Angelika Specht: Ein wichtiger Aspekt dabei ist: Beim Remote-Arbeiten sind alle gleich, denn alle sind nicht im Büro. Gerade zu Beginn der Pandemie waren alle mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert: Technik beherrschen, Abstimmungsabläufe etablieren, informellen Austausch aufrechterhalten, Kommunikationsstrukturen schaffen etc. Der „technische Stress“ war am Anfang enorm groß. Bei der Gestaltung der Meetings hat man schnell gesehen, dass Online-Treffen effizienter abliefen, weil sachorientierter agiert wurde. Gleichzeitig führte dies zu einem enormen Formalisierungsschub, während der informelle Austausch und auch das Teambuilding oft zu kurz kamen. Das heißt, ein großer Nachteil von Remote-Arbeiten waren die Vereinzelung von Menschen und eine geringere Identifikation mit dem Team. Hier ist es wichtig, in einer Remote-Arbeitswelt aktiv durch Teambuilding-Maßnahmen gegenzusteuern.
Weitere Herausforderungen waren das Lösen von Konflikten, kreative Zusammenarbeit und Onboarding von neuen Mitarbeiter:innen. Viele Führungskräfte wussten nicht, wie sie das online bewerkstelligen sollten. Auf Mitarbeiterseite ist die Abgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben beim Arbeiten im Homeoffice eine besondere Challenge, die während der Pandemiezeit auch zu großen Belastungen geführt hat.
Frühzeitig überlegen und festlegen, wer welche Kontaktschleifen braucht und wer welche Information über welches Tool benötigt. Kurz: Wie kann Austausch remote stattfinden? Das ist der erste wichtige Schritt: sich mit dem Team zusammensetzen, um diese Themen, wie man zusammenarbeiten will, zu besprechen. Dabei muss man sich auch im Team einigen, welche Technik eingesetzt wird.
Beim Remote-Arbeiten sollten Führungskräfte aktiv auf Mitarbeiter:innen zugehen und nachfragen, wie es ihnen geht. Das kann bei einem virtuellen Feierabendbier stattfinden oder man richtet eine Online-Sprechstunde ein, in der man für alle zu sprechen ist. Wichtig ist, dass Führungskräfte aktiv diesen Kontakt suchen und diese Räume schaffen.
Diese individuelle Ebene ist das eine. Auf der anderen Seite müssen Führungskräfte auf der Teamebene schauen, ob alle alles haben, was sie brauchen, und wie Projekte voranschreiten. Wie schaue ich auf die Leistung meines Teams? – Das ist beim Remote-Arbeiten ein wichtiger Punkt. Wie stelle ich fest, dass das Team im Projekt, bei den täglichen Aufgaben bzw. bei den Kernaufgaben weiterkommt? – Darüber muss ich mir als Führungskraft beim Remote-Arbeiten viel mehr Gedanken machen. Zudem muss auch mit dem Team festgelegt werden, wie fertige Aufgaben gemeldet werden.
Im hybriden Setting ist die Ungleichheit ein wesentlicher Aspekt, also die Ungleichheit zwischen denen, die vor Ort sitzen, und denen, die zu Hause sind. Letztere bekommen nicht mit, was auf der informellen Ebene in der Kaffeeküche besprochen wird. Diese massive Ungleichheit hat einen großen Impact auf Zusammenhalt, auf Regeln, Vertrauen und Kontrolle, Kommunikationsstrukturen sowie auf die informellen Wege.
Derzeit sind die Unternehmen sehr schnell bei der Hand mit „3 plus 2“-Konzepten, also drei Tage Büro, zwei Tage Homeoffice oder zwei Tage Büro, drei Tage Homeoffice. Aber sie vergessen zu besprechen, wie man in diesem Setting zusammenarbeitet, wenn man sich nie gemeinsam als Team sieht. Die, die zusammensitzen, haben immer einen Informationsvorsprung vor denen, die nicht da sind. Diese Ungleichheit gilt es aktiv anzusprechen. Führungskräfte müssen neue Wege suchen, wie in hybriden Teams Zusammenarbeit und Kommunikation gestaltet werden können. Der Zusammenhalt im Team ist eine große Herausforderung. Eine Lösungsmöglichkeit ist beispielsweise ein Chat für das Team, in den man das, was man zu dritt in der Kaffeeküche besprochen hat, gleich danach hineinschreibt.
