Dr. Wolfgang Mückstein: Als Arzt habe ich die Gesundheitspolitik und die Corona-Politik wie viele von außen beobachtet. Jetzt habe ich in den vergangenen Monaten gesehen, dass es unglaublich viel Detailarbeit ist und dass viele Menschen viele Stunden sehr akribisch arbeiten, etwa damit Verordnungen oder Einreiseverordnungen entstehen und auch alles akkordiert wird mit dem Koalitionspartner. Denn ohne Einigung mit dem Koalitionspartner kann auch keine Verordnung erlassen werden. Ich habe tiefen Respekt gewonnen vor der Arbeit, die hier im Haus gemacht wird – das ist alles sehr viel und fordernd. Ich kann jetzt einschätzen, was Rudi Anschober und die Beamten hier im Haus in den vergangenen Monaten geleistet haben – die hatten es sicher viel schwerer als ich jetzt. Da war die Medizinrechtssektion noch nicht aufgestockt, es gab noch vakante Sektionen und alles war neu. Im März 2020 musste plötzlich alles rasch funktionieren in einem Haus, das natürlich nicht für die Pandemie errichtet worden ist.
Es ist alles äußerst fordernd und durchgetaktet. Das ist neu, macht aber auch Freude. Mir ist allerdings nicht viel Zeit geblieben für Familie und Freunde.
Es wurde schon relativ früh vereinbart, dass die Länder das Testen und Impfen selbst organisieren. Das wurde sehr unterschiedlich gehandhabt: In Salzburg gab es nur wenige Impfstraßen und es haben sehr viele niedergelassene Ärzte geimpft, in Wien lief es fast ausschließlich über große Impfstraßen. Das vergleichen wir jetzt und schauen uns an, welches System besser funktioniert hat und was man daraus lernen kann. Es gibt auch einen Konsens zwischen der Sozialversicherung, den Ländern und dem Gesundheitsministerium darüber, dass im Herbst verstärkt die niedergelassenen Ärzte in das Impfen eingebunden werden sollen. Die Lokalitäten der Impfstraßen haben ja eigentlich andere Bestimmungen und sollen diese zum Teil auch wieder übernehmen. Wir diskutieren aber auch grundsätzlich, weil wir wollen, dass alle Impfungen, die im österreichischen Impfplan enthalten sind, öffentlich bezahlt werden.
Grundsätzlich kann man sich bei jeder medizinischen Leistung fragen, auf welcher Ebene sie angeboten werden kann und wer sie anbietet. Das ist ein normaler Prozess. Ich denke aber, dass es während einer Pandemie nicht sinnvoll ist, ein System umzustellen, und daher bin ich jetzt einmal nicht fürs Impfen in der Apotheke. In Zukunft müssen wir uns das ganz genau ansehen. Das Testen war sicher eine gute Idee und das haben die Apotheken auch sehr gut durchgeführt. Sie sind von der Organisationseinheit her meist auch größer als Ordinationen. Generell gibt es aber ein Vier-Augen-Prinzip – der Arzt verordnet, die Apotheke kontrolliert das. Das ist eine qualitativ hochwertige Arbeit, wenn man etwa an Fälschungen denkt. Die Apotheken haben ein hohes Fachwissen in der Beratung – das ist ihre Stärke.
Apotheken haben ja einen Gebietsschutz und werden mit einer qualitativ hochwertigen Arbeit auch künftig ihr Geld verdienen können. Mit abnehmenden Margen kämpfen alle und überall. Es gibt aktuell keine konkreten Pläne, neue Einnahmequellen für Apotheken zu erschließen. Aber noch einmal: Die Testungen haben sie gut gemacht.
Die Auswirkungen sieht man jetzt noch nicht so stark. In den Ländern sind vielleicht auf den ersten Blick etwas die Ansprechpartner verloren gegangen. Parallel gibt es jetzt einen Honorarkatalog der Ärztekammer, über den es Gespräche geben soll – das muss man sich also alles noch ansehen.
Man kann sicherlich die Zahl der Ausbildungsstellen moderat anheben, aber sicher nicht um 1.000 Plätze, wie das oft gefordert wird, sondern im niedrigen Hunderterbereich. Wir haben aber das Problem, dass es immer mehr Wahlärzte gibt und immer weniger Ärztinnen und Ärzte – vor allem in Mangelfächern wie Kinderheilkunde, Allgemeinmedizin, Gynäkologie –, die einen Kassenvertrag annehmen, weil es so viele privatversicherte Menschen gibt, die einen Markt auslösen.
Wenn man 2,5 Millionen privatversicherte Menschen in Österreich hat, dann lösen diese einen Markt aus, und wenn man als Wahlarzt mit der Hälfte der Frequenz das Gleiche verdienen kann wie im Kassensystem und es genug Patienten gibt, ist das Kassensystem unattraktiv. Die Kolleginnen und Kollegen im Kassensystem verdienen an sich nicht schlecht, aber die Arbeitsbedingungen sind nicht den Lebenskonzepten entsprechend. Viele junge Kolleginnen und Kollegen wollen einfach nicht am Land Wochenenddienste schieben und immer erreichbar sein.
Dem wurde bereits entgegengekommen, indem man Teilungen von Kassenverträgen durchführt, Anstellungsmöglichkeiten geschaffen hat und dass man zumindest in einigen Bundesländern die persönliche Leistungserbringung aus den Verträgen gestrichen hat. Es ist ja absurd, dass ein Arzt ein EKG selbst schreiben muss, damit er es verrechnen kann. Immer noch nicht gelöst ist aber die duale Finanzierung. Ärztekammer und Krankenversicherungen entscheiden, wo Kassenstellen hinkommen, und die Länder bezahlen die Spitäler. Die Abstimmung ist noch immer nicht gut gelöst.
Vielen Dank für das Gespräch!