In unserer modernen Zeit, in der das Angebot an Nahrung überbordend ist, versuchen Menschen mit unterschiedlichem Erfolg, ihr Gewicht zu kontrollieren. Ist der Body-Mass-Index (BMI) größer oder gleich 30 kg/m², wird die Diagnose Adipositas gestellt. Diese chronische, schubförmig verlaufende Erkrankung, die durch eine zu hohe Körperfettmasse entsteht, beeinträchtigt die psychosoziale Gesundheit und kann einen vorzeitigen Tod herbeiführen. Für die Therapie der Adipositas ist eine Lebensstilmodifikation, und hierbei insbesondere die Kalorienrestriktion, essenziell. Diese ist jedoch auf lange Sicht, besonders ohne medizinische Unterstützung, für viele Betroffene nicht tragbar.
Um die Voraussetzungen für die medikamentöse Therapie bei Adipositas zu erfüllen, muss entweder ein BMI ≥ 30 kg/m² vorliegen oder ein BMI ≥ 27 kg/m² und zusätzlich zumindest eine gewichtsbezogene Begleiterkrankung wie arterielle Hypertonie, erhöhte Nüchternglukose/Prädiabetes oder Hyperlipidämie. Nur ein Bruchteil der PatientInnen, die eine Indikation zur Therapie haben, bekommen diese auch verschrieben. In den USA hatten im Jahr 2016 46 % der Erwachsenen eine Indikation zur medikamentösen Therapie, weniger als 0,5 % wurden tatsächlich damit behandelt.
Seit Anfang der 2000er-Jahre, als Rimonabant aufgrund von schweren Nebenwirkungen vom Markt genommen wurde, blieb das Thema „Abnehmpillen“ meist Internetforen überlassen. Man hat jedoch aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und die Zulassungskriterien für neue Medikamente zur Gewichtsreduktion verbessert, so dass die aktuell zugelassenen Substanzen ein gutes Wirkungs- und Sicherheitsprofil aufweisen. Drei Präparate sind aktuell von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zur Behandlung von Adipositas zugelassen: Orlistat, Liraglutid und die Kombination Naltrexon + Bupropion (Tab.). Die Kosten der Therapie werden vom Sozialversicherungsträger bisher in der Regel nicht erstattet.
Orlistat ist ein Lipasehemmer, welcher die Fettresorption im Darm hemmt und zu jeder Mahlzeit eingenommen werden muss. Als Nebenwirkungen können Fettstühle oder Blähungen entstehen, es wird empfohlen, den Fettgehalt in der Nahrung zu reduzieren. Durch die Einnahme von Orlistat kommt es in den Studien zu einer Gewichtsreduktion von 10 % nach 52 Wochen, das Gewicht steigt jedoch nach dem ersten Jahr wieder an.
Das Kombinationspräparat Naltrexon + Bupropion reduziert das Hungergefühl und soll dadurch die Lust am Essen nehmen. Von anfänglich einer Tablette täglich kann bei guter Verträglichkeit die Dosierung auf 2 Tabletten 2-mal täglich gesteigert werden. Vorsicht ist allerdings bei neurologischen oder psychiatrischen Vorerkrankungen sowie bei Bluthochdruck geboten. Eine online verfügbare Checkliste des Herstellers hilft, das Risiko vor Therapiebeginn besser abwägen zu können. In den klinischen Studien wurde eine Gewichtsreduktion von durchschnittlich 8–10 % nach einem Jahr Therapie beobachtet.
Liraglutid ist ein synthetisch hergestellter Glukagon-like-Peptid-1-(GLP-1-)Rezeptor-Agonist, welcher zu 97 % dem körpereigenen Sättigungshormon GLP-1 gleicht. Es wirkt einerseits auf den Verdauungstrakt, indem die Magenentleerung gehemmt und die Sättigung früher erreicht wird, und andererseits über das Sättigungszentrum im Hypothalamus. Liraglutid wird mittels Fertigpen subkutan appliziert – die hierfür benötigte PatientInnenschulung bedeutet keinen großen Aufwand. Die Dosierung wird von 0,6 mg täglich langsam um 0,6 mg/Woche bis zu einer Maximaldosis von 3 mg täglich gesteigert. Die Dosis, die am besten vertragen wird, kann über einen längeren Zeitraum hinweg angewendet werden. Nebenwirkungen in Form von Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Kopfschmerzen oder Müdigkeit werden von ca. 10–40 % der AnwenderInnen berichtet.
Ziel der medikamentösen Therapie ist es, nach 16 Wochen eine Gewichtsreduktion um mindestens 5 % vom ursprünglichen Körpergewicht zu erreichen. Gelingt dies nicht, sollte die Therapie beendet und Alternativen besprochen werden. Bei Erfolg richtet sich die Therapiedauer individuell nach dem gewünschten Zielgewicht und dem Nebenwirkungsprofil. In Zukunft wird die Zulassung von noch wirkungsstärkeren Substanzen erwartet, was für die Therapie der Adipositas einen Paradigmenwechsel darstellen wird.