Fokus auf neue Targets in der rheumatoiden Arthritis

Die medikamentöse Therapie entzündlicher rheumatologischer Erkrankungen erfuhr innerhalb der letzten zwei Dekaden durch die Entwicklung der Biologika eine beachtenswerte Zunahme an Behandlungsmöglichkeiten. TNF-α-Inhibitoren waren die erste Substanzgruppe innerhalb der Biologika, die zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen entwickelt wurde. Es folgte die Entwicklung weiterer Inhibitoren von proinflammatorischen Zytokinen (IL-1, IL-6, IL-12/23, IL-17) und auch von Biologika mit einem zellulären Therapieansatz wie Abatacept (T-Zellen) oder Rituximab (B-Zellen). Zwischenzeitlich erweiterten neue synthetische Medikamente, die gezielt in intrazelluläre Signalübertragungswege eingreifen, das medikamentöse Armamentarium zusätzlich.

TNF-α als Ziel

TNF-α ist anerkannterweise eines der wichtigsten proinflammatorischen Zytokine in der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis (RA). Gegenwärtig existieren fünf Originatorpräparate (monoklonale Antikörper oder Rezeptorkonstrukte: Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab und Infliximab) zur Blockierung von TNF-α und eine zunehmende Zahl an Biosimilars. Neben monoklonalen Antikörpern oder Rezeptorkonstrukten werden aber auch andere Methoden zur Blockierung von TNF-α entwickelt.
Eine neue Strategie ist die Bindung von Peptiden, Zytokinen oder von unterschiedlichen Antikörperfragmenten an Albumin. Albumin fungiert dabei als eine Art „drug carrier“, wodurch sich die jeweilige In-vivo-Halbwertszeit der Wirksubstanz verbessert. Daneben zeichnen sich diese Konstrukte im Vergleich zu vollständigen monoklonalen Antikörpern durch eine geringere Größe, niedrigere Immunogenität und durch einen einfacheren Produktionsprozess aus.
Der vermutlich am weitesten in der Entwicklung fortgeschrittene Antikörper dieser Art ist ATN-103 (Ozoralizumab). Ozoralizumab ist ein trivalent an Albumin bindender bispezifischer Nanobody mit einer neutralisierenden Wirkung gegen TNF-α. Ozoralizumab zeigte sich bisher in einer Phase-II-Studie als hocheffizient bei biologikanaiven RA-Patienten.
Eine weitere Strategie im Bereich der TNF-α-Inhibition stellt die aktive Immunisierung gegen TNF-α mit einem TNF-Kinoid (TNF-K) dar. Dabei wird humanes TNF-α an das Carrier-Protein „keyhole limpet haemocyanin“ (KLH) gebunden. Dieses Konstrukt ist in der Lage, die B-Zell-Toleranz gegen TNF-α zu brechen. Die Folge davon ist die körpereigene Bildung von polyklonalen, neutralisierenden Antikörpern gegen TNF-α. Eine therapeutische Vakzinierung mit dem TNF-K wurde bisher in einer Phase-II-Studie bei RA-Patienten untersucht. Patienten, die eine Anti-TNF-α-Antikörper-Antwort entwickelten, zeigten auch eine signifikante klinische Verbesserung gemessen mit DAS28-CRP- und HAQ-Score.
Ebenfalls ein neues Konstrukt stellt ABT-122 dar. Dabei handelt es sich um ein „dual-variable domain“ Immunglobulin-G-ähnliches Molekül (DVD-Ig®) gegen TNF-α und IL-17A. ABT-122 wurde in einer Phase-II-Studie mit RA-Patienten untersucht und zeigte eine signifikante Wirksamkeit, vergleichbar mit Adalimumab – anhand einer ACR20-Response ermittelt.

Die Rolle von GM-CSF

Der Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierende Faktor (GM-CSF) fungiert primär als hämatopoetischer Wachstumsfaktor für myeloische Zellen. Daneben hat GM-CSF aber auch einen Einfluss auf die Differenzierung, Polarisierung und Aktivierung von Immunzellen wie Makrophagen, dendritische Zellen oder Lymphozyten. Bisher wurden unterschiedliche Inhibitoren von GM-CSF entwickelt, die entweder am GM-CSF-Rezeptor-α (Mavrilimumab) oder direkt am Zytokin (MORAb-022, MOR103, Lenzilumab, Namilumab) angreifen. Initiale klinische Phase-II-Studien konnten jedoch im Vergleich zu anderen Biologika zumeist keine überlegene Wirksamkeit nachweisen, weshalb die Studienprogramme für mehrere GM-CSF-Inhibitoren mittlerweile wieder beendet wurden.

