ÖGAM-Diplomarbeitsförderpreis 2021 – wir gratulieren!

Therapieresistente Depressionen − eine Herausforderung in der hausärztlichen Versorgung

Mateusz Zbrzezniak
Medizinische Universität Innsbruck
Betreuung: Dr. Herbert Bachler

Das komplexe Thema der „therapieresistenten Depression“ als Herausforderung in der hausärztlichen Versorgung wird anhand eines Fallbeispieles eines 58-jährigen Patienten abgehandelt, der seit seinem 25. Lebensjahr an depressiven Episoden leidet und seit 2013 in regelmäßiger hausärztlicher sowie psychotherapeutischer Betreuung ist. Im Verlauf der Erkrankung unterzog sich der Patient einer Vielzahl von Therapien und auch einer Elektrokonvulsionstherapie (EKT), trotz eines häufigen initialen Ansprechens auf die verordneten Maßnahmen und teils jahrelanger symptomfreier Inter­valle kam es wiederholt zum Auftreten erneuter depressiver Episoden. Letztendlich fiel 2018 im Rahmen einer hausärzt­lichen Kontrolluntersuchung eine erneute Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes des Patienten auf. Nach einer anschließenden Kontaktaufnahme mit der Universitätsklinik für Psychiatrie in Innsbruck erfolgte eine Therapie­umstellung, begleitet durch eine hausärztliche Psychotherapie, es konnte eine Stabilisierung der therapieresistenten Depression erreicht werden, der Patient beschreibt sich aber weiterhin als sich selbst emotional fremd und möchte „sich selbst mehr spüren“. Therapieresistente Depressionen gehen mit einem erheblichen Leidensdruck, reduzierter Lebensqualität, erhöhter Morbidität und Mortalität einher.
Der Fokus der Diplomarbeit liegt auf der Bedeutung von Hausärzt:innen in der Behandlung depressiver Patient:innen und damit einhergehender Probleme, mit welchen sich Hausärzt:innen in der Behandlung therapieresistenter Depres­sionen konfrontiert sehen. Aufgrund der Vielfalt möglicher Symptome und somatischer Komorbiditäten erweist sich die Diagnostik oft als schwierig. Betroffene Patient:innen sprechen oft auf unterschiedliche Therapien gar nicht oder nur partiell an. Die Genesung stellt häufig einen langwierigen Prozess dar. Um einen Einblick in das Krankheitsbild thera­pieresistenter Depressionen zu erlangen, wird auch auf verschiedene Aspekte dieser Erkrankung, leitliniengerechte Di­agnostik und Therapien (einschließlich neuerer Therapieformen wie Psilocybin als Gegenstand aktueller Forschungen) in Verbindung mit dem vorliegenden Patientenfall eingegangen.


Factors Determining Young People’s Acceptance or Rejection of the HPV-Vaccine – A Qualitative Study in an Urban Setting in Austria

