Beim Myokardinfarkt kommt es zum Verschluss einer oder mehrerer Herzkranzarterien, wodurch der Muskel von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten wird und seiner Arbeit nicht mehr nachgehen kann. Typische Symptome sind starke Schmerzen im linken Brustbereich, Atemnot, Beklemmungsgefühl, Schwindel/Erbrechen und andere individuelle Symptome. Der Myokardinfarkt gilt als Notfall und wird zunächst im Spital behandelt.
Patient A. (75 Jahre) erlitt vor 9 Monaten einen sog. STEMI (Herzinfarkt mit ST-Streckenhebung). Bei dieser Art des Myokardinfarktes wird im Spital eine Akut-PTCA (perkutane transluminale koronare Angioplastie) durchgeführt. Dabei wird zunächst ein Herzkatheter eingeführt, das verstopfte Gefäß wird mittels eines Ballons erweitert, und ein Stent wird implantiert. So auch bei Patient A., der nach der Akut-PTCA folgende Medikamente verschrieben bekam (siehe Tabelle). Weiters leidet Patient A. auch an einer schweren Leberinsuffizienz, aufgrund eines jahrelangen Alkoholabusus, seit seinem Herzinfarkt ist er jedoch seinen Angaben nach „trocken“.
Patient A. klagt bei Ihnen in der Apotheke über zunehmende Vergesslichkeit – er hat in der Zeitung gelesen, dass ihn Ginkgo biloba in seiner kognitiven Leistungsfähigkeit unterstützen kann.
Ginkgo biloba enthält verschiedene Ginkgoflavonoide, -glykoside und Terpenalkohole, welche die plättchenaktivierenden Faktoren hemmen. Dadurch wird Ginkgo biloba auch eine positive Wirkung auf das Gedächtnis zugeschrieben, die aus einer Verbesserung der Durchblutung des Gehirns resultiert. Ein Blick auf die Dauertherapie oder die Frage nach „blutverdünnenden“ Medikamente ist also beim Wunsch nach einem Ginkgo-Präparat immer notwendig. Da der Patient eine antithrombotische Therapie erhält, sollte man ihn über die Wirkung von hochdosiertem Ginkgo-Extrakt informieren. Alternativ könnten zur Verbesserung der Gedächtnisleistung Vitamin-B-Komplex oder Lecithinpräparate angeboten werden.
Bei Patienten mit einem STEMI (aber auch bei Non-STEMI-Myokardinfarkt) ist eine Therapie bestehend aus Acetylsalicylsäure + Ticagrelor oder Prasugrel laut Leitlinie „2020 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation“ indiziert. Diese Therapie nennt sich duale antithrombozytäre Therapie und wird für meist 1 Jahr nach dem Myokardinfarkt verschrieben. Bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz (wie bei Patient A.) wird mit Clopidogrel therapiert, da Ticagrelor und Prasugrel bei schwerer Leberinsuffizienz kontraindiziert sind. Nach diesem Jahr wird meist Prasugrel/Ticagrelor/Clopidogrel abgesetzt, und ASS bleibt als Dauertherapie.
Zur Sekundärprophylaxe von Myokardinfarkten werden neben der antithrombotischen Therapie auch ein Beginn einer Betablocker-Therapie empfohlen. Sublinguale Nitrate können bei unkontrollierter Hypertonie und Anzeichen einer Herzinsuffizienz angewendet werden. Weiters werden zur Sekundärprophylaxe von Myokardinfarkten auch ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten zur Senkung der Nachlast empfohlen, aber auch Statine, da ein LDL-Zielwert von unter 55 mg/dl für diese Patienten erstrebenswert ist.1
Protonenpumpenhemmer sind bei Patienten mit hohem Risiko für Magen-Darm-Blutungen oder bei mindestens zwei der folgenden Risikofaktoren indiziert:
Nachdem Patient A. vor dem Myokardinfarkt alkoholabhängig war und auch über 65 Jahre alt ist, ist ein PPI zusätzlich empfohlen. Hier ist jedoch die Kombination aus Clopidogrel und Omeprazol zu beachten. Omeprazol ist ein CYP2C19-Inhibitor, was bei gleichzeitiger Einnahme mit Clopidogrel (CYP2C19-Substrat) zu einem Wirkungsverlust von Clopidogrel führen kann. Clopidogrel ist ein Prodrug, das erst durch CYP2C19 zum aktiven Metaboliten aktiviert wird.2 Hier sollte man den Arzt anrufen und den Einsatz eines anderen Protonenpumpenhemmers (z. B. Pantoprazol) vorschlagen.
Beim Einsatz von Clopidogrel in der Therapie sollte auch zunächst der CYP2C19-Genotyp des Patienten bestimmt oder ein Multiplate®-Test gemacht werden, bevor mit der Therapie begonnen wird. Bei Patienten, die für CYP2C19 „poor metabolizer“ sind, kann es hier zu einem Wirkungsverlust kommen.3