Die Weltgesundheitsorganisation sagt, dass der allgemeinmedizinische Sektor der zentrale Bereich der Gesundheitsversorgung ist und auch der Bereich sein sollte, in den stark investiert wird. Wir sehen in sehr vielen Ländern, dass das nicht passiert ist und dass der Beruf des Allgemeinmediziners nicht als attraktiv angesehen wird. Für viele Menschen ist aber gerade die Kontinuität des Hausarztes sehr wichtig. In der Coronakrise etwa haben viele Menschen versucht, die Informationen von ihrem Hausarzt zu bekommen, weil sie ihm vertrauen. Da haben wir gelernt, dass Vertrauen einer der wichtigsten Bereiche ist, wenn wir mit einer Pandemie erfolgreich umgehen wollen.
Sehr viele Umfragen zeigen uns, dass Menschen die Empfehlungen ihres Hausarztes eher umsetzen als solche, die allgemein auf sie hereinprasseln. Grundlage dafür ist ein Gespräch, aber leider wird es immer schwieriger, Zeit dafür zu finden. So ein Gespräch bedeutet ja nicht nur „Sie sind übergewichtig, Sie sollten abnehmen, um gesund zu bleiben“, sondern da geht es um das Verständnis der sozialen Situation, in der dieser Mensch ist. Das ist die wichtige Funktion der Allgemeinmedizin, dass sie in dem Umfeld verankert ist, in dem die Menschen sind. Je schwieriger meine soziale Situation ist, desto schwieriger ist ein Präventionsgespräch und auch die Präventionsempfehlung. Die Aufgabe des Allgemeinmediziners ist in diesem Bereich zentral.
Prof.in DDr.in Ilona Kickbusch ist Leiterin des globalen Gesundheitsprogramms am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung in Genf. Sie bekleidete mehrere hochrangige Positionen innerhalb der WHO und gestaltete 1986 federführend die Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung mit. Kickbusch ist Pionierin bei der Entwicklung des Konzepts der Gesundheitskompetenz.