Blinzeln nicht vergessen

Der physiologische Tränenfilm besteht aus drei Schichten: Die Muzinschicht befindet sich direkt auf der Hornhaut, anschließend folgt die wässrige Schicht, und den Abschluss bildet die Lipidschicht als Schutz vor Verdunstung und äußeren Einflüssen. Neben der Benetzung und Befeuchtung werden durch den Tränenfilm auch die Horn- und Bindehaut mit Nährstoffen versorgt. Ändert sich dessen Zusammensetzung oder Menge, reicht der physiologische Lidschlag zur Befeuchtung nicht mehr aus. Als Folge reagiert der Körper mit einer Erhöhung der Tränenproduktion und der Lidschlagfrequenz, um diesen Mangel auszugleichen. Manche Menschen produzieren zu wenig Tränenflüssigkeit und leiden an hyposekretorischen trockenen Augen. Bei der überwiegenden Mehrheit liegt die Ursache des trockenen Auges aber an einem zu geringen Lipidanteil, wodurch der wässrige Anteil des Tränenfilms zu schnell verdunstet (hyperevaporative Form). Die Betroffenen leiden meist an brennenden, tränenden Augen, die morgens verklebt sein können. Aufgrund der Trockenheit werden Erreger schlechter ausgespült, und die Hornhaut wird mit weniger Sauerstoff versorgt, was oft zu Rötungen führt.
Auslöser: Medikamente, Zugluft, Hormone, MNS

Die Gründe für trockene Augen können sehr vielfältig sein. Einerseits können sie als Begleiterscheinungen von Krankheiten wie Rheumatismus, Schilddrüsen­leiden, Diabetes, verschiedene Hautkrankheiten (zum Beispiel Rosacea) oder Vitamin-A-Mangel auftreten. Auch die Einnahme von Medikamenten, wie z. B. Betablocker, Diuretika, Antihistaminika, Anticholinergika, Acetylsalicylsäure, Isotretinoine, Neuroleptika sowie tri- und tetrazyklischen Antidepressiva, kann trockene Augen verursachen. Faktoren wie Zugluft oder Tabakrauch oder das Tragen von Kontaktlinsen können ebenso den Aufbau des Tränenfilms stören. Als eher neueres Phänomen kann das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes als Ursache in Frage kommen: Wenn dieser über der Nase nicht richtig schließt, kann die Ausatemluft nach oben austreten und den Verdunstungseffekt beschleunigen. Und nicht zuletzt dürfen auch hormonelle Faktoren nicht außer Acht gelassen werden. Frauen sind aufgrund der Hormone häufiger von trockenen Augen betroffen als Männer. Dieser Effekt kann durch die Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva oder in der Menopause verstärkt sein. Grund dafür ist vermutlich der Rückgang an Androgenen, wodurch die Meibomdrüsen, welche die Lipide produzieren und beim Lidschlag an den Tränenfilm abgeben, weniger aktiv sind. Aber auch die Tränendrüsen schränken ihre Produktion ein, wodurch die Augen trockener und somit anfälliger für Entzündungen und Hornhautschäden werden.

Das Office-Eye-Syndrom

Durch vermehrte Bildschirmarbeit seit dem Beginn der Pandemie tritt auch das sogenannte „Office-Eye-Syndrom“ vermehrt in den Mittelpunkt. Auffällig ist, dass seither auch verstärkt jüngere Menschen von trockenen Augen betroffen sind. Durch die Arbeit am Bildschirm und den starreren Blick sinkt die Lidschlagfrequenz von üblicherweise 10–15-mal pro Minute in etwa auf 7-mal pro Minute. Der Tränenfilm wird dadurch nicht mehr optimal verteilt und verdunstet schneller. Beschwerden wie Augenbrennen oder -jucken, gerötete und schmerzende Augen, Fremdkörpergefühl und eine stärkere Ermüdung sind die Folge. Durch kleine Risse in der Hornhaut wird das Licht stärker als üblich gestreut, was zu einer erhöhten Lichtempfindlichkeit und Kopfschmerzen führen kann. Diese Effekte werden durch eine niedrige Luftfeuchtigkeit aufgrund von Heizungsluft oder Klimaanlagen verstärkt. Starke Beschwerden und jede Art von Sichtbeeinträchtigung sollten übrigens immer sofort augenärztlich abgeklärt werden, um ernsthafte Erkrankungen der Augen auszuschließen.

