Jetzt ist es also wieder passiert: Der nächste Gesundheitsminister hat zermürbt von Pandemie, ÖVP, Landeskaisern und Drohungen der Coronamaßnahmenkritiker das Handtuch geworfen. Der Vorarlberger Umwelt-Landesrat Johannes Rauch wird Nachfolger von Dr. Wolfgang Mückstein (beide Grüne). Ein gelernter Sozialarbeiter folgt damit auf einen Arzt. Damit wird wohl auch eine Stärkung des Sozialministeriums erfolgen, für das Rauch ja auch zuständig ist und wo mit Pflegereform und Armutsbekämpfung als Folge der Pandemie einige große Baustellen warten.
Das und die Tatsache des Wechsels als solche wird wohl auch dazu führen, dass umstrittene Reformideen im Gesundheitsbereich in den kommenden Monaten unterbleiben werden. Eine davon ist die von Apothekern geforderte Möglichkeit, in Apotheken impfen zu dürfen. Schon Rudolf Anschober und Wolfgang Mückstein hatten sich diesen Plänen gegenüber reserviert gezeigt, Rauch wird sich hier keine neue Baustelle eröffnen wollen, hört man von den Grünen. Und auch die von Rauchs Vorgängern noch in den Raum gestellte Wirkstoffverschreibung dürfte auf Eis liegen. Denn hier mobilisiert die Ärztekammer mit einer Kampagne, und sie hat schon 2008 nicht nur ein bereits mit der Apothekerkammer und der Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) fixiertes Aut-idem-Projekt verhindert, sondern damals auch letztlich die Ministerin zum Rückzug bewogen. Die noch immer im Ministeriumskeller gestapelten Flyer, die damals in Apotheken zur Einführung von Aut idem verteilt werden sollten, haben angeblich auch die Grünen in der Zwischenzeit gefunden. Und die Ärztekammer macht wieder mobil.
Als „Patientengefährdung“ bezeichnete MR Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, die Pläne des scheidenden Gesundheitsministers Mückstein, dass Mediziner den Patienten nur Wirkstoffe verschreiben sollen und die Apotheker das Medikament dafür frei wählen können.
MR Dr. Johannes Steinhart
Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer
„Völlig ohne Not“ würde „versucht, die höchst vernünftige und bewährte Trennung der Rollen von Arzt und Apotheker aufzuheben“, sagte Steinhart und führte weiter aus: „Eine Wirkstoffverschreibung, bei der die Entscheidung über die tatsächlich abgegebene Arzneispezialität gänzlich vom Arzt auf den Apotheker übergeht, ist daher aus unserer Sicht eine dunkelrote Linie. Die Entscheidungshoheit muss natürlich bei den Ärztinnen und Ärzten liegen, die durch ihr jahrelanges Studium und die zusätzlichen Aus- und Weiterbildungen die nötige Kompetenz dafür mitbringen.“
Die Ärztekammer hat daher eine Aufklärungskampagne mit Inseraten in den größten österreichischen Tageszeitungen, Infoscreens in den größten österreichischen Städten sowie auf großen Internetplattformen gestartet. Parallel fordert die Ärztekammer in einer weiteren Kampagne ein gesetzlich verbrieftes Recht für alle niedergelassenen Ärzte, apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel direkt an die Patienten abgeben zu dürfen. Kurz: Hausapotheken für alle. Die Obfrau der Sektion Allgemeinmedizin der Wiener Ärztekammer, Dr. Naghme Kamaleyan-Schmied, plädiert für ein „duales System“, also ein Neben- und Miteinander öffentlicher Apotheken und einer direkten ärztlichen Medikamentenabgabe. Die Wiener Allgemeinmedizinerin betonte, dass es der Ärztekammer dabei um eine Ergänzung und nicht um eine Konkurrenz zu den Apotheken gehe. Und sie ist auch überzeugt, dass dies im Sinne der Patienten sei: „Das wünschen sich die Patienten“, verwies sie auch auf eine entsprechende Umfrage mit einer Zustimmung von zwei Drittel der Befragten.
Die Standesvertretung hat mitten im laufenden Ärztekammer-Wahlkampf eine Kampagne für die Medikamentenabgabe in den Ordinationen gestartet. Die Medikamentenversorgung durch Ärzte sei eine Realisierung des Konzepts „Best Point of Service“, erklärte Johannes Steinhart: „Nicht nur Aufklärung, Information und Beratung über die medikamentöse Therapie, sondern auch die Abgabe erfolgt dann aus einer kompetenten Hand.“ Dies liege nicht nur im Interesse des Patientenkomforts, sondern könne auch die Therapietreue durch die Stärkung der Arzt-Patienten-Beziehung wesentlich unterstützen.
Die Ärztekammer verstärkt damit vor allem den Druck auf die Apotheker mit ihren Plänen zur Impfung in Apotheken. Das Spiel dahinter ist nicht neu: Jedes Mal, wenn die Apotheken versuchen, in den ärztlichen Bereich vorzudringen, kommt die Retourkutsche mit dem Dispensierrecht. Bis jetzt hat die Strategie auch immer funktioniert, sagen Funktionäre hinter vorgehaltener Hand.
Mag. pharm. Thomas Veitschegger
Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes
Die Ärztekammer müsse sich bei ihren widersprüchlichen Kampagnen entscheiden, was sie wolle, sagt der Präsident des Österreichischen Apothekerverbands Mag. pharm. Thomas Veitschegger: „Einerseits begründet man die Ablehnung der Wirkstoffverschreibung mit der wichtigen Trennung von Arzt und Apotheker, und dann will man eine Hausapotheke für alle Ärzte.“
Mehr wolle er das aber nicht kommentieren, um sich nicht in den ärztlichen Kammerwahlkampf einzumischen, sagt er.