Diabetes mellitus Typ II ist ein globales Gesundheitsproblem, das im Vormarsch begriffen ist. Derzeit leiden knapp 400 Millionen Menschen an Typ-II-Diabetes. Diese Zahl wird in den nächsten 12 Jahren um 50 % auf ca. 600 Millionen steigen. Dieses Kollektiv an Patienten ist einem doppelten relativen Risiko für „all-cause mortality“ ausgesetzt, dieses doppelte Sterberisiko wird vornehmlich durch eine nahezu Verdoppelung der kardiovaskulären Mortalität getragen. Jeder zweite Patient mit Diabetes mellitus entwickelt eine Herzinsuffizienz, und 2 von 5 Diabetespatienten entwickeln eine Niereninsuffizienz als makro- bzw. mikrovaskuläre Komplikation. Sie wird durch eine schwelende Inflammation getragen, angefeuert durch die ständige Hyperglykämie.
Daher liegt es nahe, bei einer adäquaten antidiabetischen Therapie eine Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse zu erwarten. Dies ist historisch allerdings nicht oder nur kaum gelungen. Bis auf Metformin in der UKPDS-34-Studie gab es keine positiven Auswirkungen einer blutzuckerregulierenden Therapie auf eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse.
Ganz im Gegenteil: Historisch gibt es viele Beispiele negativer Effekte antidiabetischer Medikation auf kardiovaskuläre Ereignisse. So waren beispielsweise Muraglitazar oder Rosiglitazon mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, kardiovaskulären Tod bzw. Myokardinfarkt assoziiert, auch das viel diskutierte ACCORD Trial 2008 zeigt eine erhöhte Gesamtsterblichkeit bei intensiver blutzuckersenkender Therapie im Vergleich zu konventioneller Therapie. Daher entschlossen sich die FDA 2008 und die EMA 2012 dazu, vor Zulassung von Diabetesmedikation klinische Studien mit dem Ziel der Analyse kardiovaskulärer Ereignisse zu verlangen. Dabei schlossen die DPP-IV-Hemmer, aber auch teilweise die GLP-1-Agonisten eher neutral ab. In der SAVOR-TIMI-53-Studie zeigte Saxagliptin sogar negative Ergebnisse in Bezug auf Hospitalisierung bei Herzinsuffizienz. Daher waren die Überraschung sowie auch die Freude groß, in den kardiovaskulären Ereignisstudien der SGLT-2-Hemmer so positive Effekte auf die Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz, aber auch auf kardiovaskulären Tod und die Gesamtsterblichkeit zu sehen. Dies sind für den österreichischen Markt bedeutende Studien:
Aufgrund dieser erfreulichen Ergebnisse wurden in der Folge auch Patienten ohne Diabetes eingeschlossen, nämlich jene mit einer Linksventrikelfunktion von weniger als 40 % Ejektionsfraktion (EF) und einem erhöhten NT-proBNP. Die DAPA-HF-Studie, die 4.744 Patienten inkludierte, verglich die Behandlung mit Dapagliflozin 10 mg 1-mal täglich und Placebo. Als primärer Endpunkt wurde kardiovaskulärer Tod oder Verschlechterung der Herzinsuffizienz gewählt. Bei einem Kollektiv von Patienten mit weniger als 40 % Linksventrikelfunktion und NT-proBNP < 600 pg/ml im Stadium NYHA II bis IV sowie einer eGFR > 30 ml/min konnte beobachtet werden, dass sich der primäre Endpunkt um 26 %, der kardiovaskuläre Tod um 18 % und die Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen um 30 % reduzierten. Bemerkenswert ist, dass diese Effekte bereits nach 28 Tagen sichtbar waren. Ebenfalls wichtig zu erwähnen ist, dass dieser Therapieerfolg unabhängig von anderen Herzinsuffizienz-Medikamenten und völlig unabhängig vom HbA1c und vom Alter war. Hinsichtlich Sicherheit konnten die initialen Bedenken bezüglich gehäuftem Auftreten von Amputationen oder Fournier-Gangrän erfreulicherweise entkräftet werden. Als Nebenwirkungen sind Genitalinfektionen zu erwähnen, die häufiger als unter Placebo-Therapie auftraten und mittels Aufklärung und Apell an die Hygiene im Intimbereich gut zu managen sind. Harnwegsinfekte traten nicht häufiger auf.
Aufgrund dieser Studienergebnisse wurde Dapagliflozin als erster SGLT-2-Hemmer in Europa zur Behandlung der Herzinsuffizienz bei Patienten mit und ohne Diabetes zugelassen. Vorteilhaft ist eine einfache Einnahme von einmal täglich 10 mg, unabhängig von den Mahlzeiten. Es ist keine Titration nötig, und es sind auch im Vergleich zur Kombinationstherapie der anderen neurohumoralen Therapien, wie den Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten, keine Bedenken bezüglich der Entwicklung einer Hyperkaliämie gegeben.
Für Empagliflozin wurde nach den positiven Effekten der EMPA-REG-Studie, die eine Mortalitätsreduktion und Reduktion der Herzinsuffizienz-Hospitalisierung gezeigt hatte, die EMPEROR-Reduced-Studie durchgeführt: Dabei wurde bei 3.730 Patienten mit reduzierter Linksventrikelfunktion und symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz sowie erhöhtem proBNP die Behandlung mit Empagliflozin 10 mg 1-mal täglich versus Placebo verglichen. Bei einem sehr guten Sicherheitsprofil zeigte sich eine Reduktion des primären Endpunktes (Hospitalisierung bei Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod) um insgesamt 25 %. Die erste Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz wurde um 31 % signifikant reduziert, während sich bei kardiovaskulärem Tod zwar ein Trend zur Reduktion zeigte, dieser allerdings keine statistische Signifikanz erreichte. Die Abnahme der eGFR wurden ebenfalls deutlich reduziert.
In einer Metaanalyse von EMPEROR-Reduced und DAPA-HF wurde der Klasseneffekt der SGLT-2-Hemmer untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass es zu einer 30%igen Reduktion des Risikos von Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz sowie zu einer moderaten, aber signifikanten 14%igen Reduktion von kardiovaskulärem Tod um 14 Prozent kommt. Diese Metaanalyse zeigt eine hohe Konsistenz der Ergebnisse zwischen den beiden Studien sowie einen Nutzen der SGLT-2-Hemmer für renale und kardiale Endpunkte.
Diese hohe Erwartung an die SGLT-2-Hemmer und die hervorragenden Daten in Bezug auf die Herzinsuffizienz schlagen sich auch in Updates von Herzinsuffizienz-Leitlinien nieder. In den kanadischen Leitlinien ist beispielsweise bereits folgendes Statement zu lesen: „… die 4 Substanzgruppen der Standardtherapie bei Herzinsuffizienz sind ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptor-Blocker/ARNI, Betablocker, Mineralokortikoid-Antagonisten und SGLT-2-Hemmer.“
Es ist bei Herzinsuffizienz mit oder ohne Diabetes stets an eine SGLT-2-Hemmer-Therapie zu denken. Während sie bei Diabetes mellitus und einem HbA1c > 7 bereits im Erstattungskodex zu finden sind, muss die Kassenerstattung bei Herzinsuffizienz mit oder ohne Diabetes unabhängig vom HbA1c rasch erfolgen, um unseren Patienten die optimale Therapie anbieten zu können.
Wissenswertes für die Praxis
Literatur beim Verfasser