Klara Röbl
Medizinische Universität Wien
Betreuung: Mag. Dr. Elena Jirovsky

Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) sind weit verbreitet und mögliche Ursache von verschiedenen benignen und malignen Krankheitsentitäten. Obwohl wirksame Impfstoffe verfügbar und im kostenfreien Kinderimpfprogramm enthalten sind, bleiben die Durchimpfungsraten bisher unter den Erwartungen. Eine Ausdehnung der Impfstrategie unter Einbeziehung junger Erwachsener wäre ein Ansatz zur Verbesserung. Zu dieser Altersgruppe gibt es noch keine Daten aus dem österreichischen Kontext bezüglich der Einstellungen gegenüber der HPV-Impfung. Deswegen ist eine Analyse der verschiedenen Faktoren, die zu Akzeptanz oder Ablehnung der Impfung in dieser Altersgruppe führen, relevant und kann als Grundlage neuer Impfstrategien dienen. Das Hauptziel dieser Studie war es, diese beeinflussen­den Faktoren zu identifizieren. Ein qualitativer Forschungsansatz wurde daher als am besten geeignet erachtet, und es wurden insgesamt 17 semistrukturierte Interviews mit geimpften und ungeimpften jungen Frauen und Männern im Alter von 22 bis 25 Jahren durchgeführt und analysiert. Faktoren, welche die Entscheidung negativ beeinflussten, waren finanzielle Aspekte und mit der Impfung verbundener Aufwand sowie Mangel an Information und damit einhergehende Beimessung geringer Relevanz. An motivierenden Faktoren wurden u. a. der persönliche Schutz sowie Herdenschutz genannt. Die meisten dieser Aspekte beeinflussten die Impfentscheidung dabei nicht für sich alleinstehend, sondern in einem Zusammenspiel mit weiteren Faktoren. Die Veränderung bzw. das Wegfallen eines Faktors hat daher Einfluss auf andere Aspekte und kann sich so auf das Ergebnis der Entscheidungsfindung auswirken. Aus diesen Erkenntnissen er­geben sich mögliche Ansatzpunkte für zukünftige Public-Health-Maßnahmen, um die Impfraten in dieser Altersgruppe in Österreich zu steigern.


Polypharmazie bei geriatrischen Klientinnen und Klienten von ambulanten Pflegediensten in Tirol

Patricia Lilli Ploner
Medizinische Universität Innsbruck
Betreuung: Dr. Alfred Doblinger, Dr. Herbert Bachler

Nach den gängigen klinischen Leitlinien sind mehrere chronische Erkrankungen oft mit Polypharmazie (≥ 5 Präparate) vergesellschaftet. Geriatrische Patient:innen sind häufiger von Multimorbidität (≥ 3 chronische Krankheiten) betroffen als jüngere Menschen. Auf Grundlage einer retrospektiven Querschnittsstudie analysiert diese Diplomarbeit die Medikamentenverordnungen bei ≥ 65-jährigen Personen, welche von einem ambulanten Pflegedienst in Tirol medizinisch betreut werden. Grundlage für die nachfolgende Auswertung sind die Daten einer Stichprobe von 70 Personen (Frage­bögen, Medikationslisten und Diagnosen): Bei 97 % der Proband:innen besteht eine Polypharmazie in der medikamen­tösen Therapie, wobei die Mehrzahl der Personen mindestens 10 Präparate einnimmt. Es findet sich eine Korrelation mit den Pflegestufen – mit einem erhöhten Pflegebedarf geht tendenziell auch eine höhere Medikamentenzahl einher. Lediglich eine geringe Zahl der Betroffenen zeigt keine vermeintlichen Wechselwirkungen (Interaktionsüberprüfung mit „UpToDate“). Bei 63 % aller Teilnehmenden werden hingegen mögliche relevante Medikamenteninteraktionen fest­gestellt – bei Analyse der zeitgleich eingenommenen Pharmaka reduziert sich dieser Anteil auf 7 %. Es zeigt sich ein signifikantes Zusammenspiel zwischen Interaktions- und Medikamentenanzahl. Die häufigsten Vorerkrankungen fielen erwartungsgemäß in den Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gefolgt von Krankheiten des Bewegungsapparates. Eine rechnerische Korrelation zwischen Diagnosen- und Medikamentenanzahl besteht − Personen mit einer höheren Anzahl an Medikamenten leiden durchschnittlich an mehreren Vorerkrankungen und umgekehrt.


Palliativmedizin extramural − eine besondere Herausforderung. Die Versorgung schwerkranker Patienten im häuslichen Umfeld durch das Primärversorgungsteam

Kathrin Maria Altenhofer
JKU – Johannes Kepler Universität Linz
Betreuung: Dr. Erwin Rebhandl

