Die Menstruation. Kaum ein physiologischer Prozess wurde im Verlauf der Jahre so wenig gut erforscht wie die vermeintliche Progesteron-Entzugsblutung. Um dem entgegenzuwirken, fand – veranstaltet von der Gynecolgic Health and Disease Branch vom National Institute of Child Health and Human Development – 2018 ein Meeting verschiedenster ForscherInnen und InteressenvertreterInnen statt, bei welchem der aktuelle Stand zum Thema Menstruation präsentiert und diskutiert wurde. In diesem Artikel möchte ich einen kurzen Überblick über die Vorträge geben.
Doch warum so wenig Forschung? Erst seit etwa 25 Jahren werden Frauen in allen staatlich finanzierten Studien inkludiert, bei denen kein gerechtfertigtes Ausschlusskriterium erfüllt wird. Das spiegelt sich natürlich auch in der Quantität der Publikationen wider, welche sich ausschließlich mit frauenbezogenen Themen auseinandersetzen. Obwohl sich dies in den letzten Jahren bereits deutlich gebessert hat, bemerkt man noch eine deutliche Diskrepanz zur Anzahl der veröffentlichten Arbeiten, die sich streng mit der männlichen Gesundheit auseinandersetzen. So ergibt beispielsweise der allgemeine Suchbegriff „menstruation“ weniger als 4.000 Publikationen in der letzten Dekade, während die Suche nach „semen“ um die 15.000 Treffer anzeigt.
Wieso menstruieren Frauen? Wenn man bedenkt, dass lediglich etwa 1,6 % der Säugetiere (oftmals auch als Plazentatiere bezeichnet) menstruieren, wird schnell klar, dass die Monatsblutung für Säugetiere nicht unbedingt notwendig ist. Dennoch muss sie eine bestimmte Rolle spielen und nicht nur zufällig auftreten, da sie im Laufe der Evolution zumindest vier Mal unabhängig in verschiedenen Spezies (i. e. den Primaten, der Ägyptischen Stachelmaus, der Östlichen Klippen-Elefantenspitzmaus und einigen Fledermausarten) auftritt. Hierbei muss man erwähnen, dass bei Tieren nicht jede vaginale Blutung einer Regelblutung gleichzusetzen ist. Beim Hund beispielsweise handelt es sich vielmehr um einen Proöstrus, also eine Vorbereitung zur Fortpflanzung.
Um die Ursache der monatlichen Blutung besser zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass wahrscheinlich nicht die Menstruation selbst als durch natürliche Selektion hervorgetretenes biologisches Merkmal zu verstehen ist, sondern sich diese vielmehr als sekundäre Konsequenz einer anderen besonderen Eigenschaft ergibt, nämlich der spontanen Dezidualisierung. Diese Vorbereitung der Gebärmutterschleimhaut für eine Schwangerschaft findet sich in allen menstruierenden Spezies, wohingegen dieser Prozess bei allen anderen Arten nicht spontan, sondern erst nach Entstehen eines Embryos stattfindet. Ein Progesteron-Entzug selbst ohne vorhergehende spontane Dezidualisierung reicht demnach nicht aus, um eine Regelblutung hervorzurufen. Daher muss man sich nun die folgende Frage stellen:
Warum tritt bei manchen Spezies eine spontane Dezidualisierung auf? Hier konkurrieren zwei Theorien. Eine geht davon aus, dass es sich hierbei um einen Schutzmechanismus vor einem aggressiven Fötus für die Mutter handelt, wobei die dezidualisierten Zellen die Invasion der Plazenta zwar ermöglichen, gleichzeitig aber auch limitieren. Die andere Theorie arbeitet mit der Idee, dass so die Lebensfähigkeit eines Embryos getestet werden kann, bevor die endgültige Schwangerschaft erfolgt. Dies ergibt sich aus der Beobachtung, dass dezidualisierte Zellen eine Stressreaktion hervorrufen können, wenn sich ein Embryo minderer Qualität entwickelt. Gestützt wird diese Theorie einerseits von der hohen (10–25 %) Fehlgeburtenrate bei Menschen und andererseits von der niedrigen Wurfzahl (1–2 Neugeborene pro Schwangerschaft) bei menstruierenden Spezies. Somit wird der Mutter dabei geholfen, keine Ressourcen in schlussendlich nicht erfolgreiche Schwangerschaften zu investieren.
