Die menschliche Angst ist in der Neurobiologie als eine Emotion definiert, die eine Stressreaktion verursacht und das Individuum anleitet, blitzschnell sowie geeignet auf die aktuelle Gefahrensituation zu reagieren. Es kommt dabei im Organismus zu physischen sowie psychischen Anpassungsreaktionen wie beispielsweise Herzklopfen, beschleunigtem Puls, Schweißausbruch, sorgenvollen Gedanken bzw. Gefühlen. Eine Empfindung, die als Warn- und Schutzfunktion dienlich ist und evolutionsgeschichtlich betrachtet zum Überleben notwendig war, kann jedoch vom Individuum als übermächtig sowie unkontrollierbar erlebt werden.
Bei einer klinisch behandlungsbedürftigen Angststörung kommt es zu einem intensiven, häufigen, in unangebrachten Momenten auftretenden sowie länger andauernden Erleben (Zeitraum mindestens 6 Monate) der qualvollen Sorgen mit zusätzlichen Symptomen wie Kurzatmigkeit, Schwindel, Tremor, Reizbarkeit, rascher Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Muskelverspannungen und/oder Schlafstörungen. Das tägliche Verhalten der Betroffenen ist dabei maßgeblich durch das Vermeiden von bestimmten Dingen oder Situationen bestimmt, die wiederum starke Angst auslösen können.
Pathogenetisch werden Dysbalancen im Neurotransmitter-System, besonders im GABA- und Glutamat-System, sowie Störungen in der Aktivität noradrenerger und serotonerger Mechanismen vermutet. Angsterkrankungen beginnen meist in der zweiten bis vierten Lebensdekade, dabei manifestieren sich 60 % aller Angststörungen vor dem 21. Lebensjahr. Frauen leiden wesentlich häufiger an Angststörungen als Männer, was möglicherweise auf geringere Muskelkraft, niedrigeren Testosteronspiegel, geringeres Aggressionspotenzial und somit häufiger ein anhaltendes latentes Gefühl einer Bedrohung zurückzuführen ist. Weiters wird angenommen, dass sich die fast doppelt so große Zahl betroffener Frauen ergibt, da das weibliche Geschlecht eher bereit ist, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die wichtigsten Formen der Angststörung werden wie folgt differenziert:
Die Ursachen von Angststörungen sind vielfältig, so können genetische Faktoren, das Durchleben traumatischer Ereignisse (z. B. in der Kindheit), starker, langanhaltender Stress, psychische Veranlagung, körperliche Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, Arrhythmien, Fieber, Hyperthyreose, Phäochromozytom, Hyperadrenokortizismus, Asthma, COPD) zu den triggernden Mechanismen gezählt werde. Auch die Einnahme bestimmter Medikamente kann Reaktionen wie Unruhe, Angst oder Panik zur Folge haben:
Bevor eine anxiolytische Behandlung begonnen wird, ist es unbedingt empfehlenswert, körperliche Erkrankungen wie Schilddrüsenfehlfunktionen, B-Vitamin-Mängel, Lebererkrankungen, Dysbalancen im Kalziumhaushalt, Virusinfektionen oder Entzugssymptome (z. B. Alkohol) ärztlich abklären zu lassen. Für eine gezielte medikamentöse Behandlung liegen bei spezifischen Phobien kaum Wirksamkeitsbelege vor. Bei den anderen genannten Formen werden laut der S3-Leitlinie Pharmakotherapie und Psychotherapie als gleichwertige Therapien geschätzt. Letztgenannte ist allerdings oft mit langen Wartezeiten auf den Therapieplatz verbunden, während mit einer medikamentösen Behandlung sofort begonnen werden kann. Auch Sport (z. B. Ausdauertraining in Form von 3-mal wöchentlich 5 km Laufen) kann als ergänzende Maßnahme zu anderen Standardtherapien zur Behandlung empfohlen werden.
Medikamentös stehen in der Therapie je nach Typ der Angststörung unterschiedliche Substanzgruppen zur Auswahl. Mittel der Wahl sind Wirkstoffe aus den Klassen der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram, Escitalopram, Paroxetin und Sertralin sowie selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Venlafaxin und Duloxetin. Bei den genannten Arzneistoffen ist natürlich mit einem verzögerten Wirkungseintritt von 1 bis zu 6 Wochen zu rechnen, auch das Auftreten von unerwünschten Wirkungen in der Anfangsphase, wie Schlaflosigkeit, Unruhe oder sexuelle Dysfunktion, ist möglich.
Bei bestehender Unverträglichkeit oder Wirkungslosigkeit können den Patient:innen Wirkstoffe aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva (TZA) verschrieben werden. Vertreter dieser Substanzklasse weisen als Nebenwirkung häufig Gewichtszunahme auf. Das Antiepileptikum Pregabalin kann bei einer generalisierten Angststörung verordnet werden, wobei mit unerwünschten Effekten wie Schwindel oder Benommenheit zu rechnen ist. Weitere Arzneistoffe wie Buspiron, Moclobemid oder „off label“ Quetiapin können bei erfolglosen Therapien der bereits genannten Substanzen eingesetzt werden. Die Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine verfügt bekanntlich über anxiolytische Effekte, sollte jedoch aufgrund der Abhängigkeitsentwicklung nur in Ausnahmefällen verordnet werden.
Bei der Einnahme von SSRI ist auf eine ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren, den Vitaminen B2, B3, B6, B12 sowie Folsäure zu achten. SNRI zeigen ebenfalls eine bessere Wirksamkeit in Kombination mit den genannten B-Vitaminen. Bei Gabe von TZA ist eine Supplementierung mit Coenzym Q10, Magnesium sowie den erwähnten B-Vitaminen empfehlenswert. Phytotherapeutisch lohnt sich der Versuch einer Therapie von Angstzuständen mit Präparaten, die als Inhaltstoff Lavendelöl aufweisen. Das anxiolytisch wirksame ätherische Öl des Echten Lavendels besteht vor allem aus Monoterpenen, insbesondere Linalylacetat sowie Linalool, und verfügt über vergleichbare Wirkungen wie Benzodiazepine in der Besserung von generalisierten Angststörungen.