Dr. Bernhard Panhofer © Archiv |
Der Traum ist zeitlos, das heißt, dass es zeitliche Abstände in ihm nicht gibt, alles verläuft im Präsens. Sigmund Freud: „Die Alternative ‚Entweder – oder‘ drückt der Traum niemals aus, sondern nimmt ihre beiden Glieder wie gleichberechtigt … auf. … Das ‚nicht‘ scheint für den Traum nicht zu existieren.“
Bei der Balintgruppenarbeit ist das freie Assoziieren ein zentrales Element. Drei verschiedene Aspekte von „Traum und Wandel“ stellt Bernhard Panhofer dann assoziativ nebeneinander: Ein selbst erlebter Traum von Auferstehung und Neubeginn aus Trümmern, den er immer wieder in signifikanten Änderungsphasen des Lebens erlebte. Neubeginn im Sinn von Martin Buber: „Bei sich selbst beginnen, aber nicht bei sich enden; von sich ausgehen, aber nicht auf sich abzielen; sich erfassen, aber sich nicht mit sich befassen.“ Als zweiten Traum einen, den Martin Buber Rabbi Bunam erzählen lässt. Dessen Essenz ist, „dass es etwas gibt, was du nirgends in der Welt finden kannst, und dass es doch einen Ort gibt, wo du es finden kannst“. Nicht irgendwo, sondern dort, wo wir stehen, wo uns das Schicksal hingestellt hat, sollen wir den Wert des Lebens suchen. Der dritte Traum war Harry Merls „Traum vom gelungenen Selbst“ – ein Tagtraum vom Bestreben jedes Menschen, sich von Beginn bis zum Ende seines Lebens als ein Selbst zu erkennen, „ein Jemand zu sein und etwas zu können und in seiner Autonomie respektiert zu sein“. Er beschreibt ein Suchen nach „Selbstwert und Selbstbewusstsein in den eigenen Augen und Würde in den Augen der anderen“. Der „Traum vom gelungenen Selbst“ auch als Sog hin zu Veränderung zu verstehen – als Sehnsuchtsort.
Dr. Thomas Jungblut © Archiv |
Ausgangspunkt einer beständigen Beziehung ist Veränderung, der geglückte erste Kontakt, das Wachsen der Beziehung, das gegenseitige Kennenlernen und Vertrauen gewinnen. Auch in der ärztlichen Beziehung zu den Patienten ist Beständigkeit der professionellen Haltung, verbunden mit Änderungsbereitschaft, gefordert, damit im Hier und Jetzt der Konsultation jeder der Anvertrauten die gleiche Chance bekommen kann.
Im Werden und Wachsen der diagnostischen und therapeutischen Beziehung, in der Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit der Patienten und ihrer Anliegen entwickelt sich auch die professionelle Haltung weiter.
Wenn wir jedoch keine gemeinsame Sprache finden, keine gemeinsame Wellenlänge, wenn uns Unsicherheiten bezüglich Diagnostik und Therapie plagen, sich der erhoffte therapeutische Erfolg nicht einstellt, der Patient unserem Rat nicht zu folgen vermag, oder wenn es nicht gelingt, Beständigkeit und Vertrauen zu erhalten, wenn es nicht gelingt, Stand zu halten, die Anforderungen zu hoch werden, die Patienten und ihre Anliegen zu viele werden, wenn im überbordenden Stress die professionelle Attitüde verloren geht, dann braucht es Veränderung, um die Beständigkeit der medizinischen Versorgung zu retten.
Dr. Barbara Hasiba © Christian Jungwirth |
„10 Schritte zu einer bewegten Haltung“
Erstens: Ich erinnere mich an meine ersten Jahre in der Praxis, als mich beunruhigende und von der Norm abweichende Werte (z. B. Blutdruck, BMI, Laborwerte) bei PatientInnen – ungefragt – zu einem leidenschaftlichen Appell zur Änderung ihres Lebensstils veranlassten. Die PatientInnen hörten mir geduldig zu, manchmal ohne dies zu verstehen.
Zweitens: Schon während meiner Turnuszeit erweiterte sich dank meines Interesses an der Psychosomatik mein Blick, von der naturwissenschaftlich orientierten Medizin kommend, um die Arzt/Ärztin-PatientInnen-Beziehung.
Drittens: Mir wurde klar, dass ich nur Ärztin sein kann, wenn jemand bereit ist oder es für ihn „notwendend“ ist, sich in die Rolle des Patienten zu begeben. Ein Patient ist nicht 24 Stunden am Tag Patient, er ist auch Vater, Sohn, Berufskollege … mit momentanem Leid, jedoch auch Lebenserfahrung und Bewältigungsstrategien. Ebenso bin ich nicht 24 Stunden lang nur Ärztin – gleichwohl dies meine Berufung ist, mein Interesse an Kunst und Philosophie z. B. eröffnen mir immer wieder neue Blickwinkel.
