Das Fach Pathologie hat in den letzten Jahrzehnten durch die Standardisierung der klinischen Pathologie, aber vor allem auch durch die Fortschritte der Molekularpathologie eine wesentliche Weiterentwicklung erfahren. Dem wurde 2015 auch in der neuen Ärztegesetznovelle mit der neuen Bezeichnung „Klinische Pathologie und Molekularpathologie“ Rechnung getragen. In den letzten Jahrzehnten wurde die Immunhistochemie, die Molekularpathologie auf der Proteinebene, substanziell weiterentwickelt und hat auch in die Tumorklassifikation in der gastrointestinalen Pathologie Einzug gehalten.
Der nächste große Entwicklungsschritt des Faches war die Weiterentwicklung der Molekularpathologie auf der DNA- bzw. RNA-Ebene, was vielfach auch als Molekularpathologie im engeren Sinne angesehen wird. Entwicklungen aus der Wissenschaft (siehe auch „Scientific Corner“), in der die molekulare die histologische Diagnostik nicht nur ergänzt, sondern für sie zentral ist, wie z. B. das sogenannte molekulare Mikroskop*, stellen einen diagnostischen Durchbruch in Richtung Präzisionsmedizin dar.
Die zuletzt 2019 aktualisierte WHO-Klassifikation für gastrointestinale Tumoren stellt eine ausgezeichnete Zusammenfassung von reichhaltiger diagnostischer Erfahrung durch ein internationales Expertenteam dar. Dabei wurde in der Neufassung ganz wesentlich auf die einerseits differenziertere Tumorklassifikation und andererseits auf die Reproduzierbarkeit mit möglichst geringer Inter-Observer-Variation geachtet.
Beispielsweise werden heute kolorektale Karzinome vielfach immunhistochemisch auf das Vorliegen von Defekten in wichtigen DNA-Repair-Genen (Mikrosatelliteninstabilität – MSI) untersucht. Bei entsprechenden immunhistochemisch nachgewiesenen Defekten wird eine weitere Diagnosesicherung mittels molekularpathologischer DNA-Technologie auf MSI durchgeführt. Dieser Weiterentwicklung kommt einerseits große Bedeutung für die Erfassung hereditärer Tumorsyndrome, andererseits für die prädiktive Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren zu.
Zunehmend an Gewicht haben heute auch moderne Mutationsanalyseverfahren, wie z. B. das Next Generation Sequencing (NGS), gewonnen, bei dem multiple Mutationsanalysen beispielsweise von KRAS, BRAF, NRAS oder PIC3CA in einem Arbeitsgang durchgeführt werden können. Hier entscheidet der molekularpathologische Befund über die adjuvante Therapie mit monoklonalen Antikörpern.
Die gastrointestinale Pathologie hat aber auch ihren Stellenwert in der Krebsprävention in der adäquaten Diagnostik und der darauf basierenden therapeutischen Entfernung von kolorektalen Krebsvorstufen, z. B. der Adenome.
Wie kein zweites Fach eignet sich daher die Pathologie für die Symbiose der klassischen Morphologie mit der Molekularpathologie, was das Fach wesentlich aufgewertet, gleichzeitig aber auch die Ansprüche an die personelle und apparative Ausstattung von Pathologieinstituten und Ordinationen sowie an die fachärztliche Ausbildung signifikant erhöht hat.
Digitale Pathologie: Längerfristig kommt zu den oben genannten substanziellen Fortschritten in der klinischen Pathologie und Molekularpathologie die Einführung der digitalen Pathologie als Basis für den späteren Einsatz neuronaler Netzwerke in der Standardisierung von bestimmten morphologischen Parametern hinzu. Allerdings muss angemerkt werden, dass, während in der Radiologie die Bilder primär in digitaler Form generiert werden und damit ein unmittelbarer technischer und zeitlicher Nutzen erzielt werden kann, die histopathologischen Präparate erst in einem zusätzlichen Schritt mit hohem technischem Aufwand digitalisiert werden müssen. Was die Einholung von Zweitmeinungen betrifft, wird dies mittels digitaler Pathologie allerdings auch nur eingeschränkt möglich sein, da für diffizile Konsiliarbefunde in vielen Fällen die zusätzliche Herstellung histologischer Präparate und die Durchführung immunhistochemischer Analysen im Referenzlabor erforderlich bleiben werden.
Den erfreulichen grundlegenden Fortschritten muss daher künftig auch in der Finanzierung dieses integralen interdisziplinären diagnostischen Faches vermehrt Rechnung getragen werden, sowohl vonseiten der Versicherer als auch der Krankenhausträger.
Mit kollegialen Grüßen
Univ.-Prof. Dr. Renate Kain, PhD
Univ.-Prof. Dr. Martin Klimpfinger