend wahrgenommen und sollten vermieden werden. Die Ganzkörperpflege wird mitunter als beschwerlich erlebt und kann durch Teilwäschen ersetzt werden. Anstatt häufiger Lagewechsel sind sogenannte Mikrolagerungen empfohlen. Wenn diese wiederholten Mikrolagerungen sehr behutsam ausgeführt werden, stellen sie selbst bei Schlafenden keine Störung dar. Auch Bettauflagen oder entsprechende Matratzen wie etwa Wechseldruckmatratzen können Abhilfe schaffen, wenn sie geräuscharm sind und die Betroffenen nicht weiter irritieren.
Grundsätzlich gilt es, mit den PatientInnen zu klären, welche Personen wie intensiv in den Sedierungsprozess einzubeziehen sind. Nach Möglichkeit und mit Einverständnis der Betroffenen sollten Angehörige bereits in das Aufklärungsgespräch miteinbezogen werden. Zudem müssen sie darüber aufgeklärt werden, dass die Kommunikationsmöglichkeit mit einer sedierten Person eingeschränkt ist oder auch ganz wegfallen kann. Weiters ist es wichtig, dass betreuende Personen darüber informiert werden, dass andere Therapieoptionen unzureichend wirksam waren, die Sedierung bei Notwendigkeit reduziert oder beendet werden kann und es unwahrscheinlich ist, dass das Leben durch die getroffene Maßnahme verkürzt wird. Angehörige sind im Rahmen der palliativen Sedierung großen Belastungen ausgesetzt und sollten bei Bedarf hinsichtlich physischer, psychischer, emotionaler und spiritueller Bedürfnisse Unterstützung erhalten. Qualifizierte Beratung durch Psychologinnen und Psychologen oder SeelsorgerInnen kann in diesem Fall hinzugezogen werden. MitarbeiterInnen, die am Prozess der palliativen Sedierung beteiligt sind, sind in umfassender Weise gefordert. Deshalb ist sowohl der Informations- als auch der Schulungsbedarf des Personals zu berücksichtigen. Zudem ist es wichtig, dass alle Beteiligten die Ziele und auch die Gründe der palliativen Sedierung verstanden haben. Die emotionalen, psychischen, physischen und spirituellen Bedürfnisse des Personals dürfen keinesfalls vernachlässigt werden. Multiprofessionelle Gespräche, die auch Raum für persönliche Anliegen geben, können den geeigneten kommunikativen Rahmen bilden.
Eine geeignete Form der Überwachung stellt die klinische Beobachtung dar. Diese umfasst die aus der Distanz beobachteten Phänomene wie Atemfrequenz, Atemgeräusche, Atemmuster, Mimik, Körperspannung, Motorik, Lautäußerungen oder auch Tränenfluss. Zudem können auch Symptome wie Pulsfrequenz, Hautfeuchtigkeit oder Muskeltonus beobachtet werden. Wenn eine verbale Rückmeldung zur Einschätzung von Symptomen aufgrund der Sedierungstiefe nicht möglich ist, sollten Instrumente der Fremdbeobachtung verwendet werden. Jegliche Untersuchungen sollten jedenfalls so durchgeführt werden, dass die PatientInnen möglichst wenig gestört werden. Die apparative Diagnostik wird vor allem in der unmittelbaren Sterbephase nicht empfohlen. Im Rahmen einer kurzfristigen Sedierung bei einer Lebenserwartung von mehr als 2 Wochen ist die Überwachung anzupassen. Die Häufigkeit der Überwachung ist abhängig von der Sedierungsform und beinhaltet unter anderem die Einschätzung der Intensität des Leidens und der Sedierungstiefe mit den Effekten auf das Bewusstsein. Ein geeignetes Instrument zur Überwachung der Sedierungstiefe ist die RASS-PAL Scale. Der große Unterschied zu RASS (Richmond Agitation Sedation Scale) besteht darin, dass keine Antwort auf einen Schmerzreiz zur Klassifizierung erforderlich ist. Die Überwachung während der palliativen Sedierung grenzt sich wesentlich von der Tötung auf Verlangen und dem assistierten Suizid ab. Die Dokumentation dient dazu, Informationen für alle Beteiligten verfügbar und den Prozess transparent und nachvollziehbar zu machen. Grundsätzlich müssen darin die Indikation der Sedierung und der Entscheidungsprozess enthalten sein. Außerdem sollten die Ziele der Betreuung sowie die Dauer und Tiefe der Sedierung erfasst werden. Die Dokumentation sollte immer zeitnah erfolgen und allgemein verständlich sein.
Im Zuge meiner literaturbasierten Arbeit während meiner Ausbildung zum Schmerzmanager wurde mir bewusst, dass die palliative Sedierung zur Linderung therapierefraktärer Symptome im Rahmen einer End-of-Life Care kein leichtfertiges, standardisiertes Verfahren ist, sondern immer als eine Ultima Ratio mit sehr präziser Indikationsstellung zu verstehen ist. Die Entscheidung über Indikation und Form der palliativen Sedierung obliegt in erster Linie dem/der PalliativmedizinerIn. Die Praxis zeigt aber, dass bei der optimalen Entscheidungsfindung immer ein multiprofessionelles Team wünschenswert ist. Die Pflege kommt speziell bei der Durchführung der Maßnahmen sowie bei der Überwachung und Begleitung des Patienten/der Patientin und seiner/ihrer Angehörigen zum Tragen. Deswegen wäre es von Vorteil, wenn die Pflege bereits in das Aufklärungsgespräch und in weiterer Folge in die Entscheidungsfindung miteinbezogen werden würde, da die Pflege den größten Teil der Zeit am Patienten/an der Patientin bzw. mit den Angehörigen arbeitet. Aufgrund dessen sind spezielle Kenntnisse für das Personal auf Palliativstationen notwendig.
Die jetzige Situation zeigt, dass wichtige Parameter wie Atemfrequenz und -tiefe, Sauerstoffsättigung sowie Pulsfrequenz und Schmerzzeichen überwacht und auch dokumentiert werden, jedoch ist derzeit zum Feststellen der Sedierungstiefe kein adäquates Instrument vorhanden. Zumindest ein Überwachungsblatt ist Grundvoraussetzung für die lückenlose Dokumentation. Die RASS-PAL-Scale würde dabei eine optimale Hilfestellung geben, um die Sedierungstiefe zu erfassen und festzuhalten. Eine Implementierung wäre zwingend nötig. PatientInnen bedürfnisorientiert zu versorgen beinhaltet in der palliativen Pflege minimales Handling – also so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Teilwaschungen, Mikrolagerungen, spezielle Mund- und Lippenpflege sowie Augenpflege gehören zu diesen Tätigkeiten. Ein würdevoller Umgang und sensible Gesprächsführung mit PatientInnen und Angehörigen ist ein Kriterium für Pflegehandlungen hinsichtlich der End-of-Life Care. Dementsprechend sind neue MitarbeiterInnen in Bezug auf die oben angeführten Pflegemaßnahmen zu sensibilisieren.