IL-Antikörper

IL-6: Derzeit sind mit Tocilizumab und Sarilumab zwei Originatorpräparate zur Inhibition von IL-6 in der RA zugelassen.
Vobarilizumab ist ein Nanobody® bestehend aus einer Anti-IL-6-Rezeptordomäne, die an eine Antihuman-Serum-Albumin-Domäne gebunden ist, wodurch die In-vivo-Halbwertszeit entscheidend verlängert wird. Vobarilizumab wurde bisher in einer Phase-IIb-Studie bei RA-Patienten untersucht und zeigte eine signifikante Wirksamkeit in einem ähnlichen Ausmaß wie die im Vergleichsarm mit Tocilizumab festgestellte.
Olokizumab, ebenfalls ein Antikörper, der direkt gegen IL-6 gerichtet ist, wurde in einer Phase-III-Studie bei RA-Patienten untersucht und zeigte im Vergleich zu Placebo eine signifikant bessere Wirksamkeit anhand des primären Endpunktes ACR20.Clazakizumab, ein humanisierter Antikörper gegen IL-6, erreichte in einer Phase-IIb-Studie den primären Endpunkt eines ACR20-Responses.

IL-20 wird als ein weiteres proinflammatorisches Zytokin in der RA angesehen. IL-20 und sein Rezeptor finden sich vermehrt im Synovialgewebe, wo IL-20 vor allem von Monozyten produziert wird. Daneben wird für IL-20 auch eine Rolle in der Atherosklerose und Angiogenese postuliert.
In einer Phase-II-Studie erreichte der Anti-IL-20-Antikörper NNC0109-0012 den primären Endpunkt einer Verbesserung im DAS28-CRP nach 12 Wochen.
IL-22 ist ein wichtiger Regulator in der epithelialen Homöostase. IL-22 wird hauptsächlich von Lymphozyten wie Typ-1-T-Helfer-Zellen (Th1), Th17, Th22, CD8-positiven T-Zellen, γ-δ-T-Zellen, NK-Zellen und Innate-Lymphoid-Type-3-Zellen (ILC3) produziert. Daneben können auch neutrophile Granulozyten IL-22 produzieren. Eine vermehrte Expression des IL-22-Rezeptors und von IL-22 selbst wurde im Synovialgewebe beschrieben, und hohe Konzentrationen finden sich insbesondere bei Patienten mit Knochenerosionen.
SM03, ein Anti-CD22-Antikörper, erreichte in einer Phase-II-Studie mit RA-Patienten den primären Endpunkt eines ACR20. Eine Phase-III-Studie zu SM03 befindet sich derzeit in der Rekrutierungsphase.

Chemokine

Ein weiteres neues Target sind Chemokine, die eine wichtige Rolle in der Leukozytenmigration durch Bindung und deren spezifische Rezeptoren spielen. Derzeit kennt man ca. 50 unterschiedliche Chemokine. Fractalkine (oder CX3CL1) ist das einzige Chemokin der CX3C-Familie. Im entzündlichen Gewebe steuert die Interaktion zwischen Fractalkine (FKN) und seinem Rezeptor CX3CR1 die Bewegung von Monozyten auf Endothelzellen und damit deren Einwanderung ins Entzündungsgewebe. FKN wird vermehrt auf synovialen Gefäßendothelzellen exprimiert. Sein Rezeptor CX3CR1 findet sich wiederum vermehrt sowohl auf CD16-positiven Monozyten als auch auf in das Gelenk einwandernden T-Zellen. In der RA wird daher vermutet, dass Anti-FKN-Antikörper die Anreicherung von Entzündungszellen vermindern, den Zelltod von synovialen Fibroblasten induzieren und durch die Reduktion von Osteoklasten Knochenerosionen verhindern.
E6011, ein erster monoklonaler Anti-Fractalkine-Antikörper, wurde in einer Phase-II-Studie bei RA-Patienten untersucht. E6011 erreichte jedoch den primären Endpunkt einer ACR20-Response nicht und zeigte nur eine moderate Effektivität im Vergleich zu Placebo.

Wissenswertes für die Praxis
  • Biologika sind heute ein essenzieller Bestandteil in der Therapie der rheumatoiden Arthritis und trugen entscheidend zur Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten bei.
  • Da nach wie vor beim Großteil der Patienten keine langanhaltende Remission erreicht werden kann, besteht weiterhin ein dringender Bedarf an technischen Fortschritten bei der Antikörperentwicklung und bei der Identifizierung neuer Targets wie Immunmodulation, Gentherapie und epigenetische Modifikation.
  • Derzeit befinden sich verschiedene neue Biologika in der klinischen Entwicklung. Einige davon scheinen erfolgversprechend zu sein, andere jedoch sind den bereits etablierten Biologika in ihrer Wirksamkeit nicht ausreichend überlegen.