Antibiotikaresistenzen stellen der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge eine der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit dar. Einen Ausweg haben nun Wiener Forscher vorgestellt.
Die WHO fordert dazu auf, dringend neue Wirkstoffe gegen bakterielle Infektionen zu suchen, um den Folgen von Antibiotikaresistenzen vorzubeugen. Wiener Forscher stellen nun im Fachjournal „Cell“ einen Ansatz für eine völlig neue Art von Antibiotika vor. Die Wissenschafter um Tim Clausen am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) arbeiten an grundlegenden Mechanismen des gezielten Proteinabbaus. In ihrer aktuellen Arbeit stellen sie eine nach ihren Angaben „innovative, breit anwendbare Strategie vor, die Basis für eine völlig neue Art von Antibiotika darstellen könnte“. Es handelt sich um „bakterielle Proteolyse-Targeting-Chimären“ (BacPROTACs).
Die sogenannte PROTAC-Technologie ist derzeit ein Hot-Topic in der Wirkstoffentwicklung – angesichts entsprechender Investitionen in der Pharmabranche war in „Nature“ im Vorjahr sogar von einem „PROTAC-Goldrausch“ die Rede. Konkret geht es dabei darum, mit kleinen Molekülen gezielt krankheitsauslösende Proteine anzugreifen, etwa zur Therapie von Krebserkrankungen. PROTACs bestehen aus zwei miteinander verbundenen Teilen: einem Modul, das sich selektiv an das gewünschte Protein bindet, und einem Modul, das das Zielprotein mittels eines Enzyms der Protein-Abbau-Maschinerie (Proteasom) zuführt, die jede menschliche Zelle besitzt, um alte und kaputte Proteine abzubauen. Dort wird das unerwünschte Eiweiß geschreddert.
Die IMP-Forscher um Ester Morreale und Tim Clausen haben diese PROTAC-Technologie nun in Richtung Bakterien weiterentwickelt. Dort ist der Ablauf ein wenig anders. Das am IMP entwickelte BacPROTAC bindet ebenso an das zu zerstörende Protein, braucht aber kein Enzym, sondern „dockt direkt an dem bakteriellen Proteasom an, wo das Protein abgebaut wird“, erklärte Clausen gegenüber der APA. Das haben die Wissenschafter in vitro und in vivo an Gram-positiven Bakterien und Mykobakterien getestet. Zu diesen gehören bedrohliche Krankheitserreger wie Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) und Mycobacterium tuberculosis.
Sie konnten in ihrer Arbeit zeigen, dass die modulare Struktur der BacPROTACs so vielseitig ist, dass sie an verschiedene Zielproteine und verschiedene Bakterienarten angepasst und so jedes beliebige Protein in einer Bakterienzelle abgebaut werden kann. Diese Anpassungsfähigkeit und Selektivität sei „genau das, was wir brauchen, um Antibiotikaresistenzen bei bakteriellen Krankheitserregern zu bekämpfen“, sagte Morreale. Die Forscher wollen nun das Verfahren an lebenswichtigen bakteriellen Proteinen ausprobieren und sehen, wie effektiv es eine Zielspezies töten kann. Clausen ist „sehr zuversichtlich, dass das einiges auslösen wird“ und sich die Technologie für die Entwicklung neuer Antibiotika eignet. (APA)
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