Viertens: Die Begegnung mit PatientInnen konnte ich zunehmend als eine Begegnung von Subjekt zu Subjekt sehen, geprägt von dem, was PatientInnen zu erkennen geben und ich als Ärztin zu erkennen vermag (vgl. Walter Pieringer). – Ich wurde zunehmend von der vermeintlich vorgebenden Wissenden zur Fragenden und nahm PatientInnen auch als Wissende an.
Fünftens: Wesentlich in meinem Veränderungsprozess war mir die Annahme eines Menschenbildes, dass Menschen von Natur aus neugierig, wissbegierig und soziale Wesen sind.
Sechstens: Eine weitere Erkenntnis gewann ich durch die Lektüre der Autoren Humberto Maturana, Heinz von Förster und Ernst von Glasersfeld (Autopoiese und Kybernetik 2. Ordnung), die darauf hinweisen, dass wir andere Menschen nicht verändern können und Menschen nicht von außen instruierbar sind.
Siebentens: Die Unterscheidung Diagnostik – Diagnose: Mir fiel auf, dass sich meine ärztliche Problemorientiertheit nach wie vor in den vielen aufgezählten Diagnosen zu Beginn eines Arztbriefes zeigt. Wie verändert sich unsere Wahrnehmung von Menschen, wenn wir sämtliche je gestellten Diagnosen mitlesen? Aufschlussreich war mir dabei der Gedanke, meinen eigenen Arztbrief zu verfassen.
Achtens: Durch Andrea Ebbecke-Nohlen angeregt, nützte ich zunehmend die Möglichkeit des Perspektivenwechsels von der überwiegend defizitorientierten hin zur problemorientierten und ressourcensuchenden Sichtweise, indem ich beide Seiten betrachtete.
Neuntens: Beim aktuellen Thema „Impfen“ konnte ich meine Sichtweise und mein Vorgehen ebenfalls ändern, indem ich mich vom Überzeugenwollen hin zum Fragenstellen bewegte. Ich fragte nach Alternativen und wechselte z. B. den Fokus vom Gegensatzpaar „Impfen: ja/nein“ zur vorangehenden Frage: „Schützen oder sich ungeschützt exponieren?“
Zehntens: Neben meiner eigenen Bewegung und der Veränderung meiner Haltung war es für die PatientInnen bedeutsam, dass ich ihnen Wahlmöglichkeit anbieten konnte und dass dadurch das sich bedingende Zusammenspiel von Fühlen, Denken, Handeln wieder in Bewegung geriet. Ich will verstehen, ohne einverstanden sein zu müssen, verschüttete Neugierde, Wissbegierde wieder wecken, ohne Entscheidungen vorgeben zu müssen. Meine Bewegung hin zur bewegten Haltung hatte zudem erstaunlicherweise zur Folge, dass auch meine PatientInnen selbst leichter in Bewegung kamen.
Dr. Johanna Leitner und Dr. Elisabeth Wejbora © Archiv |
„Das Alte ist nicht mehr, das Neue ist noch nicht.“
Dorothea Christiane Erxleben (geborene Leporin; *13. November 1715 in Quedlinburg; †13. Juni 1762 ebenda) war die erste promovierte deutsche Ärztin (1754) und eine Pionierin des Frauenstudiums.
Im September 1907 eröffnet Oktavia Aigner-Rollet 150 Jahre später als erste Ärztin in Graz eine eigene Praxis!
„Die Jubelmeldungen über das Ende des Patriarchats durch den Vormarsch der Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen sind als das zu verstehen, was sie sind: Propaganda der Patriarchen und Postfeministinnen.“ (Johanna Dohnal)
Alice Schwarzer sagt dazu Patriarchen hätten kein Interesse an Veränderung der Verhältnisse. Man dürfe aber nicht vergessen, dass die Frauenbewegung der letzten 50 Jahre zwar enorme Fortschritte gemacht habe, aber mehrere tausend Jahre Patriarchat nicht einfach wegwischen könnten.
Junge Frauen hätten heute die Illusion – vor allem bevor sie Kinder bekommen –, sie hätten etwas zu verlieren. Aber, so Schwarzer, die Türe sei nur einen Spalt weit offen und könne jederzeit wieder zufliegen – siehe das Recht auf Abtreibung.
Damit kommen wir zurück – vom Entweder-oder zum Sehr wohl – als auch. als auch. Wie gelingt es uns, nicht nur das eine, sondern beides zu sein?
Die Diversität der Rollen einer Frau: Mutter, Tochter, Schwester, Partnerin, Hausärztin, Unternehmerin, Denkerin, Lehrerin, Köchin, Pionierin, Wäscherin, Hausmeisterin … schlecht bezahlte Teilzeitjobs als Falle für viele Frauen.
„Wer einigermaßen der Gleiche bleiben will, muss sich ständig verändern.“ (zit. Gunther Schmidt)
„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen.“
„Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung von Asche.“