Die nächste Herausforderung ist – wie auch beim Remote-Arbeiten – die Aufgaben- und Leistungsmessung. Wenn man als Führungskraft auch diese 3-plus-2- oder 2-plus-3-Regelung hat, wie bekommt man dann mit, dass diejenigen, die gerade nicht da sind, ebenfalls ihre Aufgaben erledigen? Führungskräfte tendieren dazu, diejenigen, die sie sehen, besser zu beurteilen als die, die nicht so präsent sind. Hier gilt es andere Wege zu finden, um das auszugleichen.
Es braucht auf der Führungsebene bestimmte Fähigkeiten. Das nennt man übrigens „Hybrid Leadership“. Dieses beruht auf fünf Faktoren: 1. Innerer Zusammenhalt: Wie gestalten wir unser Team? 2. Regelwerk: Wie treffen wir uns? Wann macht z.B. ein Online-Treffen Sinn, wann wollen wir es in Präsenz haben? 3. Kommunikationsstrukturen: Wie wollen wir einander informieren? 4. Vertrauen und Kontrolle. 5. Funktionale Informalität: Wie schaffen wir kurze Wege, damit wir uns nicht immer weiter in noch mehr Termine und noch mehr Meetings formalisieren?
Für hybride Arbeitsmodelle benötigen Führungskräfte durchaus veränderte Skills, z.B. viel mehr Aufmerksamkeit, eine neue Wachheit für die entstehenden Ungleichheiten und für die Dynamiken, die sich daraus ergeben. Das heißt, wir brauchen im Hybriden mehr Zeit für die Führungsaufgaben, denn wir müssen mehr beobachten, beurteilen, steuern, eingreifen, Gespräche führen und mehr coachen, statt anzuweisen und zu kontrollieren. Führungskräfte müssen näher dran sein am Einzelnen und gleichzeitig die gruppendynamischen Aspekte wahrnehmen können. Zudem braucht es von den Führungskräften mehr Klarheit und Verbindlichkeit im Kommunikationsverhalten im Sinne von: Ich sage, was ich tue, und daran halte ich mich. Für den Umwandlungsprozess in hybride Teamarbeit bietet sich aktuell eine gute Gelegenheit, denn wir können jetzt auf unseren Erfahrungen aus der Remote-Arbeitszeit aufbauen: Was hat in den letzten zwei Jahren gut funktioniert, was müssen wir ändern? Ganz wichtig dabei: Es gibt keine One-size-fits-all-Lösung! Stattdessen sollten die Führungskräfte jetzt die Freiheit haben, mit ihrem Team festzulegen, welche Kernaufgaben die Anwesenheit im Büro, beispielsweise einen kreativen Austausch, ein gutes Miteinander erfordern, und welche auch im Homeoffice erfüllt werden können. Wie funktionieren Schnittstellen, wie tauschen wir uns mit anderen Abteilungen aus – all diese Punkte muss man auf der Teamebene klären. Meine Empfehlung dazu ist: Macht einen zweimonatigen Piloten und wertet diese Phase anschließend aus: Was hat sich bewährt, was wollen wir ändern?
Ein wichtiger Punkt: Wie integriert man die vier, die online zugeschaltet sind, während drei Leute im Besprechungszimmer sitzen? Als Erstes muss die Technik im Besprechungsraum entsprechend ausgerichtet werden. Als Zweites braucht man eine Moderation, die sowohl die im Raum anwesenden als auch die virtuell zugeschalteten Mitarbeiter:innen mit einbindet.
Auch mit externen Kund:innen etc. gilt es zu vereinbaren: Welches Tool können/wollen wir einsetzen und wie halten wir einander auf dem Laufenden? Welche Informationen benötigen Kund:innen wann und über welchen Kanal von uns? Es braucht eine gemeinsame Vereinbarung mit jedem:jeder Kunden:Kundin, mit allen Externen, für die unterschiedlichen Formate: Was machen wir online – und über welchen virtuellen Kanal – und zu welchen Themen wollen wir uns auf jeden Fall in Präsenz treffen?