Tränenersatz

Mittel der Wahl bei trockenen Augen ist immer noch der künstliche Tränenersatz. Hier stehen sehr viele unterschiedlicher Präparate zur Verfügung. Benetzende Augentropfen bestehen wie der natürliche Tränenfilm aus Schleim, Wasser und Fetten und werden mehrmals täglich direkt ins Auge eingetropft. So wird die wässrige Phase aufgefüllt, und Risse in der Lipidschicht werden geschlossen. Dazu werden künstliche Polymere wie Polyvinyl­alkohol, Polyvinylpyrrolidon, Cellulosederivate oder Carbomere eingesetzt. ­Hyaluronsäure kann durch die hohe Wasserbindungskapazität die Scherkräfte beim Blinzeln reduzieren und so das Fremdkörpergefühl vermindern. Als Lipide kommen Triglyceride, Phospho­lipide oder Rizinusöl zum Einsatz, Glycerin wird als Schmiermittel verwendet. Zusätzlich werden manchmal Dexpan­thenol, Vitamin A, Heparin oder Pflanzen­extrakte wie Malvenextrakt als regenerierende Komponenten zugesetzt. Je höher der Polymerisationsgrad, umso viskoser ist das Produkt und umso länger hält es sich am Auge. Durch die langsamere Verteilung kann es aber zu kurzfristigen Sichteinschränkungen (Schleiersehen) kommen. Bei gelegentlichen Beschwerden, wie Brennen oder Sandkorngefühl, sollten deshalb eher dünnflüssige Zubereitungen zum Einsatz kommen. Wenn die Betroffenen die Befeuchtung als zu wenig intensiv oder zu kurz empfinden, bevorzugt man dickflüssigere Zubereitungen und kombiniert diese bei Bedarf zusätzlich mit einem Gel oder einer Salbe vor dem Schlafengehen. Werden die Ophthalmika öfter als 5-mal täglich oder in Kombination mit weichen Kontaktlinsen angewendet, sollte auch auf das Konservierungsmittel geachtet werden. Das vielfach eingesetzte Benzalkoniumchlorid verringert bei häufiger Anwendung die Stabilität des Tränenfilms und kann so die Beschwerden eines trockenen Auges verschlimmern. Besser sind deshalb konservierungsmittelfreie Zubereitungen als Einzeldosen oder mit Tropfsystemen geeignet, die eine Verkeimung des Produkts verhindern. Auch moderne Konservierungsmittel (z. B. Oxyd oder Purite), die bei Kontakt mit Tränenflüssigkeit oder Tageslicht in inerte Substanzen zerfallen, sind eine Alternative. Zur Stabilisierung der Lipidschicht können auch liposomale Augensprays angewendet werden. Diese werden etwa 3–4-mal täglich mit etwa 10 cm Abstand auf die geschlossenen Augenlider aufgesprüht. Die Augen sollten danach noch etwa 5 Sekunden geschlossen bleiben, nach der Anwendung ist eine kurze Sichtbeeinträchtigung möglich.

Eine vielversprechende Option stellen auch Omega-3-Fettsäuren dar. Das gilt sowohl für die Anwendung in Form von Supplementen als auch bei lokaler Verwendung in Form von Tropfen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Einnahme dieser Fettsäuren den Lipidfilm des Auges, der von den Meibomdrüsen produziert wird, verbessern können. Weiters unterstützt die Aufnahme von B-Vitaminen die Schleimhaut und insbesondere Vitamin B2 bewährt sich beim Dry-Eye-Syndrom. Auch pflanzliche Stoffe, oral aufgenommen, wurden bereits auf einen möglichen Einsatz zur Linderung der Symptome untersucht.

Lidrandpflege

Zusätzlich können Betroffene von einer verstärkten Lidrandpflege profitieren, weil dadurch die Funktion der Meibomdrüsen und die Verteilung der Lipide unterstützt wird. Außerdem können so auch Verstopfungen, die z. B. ein Gersten- oder Hagelkorn mitverursachen können, vermindert werden. Idealerweise werden 2-mal täglich feuchtwarme Kompressen etwa 5 min lang auf die geschlossenen Augenlider aufgelegt. Das verflüssigt die Lipide. Anschließend werden die Lider senkrecht zur Lidrandkante massiert, um die Drüsen zu öffnen und den Talgaustritt zu fördern. Dies kann mit sauberen Fingern, Wattestäbchen oder speziellen Massagehilfen erfolgen. Anschließend wird der Lidrand gesäubert, um Talg und Verkrustungen zu entfernen. Wichtig ist, dass diese Lidrandhygiene regelmäßig und über einen längeren Zeitraum von mindestens 3–4 Wochen durchgeführt wird. Speziell beim Office-Eye-Syndrom sollten bei der Bildschirmarbeit regel­mäßige Pausen eingelegt werden. Alle ­20 Minuten sollte ein Objekt in der Ferne fokussiert werden, damit das Auge Muskeln und Linsen ausgleichend bewegen kann. Auch Spaziergänge im Freien unterstützen diesen Effekt. Bewusstes Blinzeln und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von mindestens 2 Liter pro Tag unterstützen die Feuchtigkeitsversorgung der Augen. Zusätzlich können neben einer erhöhten Luftfeuchtigkeit auch ergonomische Maßnahmen die Beschwerden verbessern. Der Bildschirm sollte 50–80 cm entfernt stehen und der Blick dabei schräg nach unten fallen. Steht er außerdem quer zu Fensterflächen oder Lichtquellen, werden die Augen nicht zusätzlich durch Blendeffekte gestresst. Manchen Betroffenen helfen auch Brillen mit Blaulichtfilter, wodurch die Bildschirmarbeit subjektiv als angenehmer empfunden wird.