Im Rahmen dieser Arbeit wird einerseits die Komplexität der Symptome palliativer Patient:innen und die therapeuti­schen Herausforderungen und Optionen in der palliativen Betreuung per se als gute Übersicht dargestellt, andererseits auch die Vielschichtigkeit und Komplexität der extramuralen Betreuung samt psychosozialer Aspekte, Kommunikation mit Schwerkranken und deren Angehörigen umrissen und weitere Themen beleuchtet. Zusätzlich gelingt es in dieser Arbeit durch mehrere Experteninterviews – sowohl mit Allgemeinmediziner:innen, Spitalsärzt:innen als auch anderen Gesundheitsberufen und mit Hilfe der Daten des Dachverbandes Hospiz Österreich –, ein gutes Bild der palliativmedi­zinischen Versorgung in Österreich zu erarbeiten. Vorrangig wird die Rolle der Allgemein- und Familienmedizin in Zu­sammenarbeit mit dem interdisziplinären Team in der palliativmedizinischen Betreuung schwerkranker Menschen unter Einbindung ihrer Angehörigen beleuchtet. Weiters werden Verbesserungsmöglichkeiten (u. a. besseres Verständnis der Begrifflichkeit „Palliativmedizin“ im Allgemeinen, relevante Ausbildungsinhalte, Hilfsmittelversorgung sowie Verbesse­rungsvorschläge in der transmuralen Kommunikation) aufgezeigt.


Der Einfluss der „Stopp Corona“-App auf das Sicherheitsgefühl der Tuxer Bevölkerung

Theresa Pöll
Medizinische Universität Innsbruck
Betreuung: Dr. Herbert Bachler

Zum Contact Tracing wurde in Österreich die Stopp-Corona-App entwickelt, diese Diplomarbeit (Fragebogenstudie) verfolgte das Ziel, zu erfassen, ob diese App das Sicherheitsgefühl der Tuxer Bevölkerung zu Zeiten der COVID-19-Pandemie erhöht. 189 Proband:innen aus Tux nahmen im Zeitraum von 13. 5. 2020 bis 27. 7. 2020 daran teil. 9 % der Proband:innen hatten die App ins­talliert, die App wurde als unausgereift wahrgenommen und ihr Nutzen zur Eindämmung der Pandemie angezweifelt, sie wurde nicht als Alternative zu anderen Maßnahmen, wie z. B. Ausgangs­beschränkungen, gesehen. Relevanter weiterer Faktor war, dass die App als Überwachung empfunden wurde und es Bedenken bez. des Datenschutzes gab, drei Viertel der Befragten sprachen sich daher auch gegen eine verpflichtende Installation aus. Auffallend war, dass auch Personen, welche die App nicht kannten, eine negative Einstellung dieser gegenüber hatten – wahrscheinlich aufgrund des negativen Images nach anfänglichen Funktionsproblemen und de­ren Darstellung in den öffentlichen Medien. Das Sicherheitsgefühl in Zusammenhang mit der App hängt maßgeblich mit der Bereitschaft zusammen, diese App auch zu installieren – 41 % der Teilnehmen­den gaben an, dass sie diese App niemals installieren wollen. Die Stopp-Corona-App hat somit das Sicherheitsgefühl der Tuxer Be­völkerung nicht positiv beeinflusst – die Bereitschaft zur Installation und Nutzung wäre aber vermutlich höher, wenn diese bereits zu Be­ginn das Sicherheitsgefühl positiv beeinflusst hätte.

 

Diplomarbeitsförderpreis 2022

Als wissenschaftliche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin hat die ÖGAM (Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin) starkes Interesse an der Unterstützung allgemeinmedizinischer Forschung in Österreich. Zu diesem Zweck wurde der „Förderpreis für Diplomarbeiten“ ins Leben gerufen. Mit Vorstandsbeschluss 2014 und folgend ist vorgesehen, dass jährlich im Rahmen des STAFAM-Kongresses in Graz eine Vergabe des Förderpreises in der Höhe von 500 Euro an den Studierenden stattfindet sowie eine maximale Aufwandsentschädigung in Höhe von 500 Euro an unentgeltlich betreuende Allgemeinmediziner:innen ausgezahlt wird.
Einreichschluss der Arbeiten ist für das Jahr 2022 der 15. 9. 2022 mit fertiger Diplomarbeit und Lebenslauf.

Die Einreichung (online) sowie Kriterien für die Teilnahme am Förderpreis sind auf der Website zu entnehmen.