Den Ursprung und den evolutionären Sinn der Menstruation zu verstehen, spielt auch im Bereich der Diagnostik eine wichtige Rolle, da etwa in der Schwangerschaft ähnliche Mechanismen im Uterus einsetzen. Somit gibt es Grund zu der Annahme, dass in Zukunft potenzielle Schwangerschaftskomplikationen eventuell bereits vor einer bestehenden Schwangerschaft durch die Analyse exprimierter Biomarker während der Regelblutung vorhergesagt werden könnten.
Menstruationsbeschwerden. Vor etwa 100 Jahren menstruierten Frauen nur rund 40-mal im Laufe ihres Lebens, bedingt durch Schwangerschaften und Laktationsamenorrhö. Heute hat sich diese Zahl verzehnfacht, und somit steigen auch die damit einhergehenden Beschwerden und Komplikationen. In den USA entstehen jährlich 1 Mrd. US$ an direkten und 12 Mrd. US$ an indirekten wirtschaftlichen Kosten, resultierend aus Menstruationsbeschwerden. Zur besseren Erfassung und adäquaten Beschreibung dieser Beschwerden wurden, ausgehend vom FIGO Menstrual Disorders Committee, 2 Systeme geschaffen. Während das erste eher symptomorientiert die Blutung selbst beschreibt, beschäftigt sich das zweite mit den ursächlichen Gründen für eine abnorme uterine Blutung unter Verwendung der Akronyme PALM-COEIN (Abb.). Viele Fragen, wie diese strukturellen Veränderungen die Blutung oder auch die Menstruationsbeschwerden tatsächlich beeinflussen bzw. auslösen, sind noch nicht geklärt. Um diese wichtigen Fragen beantworten zu können, benötigen wir Forschungsarbeiten im Bereich der Physiologie und Pathologie des Endometriums.
Endometriose. Im Bereich der (Früh-)Erkennung von Endometriose, einer systemischen Erkrankung, bei der während der Endometriumregeneration benötigte Stammzellen unzweckmäßig differenzieren, könnte die Analyse von Menstruationsblut in Zukunft eine Rolle spielen. Bei der Untersuchung des gewonnenen Gewebes konnten zahlreiche Unterschiede auf zellulärer sowie molekularer Ebene zwischen den Proben von gesunden und von Endometriose betroffenen Frauen beschrieben werden. Dies wäre ein großer und wichtiger Schritt auf dem Weg der Endometriose-Früherkennung und könnte vielen Frauen rascher zu einer adäquaten Therapie verhelfen. In der Realität zieht sich die Diagnosestellung der betroffenen Frauen oftmals über Jahre. Zur definitiven Beurteilung ist eine invasive Untersuchung notwendig, welche von vielen Patientinnen abgelehnt wird und international gesehen für einige schlichtweg nicht leistbar ist. Die Untersuchung von Menstruationsblut könnte hier also eine optimale Alternative zur invasiven Diagnosestellung bieten.
Das Mikrobiom. Allseits bekannt ist, dass wir Menschen gemeinsam mit unserem gesamten Mikrobiom ein sogenanntes Hologenom, also einen komplexen Organismus bilden. Studien zeigen, dass das Mikrobiom des Menschen multiple Funktionen – sowohl auf neurokognitiver als auch auf endokrinologischer Ebene – beeinflusst. Interessante Untersuchungen zeigen, dass das häufigste Bakterium, das sich physiologischerweise in der Vagina und in der Gebärmutterhöhle befindet, der Lactobacillus ist. Die bakterielle Besiedelung im Cavum uteri ist um den Faktor 102 bis 104 niedriger als in der Vagina, weshalb es sich um eine sogenannte „Low Biomass“-Mikrobenflora handelt. Wie dieses Mikrobiom Einfluss auf verschiedene gynäkologische Erkrankungen wie z. B. Endometriose, PID oder Krebs hat, wird derzeit noch erforscht. Wir wissen jedoch, dass sich diese Flora abhängig von der Fertilität, der Menstruation und anderen Umständen im Laufe des Lebens verändert und so Probleme entstehen können.
So zeigen sich bei Frauen mit Subfertilität nachweislich weniger Laktobazillen im Endometrium, aber mehr Bakterien, die mit einer bakteriellen Vaginose vergesellschaftet sind. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass bei fertilen bzw. schwangeren Frauen nachweislich mehr Laktobazillen im Endometrium vorkommen und dies eine signifikante Variable zur Vorhersage einer erfolgreichen Schwangerschaft sein könnte.